Gemeinderatsprotokoll vom 13. Dezember 1919

2 beabsichtigt war. Ich möchte deshalb hier ausdrücklich sagen daß die vorgekommenen Mißhandlungen zu verurteilen sind und ich mich verpflichtet fühle, dafür Vorsorge zu treffen und alles vorzukehren, um derartige Ausschreitungen unter allen Umständen hintanzuhalten. (Bravorufe.) Ich glaube, damit be finde ich mich mit allen Herren und Frauen in Ueberein¬ timmung. Dabei will ich aber auch nicht verhehlen, daß für die Vorkommnisse auch Gründe vorhanden waren. Ueber¬ einstimmend wurde auch ausgesagt, daß die Prügeleien nur dadurch hervorgerufen wurden, als einzelne verprügelte Per¬ onen grobe Provokationen begangen haben. Soweit diese Ver¬ rügelung die provozierenden Personen betrifft, muß man agen, daß diese zwar bedauerlich aber wohl begreiflich war, daß diesen Provokanten keine Hilfe zuteil wurde. Bedauerlich st, daß auch andere Personen mit hineingezogen wurden. Ich möchte betonen, daß wir gegen Wiederholungen solcher be dauerlicher Zustände die nötigen Vorsorgen treffen werden. Be¬ dauerlich ist auch, daß angeblich schon einige Tage vorher ein¬ elnen Bürgern unserer Stadt Nachrichten zugekommen waren, daß eine Kundgebung der Arbeiterschaft zu erwarten sei, wir jedoch hievon nicht verständigt wurden. Ich möchte an alle die Bitte richten, an alle, denen das Wohl der Stadt am Herzen liegt, daß das Präsidium von solchen Nachrichten verläßlich ver¬ tändigt werde, damit es die Möglichkeit besitzt, rechtzeitig vor orgen und gegebenenfalls eingreifen und den Bürgern unserer Stadt entsprechenden Schutz angedeihen lassen zu können. (Zwi schenrufe: Ganz richtig"!) Andererseits möchte ich aber auch an die Bevölkerung der Umgebung, die Bauernschaft, den Appell richten, daß diese — ich zweifle nicht daran, daß der größt Teil den ehrlichen Willen hat, ihrer Lieferungspflicht nachzu kommen, mit allen Kräften trachten, an die Stadt zu liefern¬ und selbst auf ihre Kollegen einwirken, dies zu tun, wodurch sich die Stimmung der Bevölkerung bessern würde. Dadurch vürden am sichersten solche Vorkommnisse, wie sie der letzt Donnerstag brachte, vermieden werden. Die Demonstration vom Donnerstag richtete sich auch gegen die Verkürzung der Mehlquote und wurde verlangt, daß diese wieder auf das frühere Maß erhöht werde. Von Seite der Landesregierung wurde telephonisch berichtet, daß die e höhte Mehlquote für die nächste Woche wieder gesichert sei uurd wir voraussichtlich für zwei Monate wieder mit Mehl gedeckt sind. Die in der Bürgermeisterkanzlei anwesenden Herren haben diese Nachricht auch den Demonstranten mitgeteilt und sie er¬ sucht, sich zu gedulden Es war gewiß die ehrlichste Absicht der Landesregierung, die Mehlquote wieder voll auszugeben. Ich alte mich aber verpflichtet, hier öffentlich folgendes zu erklären: Von Seite der Staatsregierung und der Reparationskommission vird verlangt, daß die Versorgung der Bevölkerung Deutsch¬ österreichs gleichmäßig zu erfolgen habe (Zwischenruf: „Gleich¬ näßig hungern!“) und daß es nicht angeht, wenn man in Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Wien außer der Kürzung der Mehlquote auch eine solche der Brotquote vorgenommen hat, eine Stadt oder ein Land ver¬ langen kann, daß für sie eine Vollversorgung einzutreten hat, unbekümmert darum, wie andere Länder oder Städte versorgt ind. Ich muß dies hier öffentlich erklären und weiter bei fügen, daß es auch die Absicht der Landesregierung war, der Bevölkerung der Stadt für die kommende Woche eine Zubuße von ¼ kg Mehl zu geben, diese Absicht aber an dem Wider¬ tande der Staatsregierung und der Reparationskommission ge cheitert ist Vir haben uns aber sofort bemüht, damit das von der Landesregierung gegebene Versprechen eingelöst werde; dies ist wenigstens in einer Form gelungen, daß in anderer Weise Zu¬ bußen durch die Stadtgemeinde sichergestellt werden konnten. Diese Zubußen sollen glaublich Dienstag oder Mittwoch hier sein und in 1 kg Teigwaren und 1 kg Reis bestehen. Zu be¬ ionen ist, daß die Ausgabe des Reises zu einem bedeutend er¬ mäßigten Preis erfolgen und nicht viel höher zu stehen kommen wird, als die sonstigen Mahlprodukte. Ich möchte Sie bitten, dies zur Kenntnis nehmen zu wollen und auch die Bevölkerung ievon zu benachrichtigen. Die Landesregierung kann trotz ihres ehrlichsten Willen dem gegebenen Versprechen nicht nachkommen und mußten wir daher den Ausweg finden, daß wir Zubußer von der Gemeinde in der angegebenen Form ausgeben können wvomit sicherlich dem Bedürfnisse Rechnung getragen und eine erhöhte Menge an Lebensmitteln gesichert ist. Ich möchte auch an die gesamte Bewohnerschaft den Appell richten, daß sie ihre Solidarität mit den übrigen Angehörigen Deutschösterreichs hochhält und die voraussichtlich noch kurze Zeit der Knappheit mitüberdauern helfen. Ich kenne das Wort: Durchhalten; es hat einen schlechten Beigeschmack und keinen guten Klang; nichtsdestoweniger möchte ich an diejenigen die sich als Republikaner bekennen, den Appell richten, daß sie uns in der Zeit des voraussichtlich tiefsten Standes unserer Ernährungsverhältnisse mit hinüberhelfen, um damit den Be¬ tand des Staates sicherzustellen. Republikaner sein, heißt, mit voller Ueberzeugung an der republikanischen Staatsform zu hängen, nicht nur wenn es gut geht, sondern auch dann, wenn es gilt, Opfer zu bringen; dann erst zeigt es sich, ob er ein richtiger Republikaner ist oder nicht; in der Not zeigt sich erst ob man Zusammengehörigkeitsgefühl besitzt Ganz besonders möcht ich aber auch an die Arbeiterschaft den Appell richten. Sie wissen, daß die Machthaber einzelner Länder bestrebt sind, sich von Niederösterreich und Wien loszumachen. Durch Vor¬ ommnisse, wie sie am Donnerstag geschahen, werden die eparatistischen Bestrebungen dieser Machthaber nur genährt Diese Bestrebungen dürfen wir aber nicht zu sehr in die Halme wachsen lassen, sondern vom Standpunkte des Solidaritätsgefühles eraus, dürfen wir nicht den Standpunkt einnehmen: Wenn ich nur etwas habe, mögen die Wiener verhungern. Solche Bedanken dürfen nie in unsere Herzen und in unser Gehirn einziehen Ich möchte deshalb nochmals erklären, daß wir alle jene Ausschreitungen, wie sie am Donnerstag stattgefunden haben, auf das tiefste bedauern und alles veranlassen werden, um solche oder ähnliche Ausschreitungen hintanzuhalten und allenfalls, wenn trotz aller Warnungen von unseren Ver¬ fügungen nicht Kenntnis genommen und die Ordnung im In¬ eresse der ganzen Bevölkerung nicht aufrecht erhalten wird, enen Leuten, welche sich unseren Anordnungen nicht fügen, die Verantwortung für ihr Tun und Treiben überlassen müssen Ich bitte, die Versicherung hinzunehmen, daß wir alles un werden, um die Ordnung und Sicherheit der Personen und ind des Eigentumes zu schützen. Ich bitte dies zur Kenntnis nehmen zu wollen. (Allgemeiner Beifall.) Hierauf wird in die Tagesordnung eingegangen. Die Punkte 1, 2, 3, 8 und 9 werden der vertraulichen Sitzung vorbehalten. Sektion Ansuchen um Verpachtung des anläßlich der Ein¬ 1. verleibung von Gebietsteilen der Gemeinde Gleink erworbenen Jagdgebietes 699 5 Referent Herr G.=R. Reisinger. Gemeindegebiete Durch die Inkorporierung aus dem Gleink ist zum Stadtgebiete ein Gebiet von 2½ ha zugewachsen. Für den Jagdpacht dieses erweiterten Gebietes hat sich ein Konsortium angeboten. Mittlerweile hat auch Herr Dr. Peyrer¬ Angermann, der bisherige Pächter der Gemeindejagd, um Ueber¬ lassung dieses erweiterten Gebietes auf Grund des Jagdgesetzes ebeten und bietet als Jagdpacht einen Betrag von 400 K. Die Sektion ist zu dem Entschlusse gekommen, dem Gemeinderate die Verpachtung des erweiterten Gebietes nach dem Jagdgesetze em bisherigen Herrn Pächter der Gemeindeeigenjagd Dr. Kamillo Peyrer=Angermann zu dem angebotenen Pachtschilling von 400 K er Jahr bis 31. Dezember 1922 zu vergeben Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen 5. Festsetzung von Armenfondgebühren für das Jahr 1920 Referent Herr G.=R. Fischer. 339 zur Neubestimmung der Armenfondgebühren für das Jahr 1920 liegt ein Amtsbericht vor, den die Sektion mit inigen kleinen Aenderungen durch Erhöhung der Ansätze zu¬ gestimmt hat. Der Amtsbericht lautet: Amtsbericht Die Gültigkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 24 März l J. betreffend Festsetzung der Armenfondgebühren läuft mit Ende des Jahres ab Ich beehre mich hierauf aufmerksam zu machen mit dem Ersuchen, der Gemeinderat wolle hinsichtlich dieser Gebühren, die alljährlich festgesetzt werden müssen, neuerlich Beschluß fassen. Nach dem Gesetze vom 8. September 1902, L.=G. und V.=Bl. Nr. 38, ist die Einhebung nachstehender Gebühren zulässig Für die Erteilung der polizeilichen Baubewilligung zu Bauführungen, welche nicht infolge von Elementarereignissen notwendig werden, und zwar bei Neubauten K 6.— (von der Sektion auf K 20.— erhöht) und bei Zu= und Umbauten K 4 2. Für die Erteilung einer Tanzmusiklizenz K 20.— sofern auf die Tanzunterhaltung nicht die Bestimmungen für die Einhebung einer Lustbarkeitssteuer Anwendung zu finden haben). 3. Für die Bewilligung zur Offenhaltung von Kaffee= und Schanklokalitäten über die vorgeschriebene Sperrstunde K 10.— (von der Sektion auf K 20.— erhöht) Für ein Besteisschießen, Bestkegelscheiben, Bestschießen von der Sektion auf K 4.— erhöht K 2 5 Für ein Preisfahren oder Reiten K 20. Für die Veranstaltung eines Feuerwerkes, Fackelzuges 6. öffentliche Umzüge in Verkleidungen K 10.— (von der oder für auf K 20.— Sektion erhöht). Für Produktionen von Gymnastikern, Schnelläufern K 4.— für jede Vorstellung. dgl. 1 Für die Produktion von Zirkusbesitzern, Menagerie 8 Ringelspielbesitzern, Praterbesitzern, Schießbudenbesitzern, besitzern Schaubudenbesitzern, Schiffsschaukeln, Marionettentheatern u. dgl —, bei Beschäftigung von mehr als sechs Personen K 10.—. K 2. Die Sektion beantragt, den im Amtsberichte vorgesehenen und von der Sektion erhöhten Gebührenansätzen zuzustimmen Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen. II. Sektion. . Stadtkassatagebuchabschluß pro November 1919. Herr Vizebürgermeister Nothhaft trägt den Ab¬ vor chluß

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