Gemeinderatsprotokoll vom 21. Juni 1919

ind, da sich niemand darum bekümmert, wie die Abgrenzung beispielsweise der Ortsteile Voglsang, Reichenschwall usw. er¬ folgt und entspricht die Bezeichnung auch sicherlich nicht, wes halb einem schon vor langer Zeit eingebrachten Antrage nun mehr nähergetreten und die Einführung einer bezirksweisen Ab¬ renzung der Stadtteile empfohlen wird. Zur Festlegung be¬ timmter Abgrenzungen liegt nun der Gesetzentwurf vor, welche zur Annahme gelangen soll Herr Vizebürgermeister Mayrhofer schreitet über den Sektionsantrag zur Abstimmung. # an¬ Der Antrag wird vom Gemeinderate einstimmig enommen. 4. Aenderung des Gemeindestatutes. Referent Herr Bürgermeister Wokral: „Mit der Aenderung der Gemeindewahlordnung hat sich auch die Not¬ wendigkeit ergeben, das Gemeindestatut zu ändern. Schon ge¬ legentlich der Einverleibung neuer Gebiete wurde der Wunsch nach Aenderung des Gemeindestatutes laut, ganz besonders aber in den Novembertagen 1918, wo ein freierer Geist eingezogen. Mit der neuen Wahlordnung sind auch neue gesetzliche Be¬ stimmungen erlassen worden, die mit dem Wesen unseres bis¬ herigen Gemeindestatutes nicht mehr übereinstimmen. Mit Zu¬ stimmung der Landesregierung wurden in verschiedenen Be¬ langen Aenderungen der Bestimmungen des Gemeindestatutes durchgeführt und erinnere ich beispielsweise an die Festsetzung, daß außer dem Bürgermeister, drei Bürgermeister=Stellvertreter zu wählen sind. Es wurde zwar von Sektionsmitgliedern seiner¬ eit eingewendet, daß es gut wäre, mit der Aenderung des Ge neindestatutes der Stadt Steyr überhaupt zu warten, bis von Seite des Staates ein Rahmengesetz geschaffen wird, nach welchem die Aenderung des Statutes erfolgen solle. Nachdem aber be¬ kannt ist, daß ein Rahmengesetz über die Gemeindeverwaltung illein nicht gemacht wird, und die Nationalversammlung erst dann an ein solches schreiten wird, wenn die Hauptfragen der Verwaltungsreform spruchreif geworden sind und aller Voraus¬ sicht nach eine lange Frist verstreichen kann, bis dieses Rahmen¬ esetz geschaffen werden könnte, würde die Gemeinde mit den eute geltenden Bestimmungen und ihrem Statut in Widerspruch eraten und schließlich die Statutenbestimmungen keine Gültigkeit haben. Dies waren die Gründe, daß sich die Sektion mit der Ausarbeitung der entsprechenden Aenderungen des Gemeinde¬ tatutes ausreichend beschäftigte. Ich muß bedauern, daß es nicht möglich war, jedem Gemeinderate ein Exemplar der Ab¬ schrift der geänderten Statuten zustellen lassen zu können, da ie Arbeit der Vervielfältigung von der Kanzlei aus in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht bewältigt werden konnte. Neue Statuten mit Aenderungen drucken zu lassen, stand nicht dafür und müssen die Statuten nach Beschlußfassung über die beantragten Aenderungen sowieso dann in Druck gelegt werden. Bevor zum Vortrage der beantragten Aenderungen ge¬ schritten wird, wäre die Frage zu stellen, ob gewünscht wird daß sämtliche Paragraphe der Statuten verlesen oder nur die wichtigsten Punkte herausgegriffen werden sollen der Gemeinderat spricht sich für die paragraphenweise Verlesung des Statutes mit den beantragten Abänderungen aus Der Herr Referent trägt sohin die einzelnen Para¬ graphe mit den betreffenden beantragten Aenderungen vor: Die Aenderung der Geschäftsordnung wird seinerzeit er olgen und können sich die Gemeinderäte inzwischen die Geschäfts¬ ordnung zur Bereithaltung etwaiger Anträge durchlesen. Die beantragten Aenderungen erscheinen im Interesse der Gemeind gewiß praktisch. Weiters wird beantragt, statt der bisherigen Bezeichnung „Stadtgemeindevorstehung“ „Magistrat“ einzuführen. Mit Rücksicht auf die demnächst schon stattfindenden Sitzungen des Landtages wäre es dringend geboten, schon heute zu einer Annahme der beantragten Abänderungen zu gelangen, damit das neue Statut baldmöglichst Gesetzeskraft erlangt.“ Herr G.=R. Bachmayr: „Unter Gemeindebürger wurden rüher diejenigen verstanden, welchen vom Gemeinderate das Bürgerrecht mit Beschluß verliehen wurde. Das Bürgerrecht wurde jenen Personen verliehen, welche durch lange Zeit in Steyr gelebt haben und sich um die Stadt gewisse Verdienste indem sie gewissermaßen den größten Teil ihres Lebens in der Stadt gearbeitet und ihre Kräfte aufgebracht haben. Nach der beantragten Abänderung dieser Bestimmung könnte der Fall eintreten, daß Personen, die zufälligerweise das Heimatsrecht in unserer Stadt besitzen, jedoch nie in Steyr waren und auch nie hieher kommen, auf ihre alten Tage hieher übersiedeln, auf iese ihre Rechte als Bürger von Steyr pochen und sich dadurch m Genusse von Stiftungen setzen, während anderen Personen die wirkliche Verdienste um die Stadt oder die Allgemeinhei aufweisen, eine gewisse Konkurrenz geschaffen und dadurch unter¬ drückt würden. Dies würde aber sicherlich nicht im Sinne der Stifter liegen. Abgesehen von der rechtlichen Seite des Vollzuges der Stiftsbriefbestimmungen, würde ich diese Abänderung nich anraten. Andererseits lautet entgegen der Streichung der Bürger¬ rechtsverleihung der § 9 der Statuten auf das Recht des Ge¬ meinderates auf Ernennung von Ehrenbürgern. Es ist gewiß richtig, was bezüglich Ernennung von Ehrenbürgern hinsichtlich der Würdigkeit derselben ausgesprochen wurde, doch muß darau verwiesen werden, daß die Verleihung des Bürgerrechtes vielen zugute kommen kann, während das Ehrenbürgerrecht nur ganz bestimmten Personen verliehen wird. Was die weiteren Aenderungen inbelangt, so kann ich nicht darüber sprechen, weil die Unter 3 lagen für das Vorstudium der beantragten Aenderungen fehlen und ohne derselben eine Aeußerung nicht möglich ist. Ich be¬ alte mir die weitere Fragestellung noch vor. err G.=R. Dr. Peyrer=Angermann: „Ich bin entgegen den Ausführungen des Herrn G.=R. Bachmayr durch das Entgegenkommen des Herrn Bürgermeisters in der glücklichen Lage, über das zu beratende Statut informiert zu sein und muß trotzdem sagen, daß es schließlich nicht möglich ist, sich gründlich mit den beantragten Abänderungen zu befassen, die schließlich auf Jahrzehnte hinaus in Geltung zu bleiben hätten. Ich finde nich daher bestimmt, den Vertagungsantrag zu stellen. Hiezu stelle ich folgendes in Erwägung und muß im Sinne des Herrn G=R. Bachmayr für die Beibehaltung der Verleihung der Bürgerrechte durch den Gemeinderat sprechen. Das Bürgerrecht ist eine qualifizierte Bezeichnung eines Gemeindeangehörigen, hat Bedeutung im Stiftungswesen, welches meist mit schwierigen juridischen Klauseln verknüpft ist. Deren Verleihung ist ein Recht der Gemeinde, und ich sehe nicht ein, warum ein Recht er Gemeinde, Gemeindeangehörige in näherer Beziehung zur Gemeinde als solche zu bringen, aufgehoben werden soll. Im neuen Statut wäre ferner vorgesehen, daß nach der Wahl des Gemeinderates der alte Bürgermeister die Geschäfte bis zur Konstituierung des Gemeinderates führt. Hier ergibt sich ein offene Frage: Wie ist es bei protestierter Wahl? In einem olchen Falle könnte es vorkommen, daß die Stadt durch Monate bis zu mehr als einem halben Jahre keine Gemeindevertretung hätte. Es müßte also in den Abänderungen heißen: es hat nicht nur der alte Bürgermeister, sondern auch der Gemeinderat innerhalb der Zeit bis zu seiner Neukonstituierung die Geschäfte der Gemeinde weiter zu führen. Ein dritter Punkt ist die Frage der Bestätigung des Bürgermeisters. Unser Bürgermeister ist licht nur Vorstand der Gemeinde, sondern auch Leiter der olitischen Bezirksbehörde 1. Instanz Er führt nicht nur die Geschäfte der Gemeindevertretung, sondern auch die Geschäft er Regierung. Ich vertrete diesen Standpunkt weniger vom arteipolitischen Standpunkt, weil eine Bestimmung, die von er Nichtbestätigungsnotwendigkeit spricht, von oben aus nicht enehmigt würde. Der Bürgermeister ist ja auch Verwaltungs¬ beamter und wird sich selbstverständlich die Regierung nicht as Recht nehmen lassen, die Wahl des Bürgermeisters zu ge¬ nehmigen. Der Passus: der Bürgermeister bedarf keiner Be¬ stätigung, würde uns ferner dahin bringen, das Steyr das Recht einer autonomen Stadt verlieren könnte. Ich beantrage daher diesen Passus: „der Bürgermeister bedarf keiner Bestätigung zu streichen. Ein vierter Punkt sind die neu eingeschalteten Punkte über den Wirkungskreis der Gemeinde Es betrifft dies die § § 15, 16, 21, 22. Ich gestehe ohneweiters zu, daß in ver einzelnten Fällen besonderer Dringlichkeit die Gemeinde stets und jederzeit das Recht hat, alles vorzukehren, was den öffent lichen Interessen angemessen ist und dem Wohle der Gesamtheit ntspricht. Ich stimme vollständig den Ausführungen des Herr G=R. Steinbrecher zu, wenn er sagt, daß er nie dulden wird, daß ein einzelner zum Schaden anderer Vorteile zieht. Dagegen halte ich dafür, daß nach allen dem, was hier vorgebracht wird, chließlich aus dem Gemeindestatut eine Art Parteiprogramm gemacht wird (Zwischenrufe: „Oho!“) Ich fasse dies durchaus o auf, da es sich darum handelt, eine Anzahl Steyrer Steuer räger brotlos zu machen. Es werden Erwerbsunternehmungen ind Geschäftsbetriebe vom freien Gewerbe ausgeschaltet und sollen von nun aber in die Verwaltung der Gemeinde über¬ ehen. Was hat es z. B. mit dem Plakatierungsinstitut Pichler ür schwere Anstände gegeben, was ist vorgegangen, daß man iesem Geschäftsmann seinen Erwerb wegnimmt und dies lußerdem noch in das Gemeindestatut hineinnimmt. Weiters zur Beschaffung und den Verkehr mit Lebensmitteln und Be¬ arfsartikeln und Lebensmittelerzeugung, muß ich fragen, wo ollen die Gewerbetreibenden ihren Verdienst hernehmen, wenn ihnen dieses bisher frei gewährleistete Gewerberecht entzogen wird. Wir leiden schwer unter der großen Zahl der Arbeits¬ osen und nun wollen Sie viele Gewerbetreibende arbeitslos machen. (Zwischenrufe: „Unrichtig!“ Heiterkeit.) Ich kann also die Aufnahme dieser Punkte lediglich als Parteiprogramm auf fassen. So ist es auch mit den Gast= und Schankgewerbebetrieben und Hotelwesen. Diese Bestimmungen dürften übrigens auch durchaus mit der Gewerbeordnung im Widerspruche stehen und ehe ich wirklich nicht ein, warum gerade das alles ins Gemeinde tatut kommen soll. Entweder beinhalten diese Paragraphe den Wirkungskreis der Gemeinde als Verwaltungsorgan oder sollen ie eine Konkurrenz für die Gewerbetreibenden bedeuten? In das Statut gehören diese Bestimmungen keinesfalls hinein. Ich verweise darauf, daß die Kommunalisierung von Betrieben nicht immer die glänzendsten Folgen ausweisen und erinnere beispiels weise an das von der Stadtgemeinde Linz übernommene Gas verk, welches früher, als es im Besitze einer englischen Gesell schaft stand, sehr große Gewinne abgeworfen hat. Seit der Uebernahme durch die Stadtgemeinde Linz floriert das Unter¬ tehmen nicht mehr und zeitigte bisher nur eine sehr wesentlich Erhöhung der Betriebskosten und des Gaspreises. Weiters ist es notwendig, Aufklärung zu schaffen, wie der Instanzenzug über Beschlüsse des Bürgermeisters gedacht ist; es muß durch in Rechtsmittel geschaffen werden. Ebenso ist es mit den An¬ ätzen von 200.000 K zur Veräußerung von Stammvermögen ind der freien Vornahme von Kreditoperationen zum Betrage von 00 000 K. Es wäre hiedurch eine Spielerei, durch rasche Auf¬ inanderfolge in einer Sitzung fünf verschiedene Kreditoperationen durchzuführen und die Gemeinde könnte in Verschuldung ge¬

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