Gemeinderatsprotokoll vom 28. März 1919

gleichen Tage zu erlöschen haben, an welchem sie ihr Gemeinderatsmandat zurücklegen 7 GR. Prof. Erb spricht sich gegen diesen Antrag aus, da derselbe außerdem erst einer Sektion zuzuweisen wäre. Vor allem aber sei der Standpunkt festzuhalten, daß die Gemeinderäte ihre Mandate jenen zurückzugeben haben, die es ihnen verliehen haben, sei es eine Korpo¬ ration oder eine Partei. Redner bekritelt eingehend den vorgekommenen Fall des Uebertrittes eines Mitgliedes der deutschnationalen Partei zur sozialdemokratischen Partei, ohne daß dieses pflichtgemäß sein ihm verliehenes Mandat zurückgegeben hätte und beantragt den Antrag Dedic der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zuzu¬ weisen GR. Dedic verteidigt den Eintritt des Vorgemeinten in die sozialdemokratische Partei damit, daß das Mandat nicht von der Partei aus verliehen, sondern das Gemeinderatsmandat nur der Ernennung durch die Landesregierung zuzuschreiben sei. Mit der geschäfts¬ rdnungsmäßigen Behandlung des Antrages erklärt sich GR. Dedic einverstanden 1 R. Prof. Erb erwidert, daß er seinen Antrag deshalb aufrecht erhalten habe, da man heute noch nicht wisse, wie sich die Landesregierung betreffend die Neu esetzung des Gemeinderates entscheiden wird und erklärt hier die Ausführungen der sozialdemokratischen Partei nicht beschreiben zu wollen, welche in dem Falle erfolg wären, wenn ein Mitglied der sozialdemokratischen Partei, ohne sein Mandat der Partei zurückzugeben, beispielsweise in die deutschnationale Partei übergetreten wäre. Die Ernennung der Gemeinderäte durch die Landesregierung ist eine rein theoretische Sache; die Ernennung konnte nur über Parteivorschlag erfolgen, odaß also richtigerweise die Mandate durch die Parteien verliehen wurden. Man hat der deutschnationalen Parte ein Mandat einfach weggenommen, ohne ihr ein anderes hiefür zu geben; dies wird unvergeßlich bleiben und war aus dem Grunde unschön, als die deutschnationale Partei sich nie geweigert hat, der sozialdemokratischen Partei, wenn es möglich war, wie z. B. im Sparkasse ausschuß ein Mandat zu überlassen. Der Vorsitzende erklärt sohin den Antrag des GR Dedic der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung uzuweisen Der vom Berichterstatter GR. Prof. Erb beantragte Anhang zur Wahlordnung wird sodann vom Gemeinde¬ rate angenommen. Finanzsektion wegen Antrag der V Punkt Schaffung eines Pensionsfondes. Referent GR. Kirchberger stellt namens der Finanz ektion folgenden Antrag: „In dem Bestreben, dauernde, bzw. fortlaufende Lasten der Bevölkerung unserer Stad möglichst abzunehmen, ist die Finanzsektion zu dem Entschlusse gekommen, den von dem bisherigen Gemeinde¬ rate seinerzeit geschaffenen Pensionsfond für Gemeinde¬ angestellte auszubauen, damit die für diesen Zweck erforderlichen, stets steigenden Mittel den Gemeinde¬ haushalt nicht zu stark beeinflussen. Zu diesem Zwecke beantragt die Finanzsektion, die im freien Besitze der Stadtgemeinde befindliche Kriegsanleihe im Gesamt¬ betrage von 1,106.000 K in den Pensionsfond zu hinterlegen, womit für den größten Teil des Pensions¬ erfordernisses dauernd gesorgt wäre“ Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ stimmig angenommen. Punkt VI. Antrag der Finanzsektion betreffend Kapitalsrückzahlung an die Gemeinde St. Ulrich. Referent GR. Kirchberger stellt namens der Finanz¬ sektion folgenden Antrag: „Für die seinerzeit anläßlich der Erbauung der Oesterreichischen Waffenfabrik erfolgte Einverleibung von Gebietsteilen aus der Gemeinde St. Ulrich wurde der Stadtgemeinde Steyr die Verpflichtung auferlegt, als Entschädigung hiefür an die Gemeinde St. Ulrich jährlich 6000 K nebst dem Umlagenentgang von 1370 K, das sind zusammen 7370 K, zu zahlen. Die Stadtgemeinde Steyr hat sich jedoch das Recht gewahrt, diese Last zu beliebiger Zeit ganz oder teil¬ weise durch Kapitalisierung der Jahresleistung unter Zugrundelegung einer 4 %igen Verzinsung abzuwälzen Nachdem der Stadtgemeinde die hiefür notwendigen Barmittel im Gesamtbetrage von rund 185.000 K zur Verfügung stehen, welche bei dem gegenwärtigen Zinsfuß ohnehin nur 3 % abwerfen würden, stellt die Sektion den Antrag: „Der löbliche Gemeinderat wolle zur Rück zahlung dieser Forderung aus der Reserve der Stadtkasse an die Gemeinde St. Ulrich seine Zustimmung geben. GR. Dedic beantragt mit Rücksicht darauf, als der jetzige Gemeinderat vor der Auflösung stehe und es nicht gut angehe in der letzten Sitzung solche weit¬ ragende finanzielle Fragen zu behandeln, die Vertagung der Beschlußfassung GR. Landa tritt dafür ein, daß die heute günstige Finanzlage der Stadt für die beantragte Aktion aus¬ enützt werde. GR. Ing. Huber befürwortet gleichfalls die An¬ nahme des Sektionsantrages und bezeichnet es als inschön, einer Nachbargemeinde alljährlich diese paar ausend Kronen schuldig zu sein; es sei außerdem zu begrüßen, wenn die Stadt heute in der Lage sei, solche Schulden abzuwälzen Der Vorsitzende leitet sohin über den Vertagungs¬ antrag des GR. Dedic die Abstimmung ein, welcher vom Gemeinderate abgelehnt und der Sektionsantrag nach einem kurzen Schlußworte des Referenten GR. Kirch¬ verger, mit Mehrheit angenommen wird. Punkt VII. Ansuchen der Waffenfabrik um Kabel¬ legung. teferent Herr GR. Ing. Huber berichtet über das Ansuchen, welches die Legungsbewilligung von Kabel von der Waffenfabrik bis zur Heindlmühle beinhaltet. Der Gemeinderat stimmt dem Ansuchen ohne We elrede zu. Der Gemeinderat tritt sodann in die Beratung des zurückgestellten Punktes I, Antrag des Kranken¬ hausausschusses betreffend Erweiterungsbauten beim allgemeinen Krankenhaus ein Referent GR. Kirchberger bringt das Schreiben des Herrn Architekten Weichel zur Verlesung und bemerkt hiezu, daß es schade wäre, wenn dieser von er Stadtgemeinde nicht für die beabsichtigten Zwecke ausgenützt werde, da derselbe in solchen Bauführungen sehr bewandert erscheint. Bei einer Ausschreibung der Arbeiten würde viel zu viel Zeit verloren gehen und müsse mit allen Mitteln getrachtet werden, das Maschinen¬ haus noch vor dem Herbste fertig zu stellen. GR. Ing. Huber plaidiert für den Antrag uni verlangt, daß der Wasserreiniger unbedingt sofort eschafft werden müsse, damit das alte Maschinenhaus bis zur Fertigstellung des neuen instand gehalten werden kann. Es könne keine Sicherheit geboten werden, daß as neue Maschinenhaus bei den heute bestehenden Schwierigkeiten für Bauführungen noch heuer fertig werde. Da bis zur Neuzusammensetzung des Gemeinde¬ ates immerhin einige Zeit verstreichen werde, beantragt Redner, die Gemeindevorstehung zu beauftragen, Herrn Architekten Weichel mit der Ausarbeitung des ganzen Projektes zu betrauen. Referent GR. Kirchberger vertritt denselben Stand¬ dunkt und rät, ja keine Verzögerung eintreten zu lassen. GR. Chalupka schließt sich den Ausführungen des GR. Kirchberger an, worauf letzterer den Antrag stellt Die Gemeindevorstehung wird ermächtigt und beaustragt ille Schritte unverzüglich einzuleiten, um in möglichst kurzer Frist unter Zuziehung des Herrn Architekter Weichel und eines Heizsachverständigen ein Projekt aus¬ arbeiten zu lassen und sodann an den Gemeinderat die geeigneten Vorschläge zu erstatten. Der Antrag wird vom Gemeinderate angenommen. Hierauf folgt eine vertrauliche Sitzung über ein Personalansuchen und zwei Ansuchen um Aufnahme in den Gemeindeverband. 3

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