Gemeinderatsprotokoll vom 10. März 1919

2 Herr G.=R. Prof. Erb: „Vor allem muß ich erwähnen, daß Herr G.=R. Dedic selbst im Wahlreformausschuß sitzt und tatsächlich er es war, welcher sagte, es soll das Rahmengesetz abgewartet werden, und heute verlangt Herr G.=R. Dedic, daß die Wahlordnung noch vor dem 17. März beschlossen werden ll. Das steht im schreienden Widerspruch zu dem, was er im Wahlreformausschusse selbst ausgeführt hat. Wir waren die¬ enigen, die immer verlangt haben, daß die Wahlordnung so bald als möglich zur Beratung kommen soll und Herr Bürger neister hat fortgesetzt gedrängt, es solle das Gemeindestatut durchgearbeitet werden, zu welchem Zwecke auch ein engerer Ausschuß eingesetzt wurde. Wir warten fortgesetzt auf die Aeußerungen der kompetenten Behörden und erklären unausgesetzt, das Staatsamt soll endlich mit etwas kommen und uns sagen, was bezüglich der Landtagswahl gemacht werden soll. Es steht eute noch gar nicht fest, ob die Landtagswahlen und die Ge¬ meinderatswahlen gleichzeitig durchgeführt werden und liegt auch darüber noch keinerlei Weisung vor. Es liegt auch von Wien aus kein Beschluß, sondern nur eine Entschließung vor, worin empfohlen wird, die Landtagswahlen gleichzeitig mit den Gemeinderatswahlen vorzunehmen. Ich stehe ja selbst auf dem Standpunkt, daß die Gemeinderatswahlen so rasch als möglich durchgeführt werden, denn wie jetzt die politischen Verhältnisse n Steyr liegen, daß wir die Mehrheit des Gemeinderates nicht mehr besitzen, hat es keinen Zweck, daß die provisorische Eigen¬ chaft des jetzigen Gemeinderates noch eine Zeit lang fortbesteht Ich bin gewiß objektiv, wenn ich mich auf dem Standpunkt telle, das die Gemeinderatswahlen raschest durchgeführt werden. Dies hätte aber auch mit einem einfachen Beschluß ohne jede weitere Dringlichkeit erreicht werden können und wäre einfack der Beschluß zu fassen: Der Wahlreformausschuß wird be auftragt, innerhalb einer zu vereinbarenden Zeit den Wahl reformentwurf vorzulegen bezw. dem Gemeinderate zur Beschlu߬ fassung zu unterbreiten. Nur möchte ich auf ein Hindernis auf¬ merksam machen, das ist die bis jetzt mit dem Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz noch nicht hergestellte Uebereinstimmung es ist nicht gleichgültig, wenn hier Abweichungen stattfinden Es wäre also vorerst anzustreben, daß eine Uebereinstimmung zwischen dem Gemeinderate der Landeshauptstadt Linz und dem Gemeinderate der Stadt Steyr bezüglich der Gemeindewahl eform erzielt wird. Ich meine, daß somit die Dringlichkeit ab zulehnen wäre und daß im Gemeinderate ein Uebereinkommen zustande kommen solle, das einstimmig einen Zeitpunkt be¬ zeichnet, bis zu welchem die Gemeindewahlreform im Entwurfe vorzulegen wäre. Es soll ja in absehbarer Zeit eine ordentliche emeinderatssitzung stattfinden, in welcher sodann als erster unkt der Tagesordnung die Gemeindewahlreform zu stellen väre; gleichzeitig könnte der Herr Bürgermeister heute be auftragt werden, sich mit dem Herrn Bürgermeister der Landes¬ hauptstadt Linz ins Einvernehmen zu setzen, damit auch die Stadt Linz im gleichen Sinne wie Steyr der Landesversammlung einen Entwurf vorlegt, was auch eine Erleichterung für die Landesversammlung in ihrer Beschlußfassung für die autonomen Städte in Bezug auf ihre Gemeindewahlreform bedeuten würde. Es würde daher gar nichts verschlagen, wenn sich die Herren mit meinem Antrage einverstanden erklären würden, und dürft es in der betreffenden Sitzung über die Wahlreform kaum eine Debatte geben, da dieselbe auf denselben Prinzipien aufgebaut werden soll, wie sie für die Nationalratswahl Geltung hatte Bis zur nächsten ordentlichen Gemeinderatssitzung könnte auch der Wahlreformausschuß seine Beschlüsse fertig und die Wahl¬ reform auch mit der Landeshauptstadt Linz in Uebereinstimmung gebracht haben. Vielleicht wäre eine derartige Beschlußfassung möglich. Herr Bürgermeister möge uns sagen, wann die nächste rdentliche Gemeinderatssitzung geplant ist. Herr Bürgermeister: „Ich denke mir, daß die nächste ordentliche Gemeinderatssitzung über 8 Tage oder heut n 14 Tagen stattfinden solle.“ Herr G.=R. Prof. Brand: „Ich glaube, heute in vier ehn Tagen Herr Bürgermeister: „Ich fasse den Antrag des Herrn G.=R. Prof. Erb so zusammen, daß die Dringlichkeit des Antrages abzulehnen und der Wahlreformausschuß zur Be¬ ratung des Wahlreformentwurfes und späterer Vorlage an den Gemeinderat zu beauftragen wäre.“ Herr G.=R. Prof. Erb: „Es soll dies eigentlich ein Vermittlungsvorschlag sein, über den wir uns alle einigen sollten. Wenn die Dringlichkeit des Antrages abgelehnt würde müßte der Antrag überhaupt von der Tagesordnung abgesetzt werden. Wir kommen hier in eine Geschäftsordnungsdebatte hinein, die gar nicht notwendig ist, wenn die Herren darau eingehen wollen, daß nicht der Antrag als solcher, sondern nur die Dringlichkeitsbehandlung zurückgezogen wird und derselbe als gewöhnlicher in der nächsten ordentlichen Sitzung zu be¬ handelnder Antrag angesehen wird. Herr Bürgermeister: „Es handelt sich aber nur um die Zuerkennung der Dringlichkeit des geschäftsordnungsmäßig eingebrachten Antrages; erst dann kann über den Inhalt des Antrages selbst gesprochen werden. derr G.=R. Prof. Erb: „Ich will aber nicht, daß der Antrag fällt und bin dafür, daß die Gemeindewahlreform er¬ ledigt wird. Ich bin gegen die dringliche Behandlung des An¬ trages, werde aber dafür stimmen, daß der Inhalt des Antrages so rasch als möglich erledigt wird. Herr G.=R. Dedic: „Herr Bürgermeister und Herr G.=R. Prof. Erb haben mir den Vorwurf gemacht, daß ich in Wahlreformausschusse und auch in der 1. Sektion bei der Frag des Gemeindestatutes gesagt habe, wir sollen ein Rahmengesetz bwarten; ich gebe dies zu, habe aber auch ausdrücklich ver¬ angt, daß zuerst zur Ausarbeitung einer Wahlreform zu schreiten ist, dem auch Herr G.=R. Prof. Erb zugestimmt hat es verhält sich also die Sache anders. Dies diene zur Kenntnis. Ullerdings bin ich dafür, daß für das Gemeindestatut ein Rahmengesetz abgewartet werden solle Herr G.=R. Dr. Harant: „Nachdem Herr G.=R Prof. Erb ausdrücklich das Ersuchen gestellt hat, man möge der Dringlichkeit des Antrages nicht zustimmen, so will ich dagegen keineswegs opponieren, weil ich selbst die Sache nicht für so dringlich ansehe; wenngleich zugegeben werden muß, daß es ewiß angezeigt ist, daß mit Rücksicht auf den Ausfall der Nationalratswahlen auch die Gemeinderatswahlen bald durch¬ geführt werden, so ist die Angelegenheit doch nicht so pressant nzusehen. Nachdem aber wie gesagt, dieses Ersuchen gestellt wurde und ich nicht weiter opponiere, will ich nur zur Aeußerung des Herrn G.=R. Dedic bemerken, daß es auch mir als Mitglied der Rechtssektion sehr wohl bekannt ist, daß in wiederholten Sitzungen davon gesprochen wurde, wie man sich zur Reform des Gemeindestatutes stellen solle. Herr Bürger¬ meister hat eine Sitzung des Wahlreformausschusses einberufen. in welcher befonders Herr G.=R. Dedic darauf hinwies, daß zuerst ein Rahmengesetz abgewartet werden möge und daß die Gemeindewahlordnung ja einen Bestandteil des Gemeindestatutes zu bilden hat. Dieser Standpunkt ist auch in der Rechtssektion etont und widerspruchslos zur Kenntnis genommen worden Mir selbst hat dies plausibel und praktisch erschienen und hat uch meine Zustimmung gefunden. Herr Bürgermeister: „Ich mache aufmerksam, daß unsere Zeit heute sehr eingeschränkt ist, da für halb 4 Uhr bereits die Armenratssitzung anberaumt ist.“ Herr Vizebürgermeister Wokral: „Ich bin der Auf¬ assung, daß man über die Dringlichkeit des Antrages nicht soviel zu reden braucht; tatsächlich ist es notwendig, daß man ich mit der Gemeindewahlreform beschäftigt, ebenso wie mit der Aenderung des Gemeindestatutes. Nun ist aber die Wahl¬ rdnung ein Bestandteil des Gemeindestatutes; das Gemeinde tatut könnte aber noch nicht geändert werden, weil eine Aenderung erst dann vorgenommen werden kann, wenn ein diesbezüglicher Beschluß der Nationalversammlung vorliegt vürde ein solcher vorliegen, wäre es ohneweiters möglich, das Gemeindestatut gleich ändern zu können. Die Gemeindewahl¬ ordnung kann aber vor der Aenderung des Gemeindestatutes längst gemacht werden und entspricht dieses Verlangen auch dem, daß wir uns bei der Zusammensetzung des provisorischen Gemeinderates von dem Gedanken leiten ließen, daß der pro¬ visorische Zustand höchstens durch 3 bis 4 Monate dauern sollt und dann die Gemeinderatswahlen durchgeführt werden und ine andere Zusammensetzung Platz greifen solle. Nach der bis¬ herigen Tätigkeit des Wahlreformausschusses im Landtage und den bisherigen Nachrichten sollten die Landtagswahlen im April oder Mai und die Gemeinderatswahlen im Herbst oder Winter attfinden. Die so lang gedachte Dauer des Gemeinderats rovisoriums entspricht aber keineswegs der öffentlichen Stimmung und glaube ich, daß es durchaus nicht unbedingt notwendig ist mit Linz in der Gemeindewahlordnung übereinzustimmen. Man atte auch von Linz manchmal keine Rücksichten zu erwarten nd können wir unsere Gemeindewahlreform auf Grund unserer eigenen Autonomie machen. Ich bitte Sie daher, für die Dringlichkeit des Antrages zu stimmen. Herr Bürgermeister: „Ich lasse über die Dringlichkeit des Antrages abstimmen.“ Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Gemeinderate nit Mehrheit angenommen. Somit ist der Antrag sofort zu behandeln und erteile ch Herrn G.=R. Dedic zum Antrage selbst das Wort.“ herr G.=R. Dedic: „Meine Herren! Wenn ich das Verlangen gestellt habe, daß bis 17 März eine außerordentliche emeinderatssitzung zur Beschlußfassung über die Gemeinde¬ wahlreform einberufen werde, so ist dies aus denselben Gründer geschehen, welche ich der dringlichen Behandlung des Antrages orausgestellt habe. Wir stellen uns die Sache so vor, daß de Wahlreformausschuß sich im Laufe dieser Woche zusammensetzt und die Wahlreform berät. Es wird ja eigentlich nicht viel zu eraten geben, weil die ganze Wahlordnung dem Muster für ie Nationalratswahlen entnommen ist. Ich bitte daher, aus iesem Grunde für den Antrag zu stimmen. Herr G=R. Prof. Erb: „Warum ich gegen die Dring lichkeit gestimmt habe, habe ich bereits Ausdruck gegeben. Ic alte es für ganz ausgeschlossen, daß der Wahlreformausschuß bis 17. März mit seinen Beratungen fertig wird. Sie dürfen nicht vergessen, daß Donnerstag, Freitag und Samstag dieser Woche gleich vier Mitglieder des Wahlreformausschusses abwesend sind, da in Linz die Landesversammlung tagt. Ich möchte daher auch den Herrn Vizebürgermeister Wokral, der ja selbst in Linz anwesend zu sein hat, bitten, seinen Antrag zurückzustellen und hat er es auch sicher bei Einbringung des Antrages selbst noch nicht gewußt, daß an den genannten Tagen die Tagungen in Linz stattfinden. Der von Herrn G.=R. Prof. Brand angeregte Termin von 14 Tagen wäre angezeigt, als inzwischen die Mit

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