Gemeinderatsprotokoll vom 17. Jänner 1919

2 a auch in anderen Sitzungen solche Dringlichkeitsanträge, ohne auf der Tagesordnung zu stehen, behandelt wurden. Vom prin¬ ipiellen Standpunkte aus dürfte dagegen kein Anstand obwalten da einmal die Dringlichkeit dieses Antrages gegeben ist Herr G.=R. Ing. Zwicker: „Ich bin der Ansicht, daß die Sitzung zu einem bestimmten Grunde und in erster Lini¬ über diesen Gegenstand zu verhandeln ist. Herr Bürgermeister: „Eine Zurückstellung des An¬ trages ist nach der Geschäftsordnung nicht möglich, da dies orschreibt, daß Dringlichkeitsanträge vor Eingehung in die Tagesordnung zu erledigen sind. Herr G.=R. Prof. Brand: „Ich meine, daß der Antrag auf die Tagesordnung zu setzen ist, da es sich um das Wohl von Kranken handelt Herr G.=R. Krottenau: „Ich möchte den Antrag den Antrag nicht zur Beratung zu stellen, da In¬ stellen, ormationen über denselben heute nicht mehr möglich sind und ohnedies noch im Laufe des Monates eine Gemeinderatssitzung tattfinden dürfte. Herr G.=R. Langoth: „Ich möchte den Antrag zur Durchführung gebracht wissen, da schon in der letzten Sitzung darauf verwiesen wurde, daß die Bestellung der Aerzte eine dringliche sei. err G.=R. Wöhrer: „Ich bitte im Interesse der Kranken den Antrag zu behandeln. Für die Kranken bedeutet ie erste ärztliche Hilfe die beste und ersuche daher, für die heutige Behandlung des Antrages zu stimmen. Herr Bürger meister: „Ich bin mit Vergnügen be¬ reit, den Antrag als im dringlichen Wege eingebracht, für die heutige Behandlung auch in außerordentlicher Sitzung gelten zu lassen und würde darüber abstimmen lassen, ob dem Antrag die Dringlichkeit zuerkannt wird, worauf der geschäftsordnungs mäßigen Behandlung desselben als Dringlichkeitsantrag nichts im Wege stünde.“ Herr Vizebürgermeister Wokral: „Ich bin der Auf¬ fassung, daß der Antrag keine Sache ist, die plötzlich aufgetaucht und daher sofort behandelt werden muß und daher der Gegen¬ stand auch in der nächsten sehr bald stattfindenden ordentlichen Gemeinderatssitzung vorgenommen werden kann.“ Herr G.=R. Prof. Erb: „Ich bitte um Entschuldigung, entweder haben wir ein Gemeindestatut und eine Geschäfts¬ ordnung, oder wir tun gegen das Gemeindestatut und Geschäfts¬ ordnung, was wir wollen. Wohin würde das führen, wenn in eder außerordentlichen Gemeinderatssitzung Gemeinderäte mit irgend einem Gegenstand für die Tagesordnung kämen; es müßte ein ganzer Wirrwarr in die Geschäftsordnung des Ge¬ meinderates einreißen. Die Behandlung dieses Antrages in der heutigen außerordentlichen Sitzung wäre zumindestens geschäfts¬ ordnungswidrig. Man hat mich aufgefordert, den Antrag im Dringlichkeitswege heute zur Verteidigung und Beschlußfassung zu bringen; ein Antrag, der der 1. Sektion gar nicht einmal vorgelegen ist. Das Ernennungsrecht hat die Rechtssektion und wohin würde es führen, wenn einfach der Referent einer Sektion oder Kommission hergeht und ohne die hiefür kompetente Sektion zu befragen, einen Dringlichkeitsantrag in außerordentlicher Gemeinderatssitzung übergibt, der wie hier in der bestimmenden und beschließenden Sektion gar nicht vorberaten wurde. So dringlich die Sache ist und so genau ich die Verhältnisse des Krankenhauses kenne, so muß ich doch an der Form der Geschäfts¬ ordnung festhalten. Es würde auch damit ein Präsedenzfall ge¬ schaffen, der die unangenehmsten Folgen für eine geregelte Durchführung von Sitzungen nach sich ziehen könnte. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß in eine außerordentliche Sitzung nur der Begenstand gehört, der auf der Tagesordnung steht. Die außer¬ ordentliche Gemeinderatssitzung hat sich mit dem außerordentlichen Gegenstande zu befassen und sonst mit keinem zu beschäftigen Wenn ich eine entgegenkommende Haltung eingenommen habe o war es die Fürsorge für das Krankenhaus. Ich habe auch den Herren der Krankenhauskommission sofort gesagt, daß die Behandlung in der heutigen außerordentlichen Sitzung aus den vorangeführten Gründen absolut unmöglich ist. Wir können ja morgen schon, wenn es gewünscht wird, für diesen Antrag eine außerordemliche Gemeinderatssitzung einberufen, wogegen an und für sich kein Anstand besteht. Ich habe für meine Persor nichts dagegen; bis morgen kann sich auch die Sektion damit befassen und wäre sodann der Geschäftsordnung nach jeder Richtung hin entsprochen.“ derr Bürgermeister: „Es liegen zwei Anträge vor Der Antrag des Herrn G.=R. Krottenau, den Antrag nicht auf die Tagesordnung zu setzen und der Antrag des Herrn G.=R. Langoth, den Antrag heute zu behandeln. Der Geschäftsordnung jemäß, habe ich über den Gegenantrag zuerst abstimmen zu lassen und lasse ich daher über den Antrag des Herrn G.=R Laugoth abstimmen. Der Antrag wird abgelehnt. Die Gegenprobe ergibt mit Stimmenmehrheit die Annahme des Antrages des Herrn G.=R. Krottenau. Herr Bürgermeister: „Ich halte Umfrage, ob die Herren Gemeinderäte bis zur nächsten ordentlichen Ge¬ meinberatssitzung mit der Behandlung des Antrages zuwarten wollen, oder ob morgen eine außerordentliche Sitzung für den Antrag einberufen werden soll. 1 herr G.=R. Kirchberger: „Ich bitte, mit Rücksich auf die Dringlichkeit sobald als möglich, längstens aber inner¬ halb acht Tagen eine Gemeinderatssitzung einzuberufen.“ Herr Bürgermeister: „Ich glaube, innerhalb acht Tagen wird es schwer gehen.“ Herr G.=R. Prof. Erb: „Warum keine außerordentliche Sitzung?“ Herr Bürgermeister: „Eine solche wurde nicht gewünscht. Herr G.=R. Kirchberger: „Länger kann man nicht uwarten, da uns Herr Primarius vor Arbeitsüberbürdung onst zusammenbricht.“ Herr Bürgermeister: „Ich werde somit bis längstens 27. Jänner eine ordentliche Gemeinderatssitzung einberufen und den vorliegenden Gegenstand auf die Tagesordnung setzen. Wir gehen nunmehr zum Gegenstande der heutigen außerordentlichen Sitzung über und ersuche Herrn Vizebürgermeister Fendt, sein Referat zu erstatten.“ Herr Vizebürgermeister Fendt: „Sehr geehrte Herren Im Jahre 1916, den 16. November, hat die Stadtgemeinde Steyr mit dem Elektrizitätswerke Steyr einen Vertragge hlossen. Der Wortlaut des Vertrages ist ja allen Herren des Gemeinderates und auch, wie ich glaube, den neuen Herren emeinderäten bekannt. Das Elektrizitätswerk Steyr hat an¬ angs so ziemlich mit dem Vertrage Ordnung gehalten. Aber die letzte Zeit hat das Elektrizitätswerk in einer Weise versagt, daß nicht nur die Gemeinde, sondern auch die Bevölkerung, die Gewerbetreibenden und Unternehmungen ganz erheblichen Schaden gelitten haben. Es haben sich daher viele Interessenter zusammengefunden, die gegen das Vorgehen des Elektrizitäts perkes Beschwerde erhoben. Von Seite der Gemeinde wurden schon seit längerer Zeit Beschwerden gegen das Elektrizitäts werk geführt; dieselben sind aber leider immer resultatlos ver¬ aufen. Am 10. Jänner d. J. sind nun die Interessenten zu¬ immengegangen, hiezu die Gemeindevertretung und die Be¬ ölkerung eingeladen und in einer großen Versammlung, in der ja die meisten Herren Gemeinderäte anwesend waren, ffentlich Beschwerde über die Mängel, betreffend die Licht= und Kraftabgabe durch das Elektrizitätswerk, geführt. Die vor ebrachten Beschwerden sind zum größten Teile oder überhaup tatsächlich richtig gewesen. Es wurde auch in der Versammlung den vielfachen Beschwerden der Konsumenten von Gemeinde¬ vertretern zugestimmt und mußte denselben recht gegeben werden. Das Beleuchtungskomitee hat in drei aufeinander¬ folgenden Sitzungen sich darüber beraten, in welcher Weise gegen das Elektrizitätswerk vorgegangen werden soll. Ich habe noch beizufügen, daß diese vorgedachte Protestversammlung an die Stadtgemeindevorstehung mit einer Resolution herangetreten ist, velche folgenden Wortlaut hat: Steyr, am 10. Jänner 1919. An die löbliche Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr! Heute am 10. d. M. um halb 8 Uhr abends in den Brauhaussälen wurde im Rahmen einer großen Besprechung aller Stromabnehmer Steyrs folgende Resolution mit Be¬ räftigung beiliegender Unterschriften ein stimmig angenommen. 1. Die Stadtgemeinde Steyr hat sofort den schädigenden Vertragsbrüchen des Elektrizitätswerkes in Steyr Abhilfe zu verschaffen und die Einhaltung des Vertrages auch rückwirkend zu fordern. 2. Im besonderen Beweisführung, daß die jetzige Betriebs¬ leitung des Elektrizitätswerkes als nicht vertrauenswürdig und licht umgangsfähig mit ihren Kunden erkannt und darum die selbe mit Namen Schaffenberger ihren Posten sofort zu verlasser at und auch einer Bestrafung zugeführt werde. 3. Weiters wird verlangt, die Veröffentlichung in den zeitungen und Verteilung von Verträgen an sämtliche Haus¬ besitzer Steyrs und dieselben auch für andere frei zugänglich zum Verkauf gestellt werden mögen. 4. Ferner wird verlangt, daß sämtliche Schäden, die bis etzt geschehen sind, sofort an alle Konsumenten auszuzahlen owie die verschiedenen Pönalen an die Stadtgemeinde ebenfalls in rückwirkender Form auszuzahlen sind 5. Wird verlangt, daß ab heute sämtliche Aufgrabungen in den Straßen, durch das Elektrizitätswerk polizei=vorschrifts mäßig beleuchtet werden und sofort in allen Stadtteilen, ins besondere an den gefährlichen Plätzen eine Notbeleuchtung an¬ gebracht werde, wie z. B. Pfarrberg u. dgl 6. Wird verlangt: Bei einer nochmaligen Störung, welche eine große Gefahr für die Bevölkerung ist, sofort die Umleitungs¬ arbeiten einzustellen 7. Wird verlangt: Die Stromstörungen von den Werken Stern und Hafferl zu überprüfen und die übrigen Störungen welche genau zu erheben sind, laut Vertrag rückwirkend Pönal zu verlangen. 8. Wird verlangt: Die unverschämt schlechten Einleitungs¬ irbeiten an Licht= und Kraftstrom genauestens überprüfen zu lassen und laut Vertrag von ungerechtfertigt geforderten Be trägen und Strafen sofort einzustellen und sämtlichen Kon¬ umenten die rückwirkende Entschädigung und auch Rückzahlung zu leisten.

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