Ratsprotokoll vom 2. November 1918

2 oder Gelegenheit, überflüssiges zu sagen. Sie wissen, wie die Verhältnisse sich in der letzten Zeit entwickelt haben, Sie wissen, daß wir mitten in Ereignissen stehen, die eine grundstürzend Umwandlung unseres Vaterlandes zur Folge haben. Wenn wir hier in der eben beantragten Weise zu den Ereignissen Stellung lehmen, so glaube ich, erfüllen wir einerseits unser gutes Recht, andererseits die uns obliegende Verpflichtung. zum Punkte 3 des Antrages möchte ich darauf hinweisen daß die Schaffung eines Nationalrates für unser engeres Heimat¬ land Oberösterreich umso wichtiger und dringender erscheint, als wir bisher eine solche Stelle nicht besitzen, an die wir uns in allen jenen Fragen zu wenden haben und mit der wir in Be angen in Fühlung treten können, die unser engeres Heimat¬ land betreffen. Ich bitte, den Anträgen der I. Sektion zuzu¬ timmen. derr Vorsitzender: Wird zum Sektionsantrage das Wort gewünscht? Herr G.=R. Prof. Erb: Zum Punkte 2 des Antrages möchte ich die Bemerkung knüpfen, daß hier die Erörterung not¬ vendig ist, daß die Zusammensetzung des Nationalrates der Stadt Steyr von den Führern aller Parteien gleichmäßig durch¬ geführt wurde, indem je zwei Vertreter der deutschnationalen, hristlichsozialen und der sozialdemokratischen Partei und der Bürgermeister den Nationalrat der Stadt bildet. Die Bildung es Nationalrates hat so rasch als möglich erfolgen müssen Wir wissen, daß außerordentliche Gefahren die Stadt als solch bedrängen und daß der Nationalrat besonders zur Sicherung des Wohles und des Eigentumes seiner gesamten Bewohnerschaft gebildet werden mußte. Es war ein glücklicher Zufall, daß der Nationalrat bereits zu einer Zeit gebildet war, und zwar ge¬ rade eine Stunde früher als die große Soldatenversammlung in der Artilleriekaserne stattfand, wozu der Nationalrat der Stadt eladen wurde, und haben auch drei Mitglieder des National¬ rates der Stadt Steyr, und zwar Herr Bürgermeister Gschaider G.=R. Wokral und meine Wenigkeit in dieser großen Versamm¬ lung das Wort ergriffen. Ich will über die Versammlung nun sagen, daß soweit sich in die Zukunft blicken läßt und soweit ich aus dem Gehörten und allen Nachrichten ergibt, bezüglich sowohl des Militärs, als auch bezüglich des weitaus überwiegen¬ en Teiles der Bewohnerschaft Bürgschaften dafür vorhanden ind, daß die Sicherheit und Ordnung in der Stadt von innen heraus kaum irgendwie gestört werden dürfte. Dies möge zur Beruhigung der Bewohnerschaft der Stadt gesagt werden. Wie schon betont wurde, wird daran gearbeitet, daß, falls — was ja nicht unmöglich ist — Angriffe oder Bedrohungen von außen erfolgen sollten, alles getan ist, um Abwehrmaßregeln, sowohl durch geeignete Personen, als deren Bewaffnung durchzuführen. Auf einen Punkt werden wir noch zurückkommen müssen; dies ist die kommende Ernährungsfrage, die ja auch für die Ruhe und Sicherheit von außerordentlicher Bedeutung ist Den Punkt 3 des Dringlichkeitsantrages bitte ich unver¬ veilt den Nationalrats=Präsidenten Dinghofer und Hauser mit¬ zuteilen. Es handelt sich nämlich um einen Nationalrat von Oberösterreich und betrachte ich es als eine bedauerliche Ver¬ zögerung, daß der Landesnationalrat noch nicht eingesetzt wurde. Wir stoßen bei allen unseren Beschlüssen im Nationalrate der Stadt nach dieser Richtung auf Hindernisse. Wir wissen weder in militärischer noch in politischer und wirtschaftlicher Beziehung nicht, wer das Land Oberösterreich leitet und sind vollständig auf uus selbst angewiesen. Jedenfalls ist dieser dritte Punkt des Untrages von größter Wichtigkeit und von großem Belange ist es auch, daß die Stadt Steyr entsprechend ihrer Größe und Bedeutung im Landesnationalrate vertreten ist. Herr G.=R. Wokral: Ich möchte ersuchen, das bezüglick der Zusammensetzung des Nationalrates der Stadt eine Er¬ gänzung der sozialdemokratischen Partei durch Herrn Wimmer genehmigt werde. err G.=R. Prof. Erb: Der Berufung des Herrn Wimmer n den Nationalrat dürfte nichts im Wege stehen und hätte der Gemeinderat die Ergänzung des Nationalrates der Stadt durch den genannten Herrn nur zur Kenntnis zu nehmen. Herr Vorsitzender: Ich lasse vorerst über den Dring, lichkeitsantrag der 1. Sektion abstimmen und ersuche die Herren velche für den Antrag stimmen, sich von den Sitzen zu erheben Der Dringlichkeitsantrag der I. Sektion wird vom Ge¬ neinderate einstimmig angenommen err Vorsitzender: Weiters ersuche ich, die Berufung des Herrn Wimmer als Vertreter der sozialdemokratischen Partei n den Nationalrat der Stadt zur Kenntnis zu nehmen und ihre Zustimmung durch Erheben der Hände auszudrücken. Die Berufung des Herrn Wimmer in den Nationalrat der Stadt wird vom Gemeinderate genehmigend zur Kenntni¬ genommen. Herr Vorsitzender: Wir kommen nun zum Dringlich¬ eitsantrage der II. Sektion und ersuche Herrn Gemeinderat Kirchberger das Referat zu erstatten. Herr Referent G.=R. Kirchberger: Der Dringlichkeits antrag der II. Sektion lautet Der Gemeinderat ermächtigt den Bürgermeister, in „1 Bedarfsfalle dem Nationalrate von Deutsch=Oesterreich 100.000 Kronen in Kriegsanleihe zur Verfügung zu stellen. 2. Der Gemeinderat ermächtigt den Bürgermeister, dem Nationalrate der Stadt Steyr 10.000 Kronen zur Verfügung zu stellen. Ich erlaube mir, den Dringlichkeitsantrag mit Rücksicht uf die Wichtigkeit desselben und unter Hinweis auf die Aus¬ ührung der Herren Vorredner, sowohl hinsichtlich dessen Dring¬ lichkeit, als seines Inhaltes selbst, zur einstimmigen Annahme zu empfehlen Herr Vorsitzender: Ich lasse über den Dringlichkeits¬ antrag abstimmen Der Dringlichkeitsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ timmig angenommen. Herr G.=R. Prof. Erb: Ich möchte in der von mir vor in gestreiften Ernährungsfrage bemerken, daß wir in der Er¬ jährungsfrage sehr großen Schwierigkeiten entgegengehen können und allen Grund und Ursache haben, zu befürchten, daß die evölkerung unwillig und beunruhigt werden könnte. Die Ver¬ rgung der Stadt Steyr ist umso mehr eine bedenkliche, als wir vielleicht auf Zuschübe aus den Zentralen Verzicht leisten müssen. Es ist daher möglich, daß wir mit den Gefahren von iebstählen, Plünderungen usw. zu rechnen haben, daher meine ich, ist es unbedingt notwendig, daß das, was in der Umgebung er Stadt aufgespeichert ist, uns zugute kommt. Es wäre zu rwägen, ob nicht vielleicht die Vorräte der Landwirtschaft vielleicht auch Vorräte der Bezirkshauptmannschaften Steyr¬ Land und Kirchdorf für die Bewohnerschaft Steyrs und des ezirkes Steyr=Land beschlagnahmt werden sollen, und daß seitens der berufenen Faktoren, sei es die Kriegsgetreidever ehrsanstalt, die Statthalterei oder der am Montag oder Diens tag zu bildende Nationalrat des Landes jede Ausfuhr aus dem Bezirke Steyr=Land verbietet und die dort befindlichen Lebens¬ nittel zugunsten der Stadt beschlagnahmt. Es möge deshalb er Gemeinderat beschließen: Die maßgebenden Behörden zu er¬ suchen und aufzufordern, daß die Bezirkshauptmannschaft Steyr and bezüglich der Versorgung der Stadt Steyr mit Lebens¬ nitteln dem Nationalrate der Stadt Steyr unterstellt werde Herr G.=R. Wokral: Zu diesem Antrage möchte ich be¬ merken, daß es unbedingt notwendig ist, daß die Bezirkshaupt mannschaft Steyr zur Lösung der Lebensmittelversorgungsfrage em Nationalrate der Stadt unterstellt werde. Es muß unter allen Umständen getrachtet werden, alle Sicherheiten zu schaffen, um die Versorgungsfrage zu lösen und die Versorgung mit Lebensmitteln aufrecht zu erhalten. Ich möchte die Gelegenheit benützen, zu sagen, daß wir, wenn wir alles daran setzen, die Versorgung zu bewerkstelligen, keine Ursache haben werden, ängstlich zu sein und sich vielleicht zu Dingen hinreißen lassen, die — sagen wir es ganz offen — die Versorgung stören. Die Bewohnerschaft darf nicht der Auffassung sein, daß ihr In¬ teresse nicht entsprechend gewahrt wird. Andererseits muß sich die Bevölkerung darüber klar werden, daß wir vielleicht in den nächsten Wochen und Monaten in der Versorgungsfrage noch schwerere Zeiten durchzumachen haben werden, wie vielleicht vährend des Krieges. Dessenungeachtet müssen wir uns aber vor Augen halten, daß diesmal die Entbehrungen nicht für remde Zwecke, nicht dem dynastischen Interesse und auch nicht em Großkapital, sondern für die eigenen Zwecke notwendig nd. Ich hoffe, daß es gelingen wird, eine Einheit herbeizu¬ führen und daß die Bevölkerung ruhig und willig die zu er¬ wartenden Entbehrungen trägt, damit es sehr bald möglich ist, der Bevölkerung bessere Zeiten sichern zu können Herr G.=R. Bachmayr: Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn G.=R. Erb hinzufügen, daß auch unsere bisherigen Versorgungsgebiete Kronstorf und Hargelsberg für die Ver¬ orgung der Stadt gesichert werden, indem die Beschlagnahme er dort befindlichen Lebensmittel für die Stadt ausgesprochen verden Herr G.=R. Kirchberger: Der Gemeinderat möge heute auch beschließen, daß der Nationalrat von Steyr beauftragt verde, sich mit dem Staatsrate sofort ins Einvernehmen zu setzen, damit bezüglich Zufuhr und Zuweisung von Lebens¬ mitteln für Steyr und Umgebung keine Unterbrechung eintritt und dieselbe in Hinkunft klaglos durchgeführt wird. derr Vorsitzender: Ich lasse über den Antrag des Herrn G.=R. Prof. Erb und den Zusatzanträgen der Herren Gemeinderäte Bachmayr und Kirchberger abstimmen. Der Antrag des Herrn G.=R. Erb sowie die Zusatzanträge er Herren Bachmayr und Kirchberger werden vom Gemeinde¬ rate einstimmig angenommen. Herr G.=R. Mitter: Ich möchte fragen, wie sich die Stadt im Falle eines Anzuges von Ententemilitär verhalten wird. Herr G.=R. Prof. Erb: Die Antwort ist eigentlich schon egeben, als sich der Nationalrat mit allen Fragen zu beschäf¬ igen hat. Natürlich, wenn 20.000 Engländer nach Steyr kommen würden, könnten wir diese nicht aufhalten; was aber gegen Zandenüberfälle von innen heraus geschehen kann und geschehen konnte, ist geschehen. Erstens dürften wir uns, soweit wir es zu beurteilen vermögen, auf das Militär verlassen können, zweitens ist alles geschehen, daß wir von Sierning eine der Ersatzbatterien er Artillerie herüberbekommen und drittens wird die Volkswehr geschaffen. Diese wird vollständig bewaffnet, es werden Maschinen¬

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