Ratsprotokoll vom 2. November 1918

X. Sitzung. Rats=Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der l. f. Stadt Steyr am Samstag den 2. November 1918 um 3 Uhr nachmittags. Tages=Ordnung: Stellungnahme des Gemeinderates zu den jüngsten Ereignissen. 1. Dringlichkeitsantrag der I. Sektion. 2. Dringlichkeitsantrag der II. Sektion. Gegenwärtige: Vorsitzender: Herr Vizebürgermeister Ferdinand Gründler. Die Herren Gemeinderäte: Franz Aigner, Heinrich Amer¬ storfer, Heinrich Bachmayr, Gottlieb Dantlgraber, Wilhelm Denk¬ mayr, Mag. ph. Otto Dunkl, k. k. Prof. Leopold Erb, Josef Haidenthaller, Leopold Haller Dr. Karl Harant, Ing. Josef Huber, Franz Kattner, Franz Kirchberger, August Mitter, Viktor Ortler, Franz Schwertfelner, Karl Wöhrer und Josef Wokral. Seitens des Stadtamtes: Herr Stadtamtsrat Dr. Fr. Habl. Als Schriftführer: städt. Protokollführer Karl Ridler. Zur militärischen Dienstleistung eingerückt sind: Herr Vizebürgermeister Paul Fendt und die Herren Gemeinderäte Anton Kurz, Josef Langoth und Anton Sighart. Der Herr Vorsitzende begrüßt die erschienenen Herren Gemeinderäte, stellt die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates fest und erklärt um 3 Uhr 10 Min. die außerordentliche Sitzung für eröffnet. Zu Beglaubigern dieses Protokolles werden die Herren Gemeinderäte Josef Haidenthaller und Dr. Karl Harant ge¬ wählt. Vor Eingang in die Tagesordnung berichtet der Herr Vorsitzende, daß Herr Bürgermeister Gschaider in letzter Minute dienstlich abberufen wurde und an der Sitzung nicht teilnehmen könne. Sodann führt der Herr Vorsitzende aus: Meine sehr geehrten Herren! Die großen Ereignisse, welche in jüngster Zeit über unser Vaterland und unsere Heimat gelommen sind, haben veranlaßt, den Gemeinderat zu einer außerordentlichen Sitzung zu berufen. Vor allem wollen wir unseren jungen Staat, der erst vor wenigen Tagen geboren wurde, auf das herzlichste begrüßen und ihm aufrichtigst und herzlichst Glück für die Zukunft wünschen. Damit aber der junge Staat sich sehr rasch erholt, damit wir alle bald wieder glückliche, ruhige und sorgenlose Tage sehen, ist es notwendig, daß die gesamte Bevölkerung, die ganze Völker¬ schaft Deutsch=Oesterreichs ohne Unterschied des Standes und der Konfessionen treu zusammentreten, weil dadurch ein ruhiges Arbeiten, ein ruhiges Leben und ein ruhiges Schaffen erst er¬ möglicht wird. Es werden vielleicht jetzt noch bittere und schwere Zeiten kommen und ist es gerade daher vor allem zur Ueber¬ windung derselben unbedingt notwendig, die Ordnung und Ruhe überall aufrecht zu erhalten, denn nur durch Ruhe und Ordnung ist es möglich, jenes Ziel zu erreichen, das wir uns gesetzt haben, das Ziel, daß wir bald wieder geordnete und ruhige Verhält¬ nisse bekommen können. Ich habe Ihnen vor allem mitzuteilen, daß für die Stadt Steyr ein Nationalrat zusammengestellt wurde, welcher aus dem Herrn Bürgermeister Gschaider als Vorsitzender, Herrn G.=R. Dr. Karl Harant, Herrn G.=R. Prof. Erb, der als Reichsrats¬ abgeordneter ohnedies Mitglied des Nationalrates des Staates ist, Herrn G.=R. Josef Wokral, Herrn Karl Fischer, als Obmann des Verbandes der Arbeitervereinigungen, Herrn Josef Gruber, Vorstand der Handelsgewerbetreibenden, und Parteisekretär Herrn Hermann Kletzmayr konstituiert ist. Der Nationalrat ist somit aus allen Parteien zusammengesetzt. Ich kann Ihnen ferner mit¬ teilen, daß sich die militärischen Behörden Steyrs mit Herrn Bürgermeister Gschaider und dem Nationalrate ins Einvernehmen gesetz haben und daß erfreulicherweise auch von dieser Seite aus die Zusage gemacht wurde, daß das Militär dem Nationalrate jederzeit zur Verfügung stehen würde, wenn es gilt, die Ruhe und Ordnung in unserer Stadt aufrecht zu erhalten. Außerdem ist an die Bevölkerung ein Aufruf zur Bildung einer Volks¬ wehr hinausgegangen und hat sich bereits heute um 2 Uhr eine große Anzahl von Herren zusammengefunden, die sich zur Volks¬ wehr meldeten, so daß zu erwarten steht, daß die Volkswehr in Steyr jenen Umfang annehmen wird, daß auf diese und die militärischen Behörden gestützt, vertrauensvoll der Zukunft ent¬ gegengesehen werden kann. Es sind wohl noch andere wichtige Fragen zu erledigen, die jedoch nicht in den Rahmen der heu¬ tigen Sitzung passen. Hervorragend sind es aber zwei Dringlichkeitsanträge, welche heute zur Sprache und Beschlußfassung kommen müssen, und zwar ein Dringlichkeitsantrag der I. Sektion und ein Dringlichkeitsantrag der II. Sektion. Ich ersuche den Herrn Referenten der l. Sektion G.=R. Dr. Harant zum Dringlich¬ keitsantrage der I. Sektion das Wort zu nehmen. Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Die Ereignisse, die gewissermaßen über Nacht eingetreten sind, machen es nach der Meinung der Sektion der Gemeinde zur Pflicht, dazu Stellung zu nehmen und gestattet sich die Sektion, diesbezüglich einen Dringlichkeitsantrag zu unterbreiten. Der Dringlichkeitsantrag beschäftigt sich mit diesen Ereignissen, die sich abgespielt haben, bezw. noch abwickeln können, um zu denselben Stellung zu nehmen und scheint dadurch die Dringlichkeit hinreichend be¬ gründet zu sein. Ich bitte für die Dringlichkeit des Antrages zu stimmen. Herr Vorsitzender: Wird zur Dringlichkeit des An¬ trages das Wort gewünscht? Dies ist nicht der Fall. Ich bitte über die Dringlichkeit des Antrages abzustimmen. Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen. Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Der Dringlichkeits¬ antrag, den Ihnen die Sektion zur Annahme empfiehlt, lautet: 1. Der Gemeinderat begrüßt die Gründung des neuen Staates Deutsch=Oesterreich, verlangt die vollständige Unabhän¬ gigkeit in jeder Beziehung in seiner Leitung und Führung; er erkennt nur das Präsidium, den Staatsrat und den National¬ rat als obersten Gesetzgeber und die vom letzteren eingesetzten Behörden an, in deren alleinigen Dienst ssich der Gemeinderat mit allen seinen Kräften stellt. 2. Der Gemeinderat nimmt die Gründung und Zu¬ sammensetzung des Nationalrates der Stadt Steyr zur Kenntnis. Er dankt dem Nationalrate für seine im Dienste der Sicherheit der gesamten Bevölkerung der Stadt Steyr und Umgebung be¬ reits geleistete Arbeit. 3. Der Gemeinderat verlangt, daß endlich und schleunigst für das Land Oberösterreich ein unbedingt notwendiger selbstän¬ diger Nationalrat samt entsprechenden Befugnissen geschaffen werde, in welchem die Stadt Steyr gemäß ihrer Bedeutung und Größe vertreten ist.“ Die Wichtigkeit des Antrages erhellt, wie ich zweifellos annehmen kann, aus dem eben verlesenen Inhalte desselben. Ich glaube, sehr geehrte Herren, es ist heute weniger als je Zeit

2 oder Gelegenheit, überflüssiges zu sagen. Sie wissen, wie die Verhältnisse sich in der letzten Zeit entwickelt haben, Sie wissen, daß wir mitten in Ereignissen stehen, die eine grundstürzend Umwandlung unseres Vaterlandes zur Folge haben. Wenn wir hier in der eben beantragten Weise zu den Ereignissen Stellung lehmen, so glaube ich, erfüllen wir einerseits unser gutes Recht, andererseits die uns obliegende Verpflichtung. zum Punkte 3 des Antrages möchte ich darauf hinweisen daß die Schaffung eines Nationalrates für unser engeres Heimat¬ land Oberösterreich umso wichtiger und dringender erscheint, als wir bisher eine solche Stelle nicht besitzen, an die wir uns in allen jenen Fragen zu wenden haben und mit der wir in Be angen in Fühlung treten können, die unser engeres Heimat¬ land betreffen. Ich bitte, den Anträgen der I. Sektion zuzu¬ timmen. derr Vorsitzender: Wird zum Sektionsantrage das Wort gewünscht? Herr G.=R. Prof. Erb: Zum Punkte 2 des Antrages möchte ich die Bemerkung knüpfen, daß hier die Erörterung not¬ vendig ist, daß die Zusammensetzung des Nationalrates der Stadt Steyr von den Führern aller Parteien gleichmäßig durch¬ geführt wurde, indem je zwei Vertreter der deutschnationalen, hristlichsozialen und der sozialdemokratischen Partei und der Bürgermeister den Nationalrat der Stadt bildet. Die Bildung es Nationalrates hat so rasch als möglich erfolgen müssen Wir wissen, daß außerordentliche Gefahren die Stadt als solch bedrängen und daß der Nationalrat besonders zur Sicherung des Wohles und des Eigentumes seiner gesamten Bewohnerschaft gebildet werden mußte. Es war ein glücklicher Zufall, daß der Nationalrat bereits zu einer Zeit gebildet war, und zwar ge¬ rade eine Stunde früher als die große Soldatenversammlung in der Artilleriekaserne stattfand, wozu der Nationalrat der Stadt eladen wurde, und haben auch drei Mitglieder des National¬ rates der Stadt Steyr, und zwar Herr Bürgermeister Gschaider G.=R. Wokral und meine Wenigkeit in dieser großen Versamm¬ lung das Wort ergriffen. Ich will über die Versammlung nun sagen, daß soweit sich in die Zukunft blicken läßt und soweit ich aus dem Gehörten und allen Nachrichten ergibt, bezüglich sowohl des Militärs, als auch bezüglich des weitaus überwiegen¬ en Teiles der Bewohnerschaft Bürgschaften dafür vorhanden ind, daß die Sicherheit und Ordnung in der Stadt von innen heraus kaum irgendwie gestört werden dürfte. Dies möge zur Beruhigung der Bewohnerschaft der Stadt gesagt werden. Wie schon betont wurde, wird daran gearbeitet, daß, falls — was ja nicht unmöglich ist — Angriffe oder Bedrohungen von außen erfolgen sollten, alles getan ist, um Abwehrmaßregeln, sowohl durch geeignete Personen, als deren Bewaffnung durchzuführen. Auf einen Punkt werden wir noch zurückkommen müssen; dies ist die kommende Ernährungsfrage, die ja auch für die Ruhe und Sicherheit von außerordentlicher Bedeutung ist Den Punkt 3 des Dringlichkeitsantrages bitte ich unver¬ veilt den Nationalrats=Präsidenten Dinghofer und Hauser mit¬ zuteilen. Es handelt sich nämlich um einen Nationalrat von Oberösterreich und betrachte ich es als eine bedauerliche Ver¬ zögerung, daß der Landesnationalrat noch nicht eingesetzt wurde. Wir stoßen bei allen unseren Beschlüssen im Nationalrate der Stadt nach dieser Richtung auf Hindernisse. Wir wissen weder in militärischer noch in politischer und wirtschaftlicher Beziehung nicht, wer das Land Oberösterreich leitet und sind vollständig auf uus selbst angewiesen. Jedenfalls ist dieser dritte Punkt des Untrages von größter Wichtigkeit und von großem Belange ist es auch, daß die Stadt Steyr entsprechend ihrer Größe und Bedeutung im Landesnationalrate vertreten ist. Herr G.=R. Wokral: Ich möchte ersuchen, das bezüglick der Zusammensetzung des Nationalrates der Stadt eine Er¬ gänzung der sozialdemokratischen Partei durch Herrn Wimmer genehmigt werde. err G.=R. Prof. Erb: Der Berufung des Herrn Wimmer n den Nationalrat dürfte nichts im Wege stehen und hätte der Gemeinderat die Ergänzung des Nationalrates der Stadt durch den genannten Herrn nur zur Kenntnis zu nehmen. Herr Vorsitzender: Ich lasse vorerst über den Dring, lichkeitsantrag der 1. Sektion abstimmen und ersuche die Herren velche für den Antrag stimmen, sich von den Sitzen zu erheben Der Dringlichkeitsantrag der I. Sektion wird vom Ge¬ neinderate einstimmig angenommen err Vorsitzender: Weiters ersuche ich, die Berufung des Herrn Wimmer als Vertreter der sozialdemokratischen Partei n den Nationalrat der Stadt zur Kenntnis zu nehmen und ihre Zustimmung durch Erheben der Hände auszudrücken. Die Berufung des Herrn Wimmer in den Nationalrat der Stadt wird vom Gemeinderate genehmigend zur Kenntni¬ genommen. Herr Vorsitzender: Wir kommen nun zum Dringlich¬ eitsantrage der II. Sektion und ersuche Herrn Gemeinderat Kirchberger das Referat zu erstatten. Herr Referent G.=R. Kirchberger: Der Dringlichkeits antrag der II. Sektion lautet Der Gemeinderat ermächtigt den Bürgermeister, in „1 Bedarfsfalle dem Nationalrate von Deutsch=Oesterreich 100.000 Kronen in Kriegsanleihe zur Verfügung zu stellen. 2. Der Gemeinderat ermächtigt den Bürgermeister, dem Nationalrate der Stadt Steyr 10.000 Kronen zur Verfügung zu stellen. Ich erlaube mir, den Dringlichkeitsantrag mit Rücksicht uf die Wichtigkeit desselben und unter Hinweis auf die Aus¬ ührung der Herren Vorredner, sowohl hinsichtlich dessen Dring¬ lichkeit, als seines Inhaltes selbst, zur einstimmigen Annahme zu empfehlen Herr Vorsitzender: Ich lasse über den Dringlichkeits¬ antrag abstimmen Der Dringlichkeitsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ timmig angenommen. Herr G.=R. Prof. Erb: Ich möchte in der von mir vor in gestreiften Ernährungsfrage bemerken, daß wir in der Er¬ jährungsfrage sehr großen Schwierigkeiten entgegengehen können und allen Grund und Ursache haben, zu befürchten, daß die evölkerung unwillig und beunruhigt werden könnte. Die Ver¬ rgung der Stadt Steyr ist umso mehr eine bedenkliche, als wir vielleicht auf Zuschübe aus den Zentralen Verzicht leisten müssen. Es ist daher möglich, daß wir mit den Gefahren von iebstählen, Plünderungen usw. zu rechnen haben, daher meine ich, ist es unbedingt notwendig, daß das, was in der Umgebung er Stadt aufgespeichert ist, uns zugute kommt. Es wäre zu rwägen, ob nicht vielleicht die Vorräte der Landwirtschaft vielleicht auch Vorräte der Bezirkshauptmannschaften Steyr¬ Land und Kirchdorf für die Bewohnerschaft Steyrs und des ezirkes Steyr=Land beschlagnahmt werden sollen, und daß seitens der berufenen Faktoren, sei es die Kriegsgetreidever ehrsanstalt, die Statthalterei oder der am Montag oder Diens tag zu bildende Nationalrat des Landes jede Ausfuhr aus dem Bezirke Steyr=Land verbietet und die dort befindlichen Lebens¬ nittel zugunsten der Stadt beschlagnahmt. Es möge deshalb er Gemeinderat beschließen: Die maßgebenden Behörden zu er¬ suchen und aufzufordern, daß die Bezirkshauptmannschaft Steyr and bezüglich der Versorgung der Stadt Steyr mit Lebens¬ nitteln dem Nationalrate der Stadt Steyr unterstellt werde Herr G.=R. Wokral: Zu diesem Antrage möchte ich be¬ merken, daß es unbedingt notwendig ist, daß die Bezirkshaupt mannschaft Steyr zur Lösung der Lebensmittelversorgungsfrage em Nationalrate der Stadt unterstellt werde. Es muß unter allen Umständen getrachtet werden, alle Sicherheiten zu schaffen, um die Versorgungsfrage zu lösen und die Versorgung mit Lebensmitteln aufrecht zu erhalten. Ich möchte die Gelegenheit benützen, zu sagen, daß wir, wenn wir alles daran setzen, die Versorgung zu bewerkstelligen, keine Ursache haben werden, ängstlich zu sein und sich vielleicht zu Dingen hinreißen lassen, die — sagen wir es ganz offen — die Versorgung stören. Die Bewohnerschaft darf nicht der Auffassung sein, daß ihr In¬ teresse nicht entsprechend gewahrt wird. Andererseits muß sich die Bevölkerung darüber klar werden, daß wir vielleicht in den nächsten Wochen und Monaten in der Versorgungsfrage noch schwerere Zeiten durchzumachen haben werden, wie vielleicht vährend des Krieges. Dessenungeachtet müssen wir uns aber vor Augen halten, daß diesmal die Entbehrungen nicht für remde Zwecke, nicht dem dynastischen Interesse und auch nicht em Großkapital, sondern für die eigenen Zwecke notwendig nd. Ich hoffe, daß es gelingen wird, eine Einheit herbeizu¬ führen und daß die Bevölkerung ruhig und willig die zu er¬ wartenden Entbehrungen trägt, damit es sehr bald möglich ist, der Bevölkerung bessere Zeiten sichern zu können Herr G.=R. Bachmayr: Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn G.=R. Erb hinzufügen, daß auch unsere bisherigen Versorgungsgebiete Kronstorf und Hargelsberg für die Ver¬ orgung der Stadt gesichert werden, indem die Beschlagnahme er dort befindlichen Lebensmittel für die Stadt ausgesprochen verden Herr G.=R. Kirchberger: Der Gemeinderat möge heute auch beschließen, daß der Nationalrat von Steyr beauftragt verde, sich mit dem Staatsrate sofort ins Einvernehmen zu setzen, damit bezüglich Zufuhr und Zuweisung von Lebens¬ mitteln für Steyr und Umgebung keine Unterbrechung eintritt und dieselbe in Hinkunft klaglos durchgeführt wird. derr Vorsitzender: Ich lasse über den Antrag des Herrn G.=R. Prof. Erb und den Zusatzanträgen der Herren Gemeinderäte Bachmayr und Kirchberger abstimmen. Der Antrag des Herrn G.=R. Erb sowie die Zusatzanträge er Herren Bachmayr und Kirchberger werden vom Gemeinde¬ rate einstimmig angenommen. Herr G.=R. Mitter: Ich möchte fragen, wie sich die Stadt im Falle eines Anzuges von Ententemilitär verhalten wird. Herr G.=R. Prof. Erb: Die Antwort ist eigentlich schon egeben, als sich der Nationalrat mit allen Fragen zu beschäf¬ igen hat. Natürlich, wenn 20.000 Engländer nach Steyr kommen würden, könnten wir diese nicht aufhalten; was aber gegen Zandenüberfälle von innen heraus geschehen kann und geschehen konnte, ist geschehen. Erstens dürften wir uns, soweit wir es zu beurteilen vermögen, auf das Militär verlassen können, zweitens ist alles geschehen, daß wir von Sierning eine der Ersatzbatterien er Artillerie herüberbekommen und drittens wird die Volkswehr geschaffen. Diese wird vollständig bewaffnet, es werden Maschinen¬

gewehre aufgestellt und dafür gesorgt werden, daß die Ueber¬ wachung von wichtigen Objekten gesichert ist. Für die Volks¬ wehr ist bereits ein Organisationsstatut ausgearbeitet, in welchem auch vorgesorgt ist, daß Familien der Angehörigen der Volks¬ wehr oder die einzelnen Mitglieder entschädigt werden. Vor¬ läufig tritt die Stadtgemeinde, gegen seinerzeitigen Ersatz vom Staate Deutsch=Oesterreich, der ja selber eine Nationalgarde er¬ richtet, für die Volkswehr ein. Was also vorbereitet werden konnte, ist geschehen und es gereicht mir zu einer besonderen Freude, daß die Schaffung der Volkswehr in der Bürgerschaft und in der Arbeiterschaft nach jeder Parteirichtung hin auf das tatkräftigste unterstützt wird, daß die Waffenfabrik sich in den Dienst dieser Volkswehr stellt und die Waffen und Geschosse für dieselbe beistellt. Karabiner, Pistolen und Revolver werden zur Verfügung gestellt und ist bereits heute ein Transport solcher Waffen eingetroffen. Es gereicht mir auch zur Freude, daß sich der gesamte Offiziersstand, soweit er hier in Urlaub ist oder sonst sich hier in Steyr befindet, zur Verfügung gestellt hat, um die Mannschaft entsprechend vorzubereiten und daß auch Teile des Offizierskorps der Kaiserjäger sich zur tätigen Mithilfe bereit erklärt haben. Wir stehen weiter in vollständiger Verbindung mit dem Soldatenrate und dem Arbeiterrate und den Führern der Par¬ teien, soweit sie überhaupt in Betracht kommen. Wir stehen auch schon in Verbindung mit dem Soldatenrate von Sierning und dem dortigen Arbeiterrate, und zwar durch die hiesige sozialdemokratische Organisation. Es ist also nichts übersehen worden, was zur Sicherheit der Stadt Steyr möglich ist. Wir sitzen heute seit 7 Uhr früh in der Sitzung des Nationalrates der Stadt und möchte ich dem Herrn G.=R. Mitter zum Schlusse meiner Ausführungen versichern, daß seitens des Nationalrates¬ der Stadt, der Gemeindevertretung und des Herrn Bürger¬ meisters gar nichts übersehen und rechtzeitig der etwa bestehen¬ den Gefahr entgegengearbeitet wurde. Natürlich für eine Massen¬ invasion, wo geschultes Militär mit Panzerautos kommen würde, könnten wir uns nicht schützen, was aber möglich war, ist zum Schutze der Stadt geschehen. Es ist ganz richtig, daß diese Frage hier gestellt wurde, denn es liegt ja allen die Sicherheit am Herzen und dürfen wir uns daher freuen, daß wir sowohl bei der Bevölkerung, als auch bei den Soldaten und der Arbeiter¬ schaft auf ein großes Entgegenkommen getroffen sind. Herr G.=R. Mitter: Ich danke Herrn G.=R. Prof. Erb für seine Ausführungen und wollte nur ein Beispiel für eine Maßnahme angeführt wissen, wenn einige Engländer mit Autos bis nach Steyr kämen. — Herr G.=R. Dr. Harant: Zu den Ausführungen des Herrn G.=R. Erb möchte ich bemerken, daß die gegründete Volks¬ wehr nur dazu bestimmt ist, Unruhen im Innern und so weit es sich um äußere Feinde handelt, durch die Kriegsgefangenen verursachte zu bekämpfen. Nach verläßlichen Nachrichten soll es unrichtig sein, daß sich Ententetruppen in Laibach befinden und dürften auch zahlreiche andere Gerüchte, die in letzter Zeit die Luft durchschwirrten, nicht richtig sein. Wenn aber Entente¬ truppen hieher kommen sollten, so könne man heute allerdings nicht sagen, welche Vorkehrungen die richtigen wären. Das ist wohl eine Frage der Entscheidung nach der Sachlage. Es wird ganz davon abhängen, wie sich solche Truppen verhalten würden, mit welchen Waffen sie kommen 2c. Es könnte daher nur eine Augenblicksentscheidung möglich sein und glaube bestimmt, daß heute eine allfällige Richtschnur hiefür nicht gegeben werden kann. Herr G.=R. Ortler: Nachdem ich in der Zusammensetzung des Organisationsstatutes für die Volkswehr tätig war, möchte ich einen auf eine Interpellation gegründeten Vorschlag zur An¬ nahme empfehlen, daß bezüglich der Invalidenversorgung für diese Volkswehr der Gemeinderat seine Zustimmung erteilt, daß derselbe einstweilen, bis die staatliche Invalidenversorgung durch¬ geführt wird, diese übernimmt. Die Waffenfabrik und das Eta¬ blissement Reithoffer haben sich bereit erklärt, daß ihren Be¬ diensteten, die sich der Volkswehr widmen, für die Zeit ihrer Dienstleistung in derselben ihre Bezüge in derselben Weise fort¬ bezahlt werden, als wenn sie ihrem zivilen Dienste nachgingen. Aber bezüglich der Invalidität soll eine eventuelle Vorsorge ge¬ roffen werden. Man kann nicht wissen, unter welchen Verhält¬ nissen die Volkswehr einzuschreiten hat und welche Invalidität bei Einzelnen eintreten kann. Ich möchte daher beantragen, daß die Gemeinde bis zum Inkrafttreten der staatlichen Invaliden¬ vorsorge die Sache übernimmt. Herr Vorsitzender: Ich glaube, der Gemeinderat kann auf den Vorschlag des Herrn G.=R. Ortler sofort eingehen, umso¬ mehr als die Stadt einen Invalidenfond besitzt, welcher für diese Zwecke herangezogen werden könnte. Herr G.=R. Wokral: Ich möchte bitten, daß in dieser Hinsicht unter allen Umständen etwas geschaffen wird, wenn auch der Gemeinderat heute noch nicht das Ausmaß des In¬ alidenfondes oder einer Entschädigung bestimmen kann. Der Gemeinderat möge heute grundsätzlich dem Antrage des Herrn G.=R. Ortler zustimmen. Die näheren Ausarbeitungen sind dem Gemeinderate nachträglich zur Genehmigung vorzulegen. Herr G.=R. Prof. Erb: Ich habe gegen die Anregungen an sich nichts einzuwenden, nur ist die Form zur Durchführung der Sache außerordentlich schwierig. Das Organisationsstatut ist nämlich vom Nationalrate der Stadt Steyr noch nicht ange¬ nommen worden. Es kann daher der Gemeinderat nur grund¬ sätzlich seine Zustimmung zu dem Antrage des Herrn G.=R. Ortler geben. Ist das Organisationsstatut der Volkswehr vom National¬ rate der Stadt angenommen, so ist dieser Antrag der Sektion zuzuweisen, über deren Vorschlag dann der Gemeinderat erst einen Beschluß fassen kann. Daß der Gemeinderat für jene Leute eintritt, die für die Sicherheit der Stadt ihre Person zur Verfügung stellen, ist gewiß selbstverständlich. Herr Vorsitzender: Es ist über den Antrag des Herrn G.=R. Ortler, daß die Invalidenversorgung für Angehörige der Volkswehr die Stadtgemeinde bis zum Inkrafttreten einer dies¬ bezüglichen staatlichen Verordnung übernimmt und über den Zusatzantrag des Herrn G.=R. Prof. Erb, daß sich der Gemeinde¬ rat grundsätzlich für diese einstweilige Uebernahme der Invaliden¬ versorgung aus der Volkswehr ausspricht, abzustimmen. Dem Antrag des Herrn G.=R. Ortler und dem Zusatzantrag des Herrn G.=R. Prof. Erb wird vom Gemeinderate einhellig zugestimmt. Herr G.=R. Kirchberger: Zum Schlusse möchte ich nur das eine hervorheben, daß die Gründung und Ausgestaltung des neuen Staates Deutsch=Oesterreich nur mit möglichster Ruhe vor sich gehen könne und erlaube mir zu wünschen, daß der neue Staat Deutsch=Oesterreich zum Nutzen seiner Insassen wachsen, blühen und gedeihen möge. Heil Deutsch=Oesterreich! (Bravorufe.) Herr Vorsitzender: Wünscht einer der Herren Ge¬ meinderäte noch das Wort? Es ist nicht der Fall. Ich gestatte mir namens des Gemeinderates den sehr ge¬ ehrten Herren des Nationalrates den besten und verbindlichsten Dank für ihre rasche und zielbewußte Arbeit in den letzten Tagen auszusprechen und bitte alle Herren, getreulich zusammen¬ zuhalten. Ich appelliere an die ganze Bevölkerung, daß sie uns in allen Dingen auf das eifrigste unterstützt, ich appelliere an ie, daß sie die Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten möge, denn nur durch Ruhe und Ordnung wird jener Frieden eintreten, den wir alle so sehnlichst wünschen. Heil Deutsch=Oesterreich! (Bravorufe.) Hierauf schließt der Herr Vorsitzende um 3 Uhr 55 Min. nachmittags die Sitzung.

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