Ratsprotokoll vom 18. Juni 1918

Dieses Ministerium hat weiters eröffnet, daß auch den Organen der Staatseisenbahnverwaltung die Möglichkeit gegeben wird, als Behördenvertreter an den Sitzungen des Ausschusses teilzunehmen; hiebei ist dasselbe von der Ansicht ausgegangen, aß es nicht empfehlenswert erscheint, wenn Funktionäre der Staatseisenbahnverwaltung dem Ausschusse als Vertreter der Arbeitgeber angehören, weil sie in dieser Eigenschaft bei einem Interessengegensatze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern sich mehr als erwünscht exponieren können Daher ist. § 2 auch noch durch folgenden Absatz zu er¬ gänzen Ueberdies hat an den Sitzungen ein Vertreter der k. k. Staatseisenbahnverwaltung, welcher von der Abhaltung rechtzeitig zu verständigen ist, mit beratender Stimme teilzunehmen. Ferner steht es dem Vorsitzenden frei, Vertreter des Ge¬ werbe=Inspektorates, bezw. andere Personen, deren Teilnahme in der Beratung erwünscht erscheint, beizuziehen. Stimmberech¬ igt find jedoch nur die Mitglieder des Ausschusses. Endlich wäre auch § 11 über die Gebühren der Arbeits vermittlung abzuändern, da das Ministerium für soziale Für¬ orge darauf besteht, daß für die Vermittlung einer Stelle von den Arbeitnehmern eine Gebühr überhaupt nicht eingehoben verden dürfe, als Ersatz des hiedurch entstehenden Ausfalles hat sich jedoch dieses Ministerium bereit erklärt, einer Erhöhung der Gekühren der Arbeitgeber auf 60 Heller zuzustimmen Auch die Arbeitsnachweisstellen in Linz, Wels, Ried und Urfahr sind beauftragt, ihre Satzungen in vorstehend ausge führtem Sinne abzuändern, Die Sektion beantragt daher, die Satzungen für die allgemeine öffentliche Arbeitsnachweisstelle in der vom Ministerium ür soziale Fürsorge vorgesehenen Weise zu ergänzen, bezw. zu ändern. Der Sektionsantrag wird einhellig angenommen. Z. 18.161. 7. Ansuchen um Erhöhung der Impfgebühren für die öffentlichen Impfungen. derr Referent G.=R. Dr. Harant: Seitens des Impf arztes und des bei den Impfungen fungierenden Schriftführers und des Sanitätsgehilfen wurde ein Ansuchen um eine 50% ige Erhöhung der bisherigen Impfgebühren eingebracht und würden sich die Erhöhungen wie folgt stellen: Für den Impfarzt von 30 k pro Impfling auf 15 7, für den Schriftführer von 35 K auf 52 K 50 h, und für den Sanitätsgehilfen von 15 K auf 22 K 50 h. Das Amt unterstützt und begründet die Berechtigung der angestrebten Erhöhung damit, daß diese früheren Gebühren aus den Jahren 1899 bezw. 1904 stammen und deren beantragte Erhöhung daher nach den heutigen Verhältnissen gerechtfertig erscheine. Die Sektion beantragt daher auf Erhöhung der Impf¬ gebühren in dem angesuchten Ausmaße im Hinblicke auf die seit deren Festsetzung eingetretenen Erhöhung aller sonstigen Ent¬ ohnungen. Der Sektionsantrag wird einhellig angenommen. Z. 14.124 8. Bericht des städtischen Wirtschaftsrates über Verpflegsfragen Herr Bürgermeister ersucht Herrn G.=R. k. k. Prof Erb die Berichterstattung über diesen Punkt zu übernehmen. derr Gi=R. k. k. Prof. Erb: Mit der Uebernahme der Berichterstattung über diese Frage ist eine außerordentlich, un¬ angenehme Aufgabe meinerseits übernommen worden. Der Wirt¬ chaftsnat hat sich mit den die Bevölkerung jetzt so schwer treffen¬ den Fragen in seiner letzten Sitzung eingehend beschäftigt, und zwan nach zwei Richtungen, erstens wegen der Brotkürzung und zweitens wegen der Fleischversorgung. Ich glaube, es ist am besten, die beiden Fragen getrennt zu behandeln. Ich werde mich vor allem auch auf die sämtlichen Schriftstücke stützen, welche n diesen Angelegenheiten gewechselt wurden. Ich beginne mit dem Erlasse der Statthalterei vom 5. Juni 1918, Z. 11.686/Ap., welcher lautet: Die unsichere Lage der Brotversorgung Obevösterreichs bis zur neuen Ernte ist den Herren Vorständen schon in einer Reihe von Erlässen geschildert worden. Dieser Umstand macht es auch anllärlich, warum die Statthaltevei mit dem h. ä. Erlasse vom 8. Mat 1918, Zl. 9118/Ap., die rasche Aufbringung der bei den Landwinten angeforderten außerordentlichen Getreidemengen mpfohlen hat. Die Ablieferung der einzelnen Bezirkskontingente muß im Sinne dieses Erlasses bis spätestens 10. Juni voll¬ sein. zogen Die termingerochte Ablieferung der angeforderten Getreide¬ mengen allein bietet noch nicht die Gewähr, daß Oberösterveich bis zum Greifbarwurden der neuen Ernte hinreichend mit Brot versorgt werde, zumal die rasche Bergung der Ernte in Früh¬ druschgebieten eine gloichmäßige ungekürzte Brotverforgung durchaus noch nicht ermöglicht und die Aberntung des Roggens und Weizens im allgemeinen von den Witterungsverhältnissen abhängig ist. Um nicht die Brotversorgung Oberöstorreichs in den letzten Wochen des Monates Juli und anfangs August voll¬ ständig lahm zu legen, sieht sich die Statthalterei gezwungen, mit der am 10. Juni 1. J. beginnenden Verbrauchsperiobe bis auf weiteres eine Horabfetzung des Brotverbrauches in nach¬ stehender Weise zu verfügen: 7 Mit Ausnahme aller in der Versorgungsgemeinschaft der Oesterreichischen Waffenfabrik in Steyr, des Kriegsverbundes der industriellen Betriebe Oberösterreichs und der k. k. Stauts¬ bahn=Direktion in Linz befindlichen Sonderverforgten ist vom 10. Juni l. J. angefangen, die Brotkarte, welche wüchentlich uf 18 Abschnitte lautet, nur mehr gegen eine Menge von 980 g tatt 1260 g Brot einzulösen. Es kommen daher 4 Brotkarten¬ abschnitte (= 280 g Brot) in Wegfall. Die Zusatzkarte der Schwerarbeiter, lautend auf wöchentlich 980 g Brot (= 14 Brut¬ artenabschnitte), bleibt unverändert.“ * * Der restliche Wortlaut dieses Erlasses betrifft. Durch¬ ührungsbestimmungen. Gegen diesen Erlaß hat die Stadtgemeinde=Vorstehung Stellung genommen und an die k. k. Statthalterei mit Zuschrift vom 10. Juni l. J., Zl. 19.033, unter anderem berichtet: „Mit Erlaß vom 5. Juni 1918, Zl. 11.686A, munde verfügt, daß mit Ausnahme aller in den Versorgungsgemein¬ chaft der Oesterr. Waffenfabrik in Steyr, des Kriegsnertundes der industriellen Betriebe Oberösterreichs und der k. k. Staats¬ bahn = Direktion in Linz befindlichen Sondererf#gten vom 10. Juni 1918 angefangen die Bratkarte mur mehr gegen ### Menge von 980 g statt 1260 g Brot einzulösem ist, daher wier Brotkartenabschnitte in Wegfall kommen. * — Die Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr sieht sich veranlaßt, hiemit gegen die verfügte Kürzung der Brotmenge die ernstesten Vorstellungen zu erheben und von der Durchführung in der Stadt Steyr auf das eindringlichste abzuraten, denn dieselbe ist auf. Grund der genauesten Kenntnis der hiesigen Verhältnisse est davon überzeugt, daß diese Maßregel zu den bedenklichsten ind bedauerlichsten Aeußerungen der Stimmung der gedrürten Bevölkerung führen muß Die Kürzung erfolgt nun in einer Zeit, dn das kleins Stück Brot geradezu das Haupmahrungsmittel der Be jeworden ist; erst vor kurzer Zeit erfolgte die Kürzung der Mehlquote um ¼ kg, ebenso die Kürzung der Zuckermenge, die Versorgung mit Fleisch ist, mnn nicht ülrhanpt unmäglich, so och schon auf ein Minimum gesunken, Gemüse kommt keines auf den Markt, die Kartoffel gehen zu Ende und sind nicht mah enießbar, andere Lebensmittel sind nicht vorhanden, auch d#s Brot ist schlecht und minderwertig und nun soll auch dieses noch derart einschneidend gekürzt werden! Welches werden die Folgen dieser Maßregel sein? Die Leute werden dadurch zum Schleichhandel gezwungen und das Letzte, was noch zu normalen Preisen zu kaufen war, wird durch Preistreiberei auf eine unerschwingliche Höhe hinaufgetrieben werden, es wird, wie es in Tschechisch=Böhmen der armen, hungernden, Hab und Gut herbeischleppenden deut¬ schen Bevölkerung ein Kilo Brot zu 5 K verkauft wird, dies uch in Oberösterreich bald der Fall sein. Aber selbst diese Aus¬ hilfe in Umgehung der kriegswirtschaftlichen Vorschriften kann nicht lange anhalten, aus dem Grunde, weil den Landwirten alles, was sie entbehren können, bereits weggenommen ist und sie beim besten Willen und bei werktätigstem Mitgefühl mit dem Elende ihrer Mitmenschen nicht mehr helfen und nichts mehr geben önnen, weil sie selbst nichts haben. Und was dann? Schon mehren sich die Diebstähle in ge¬ radezu erschreckender Weise, was aber wird erst geschehen, wen uch das letzte Nahrungsmittel der Bevölkerung weggenommen ist. Wer soll dann die Felder und die heranreifenden Saaten chützen? So wie es in finanzieller Beziehung ein Existenz¬ minimum gibt, so besteht ein solches zweifellos auch hinsichtlich der Ernährung, es ist kein Zweifel, daß heute bereits ein jeder veit unter diesem Minimum vegetiert, durch die verfügte Brot¬ ürzung wird aber ein solcher Tiefstand erzeugt, daß Leben und Gesundheit auf das Schwerste gefährdet werden. Die Stadtgemeinde verweist auf die der Stadt Stayr ganz igenartigen Verhältnisse. Wenn auch von der Brotkürzung die Arbeiten der Waffen¬ brik und Kriegsindustrien ausgenammen erscheinen, sei es um den Bedürfnissen der Industrie Rechnung zu tragen oder von ornherein ein Element auszuschalten, das einen großen Teil der Bevölkerung bildet, so ist übersehen worden, daß in der Waffenfabrik ganz bedeutende Arbeiterentlassungen stattgefunden haben und täglich noch stattfinden Es gibt daher in der Bevölkerung von Steyr, die ohnehin nicht, wie in vielen anderen Städten, zum großem oder auch berhaupt nur zu einem Teile aus Menschen besteht, die von hrer Rente leben, sondern durchwegs in einer oder der andoren Weise der Arbeit nachgehen müssen, eine sehr große Anzahl von Personen, welche heute überhaupt keinen Ermerb haben; uf der einen Seite keine Verdienstmöglichkeit, auf der anderen Seite nichts mehr zu essen, ist es da nicht allzu menschlich, wonn olche Personen zu den verzweifeltsten Schritten getrieben werden? Es ist zwecklos, an dieser Stelle auf all' die vielen und hweren und oft unbegreiflichen Fehlor hinzuweisen, die unsere Verwaltung insbesondere in der Ernährungsfrage belasten, da auch durch die berechtigste Kvitik keine Abhilfe geschaffen wird, wohl aber sei auf einen Umstand hingewiesen, der noch in letzter Stunde wirksame Hilfe zu bringen vermag Wenn heute die Kriegslage unseres Staates so günstig ist, venn unser Vaterland allen Anstürmen standhalten knnte, so st dies in erster Linie und in weitaus größtem Maße das Ver¬ dienst der Deutschen in Oesterreich. Mit goldenen Lettern mus es in der Geschichte des Habsburgerreiches eingeschrieben sein, velche Opfer an Gut und Blut und Entbehrungen die Denisch¬ Oesterreicher gebracht haben

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