Ratsprotokoll vom 24. April 1918

2 Eine kleinere Menge von Kartoffelstärkemehl stand der Stadtgemeinde zur Verfügung und wurde in entsprechender Kopfmenge an die Bevölkerung abgegeben. Der Umstand, daß eine ganze Reihe von Parteien schon eit langer Zeit vergeblich auf die Ausführung der angemeldeten Fernsprechanschlüsse wartet, hat mich veranlaßt, unter Hinweis auf die an anderen Orten bereits durchgeführten Anschlüsse eine Eingabe an die k. k. Post= und Telegraphen=Direktion zu richten, worin ich um beschleunigte Durchführung der Steyrer Anschlüsse ersuchte Die Antwort dieser Behörde besagte, daß großer Material¬ mangel die Durchführung aller Anschlüsse nicht erlaube, daß aber einige dringend gewünschte Anschlüsse baldigst zur Durch¬ führung gelangen werden Bezüglich der Inkorporierungsfrage Sierning habe ich mich an Seine Exzellenz dem Herrn Landeshauptmann gewendet, der mir umgehend mitteilte, daß er wohl keinen Zwang auf die Ge¬ meinde Sierning ausüben könne, jedoch im Sinne der Stadt auf die Gemeinde Sierning einwirken werde In einer bald darauf eingelangten Zuschrift des Herrn Landeshauptmannes erhielt ich jedoch die unangenehme Mit¬ eilung, daß Sierning trotz seiner Einwirkung auf den ab¬ lehnenden Standpunkt beharre. In der Sitzung der kriegsministeriellen Sanitätskommission vom 12. April wurde die Typhus=Epidemie, die seit langem in Steyr herrschte, als erloschen erklärt und die Aufhebung der — Ich richtete an über Steyr verhängten Sperre beantragt das Militärkommando Innsbruck eine Eingabe, worin ich um beschleunigte Durchführung der Sperreaufhebung ersuchte ach mehrjähriger Störung des vollständigen Volksschul¬ betriebes konnte infolge Freigabe der Wehrgrabenschule und Eintritt wärmerer Witterung der Schulbetrieb in sämtlichen Schulen wieder voll aufgenommen werden, was im Interesse der Erziehung unserer Schuljugend gewiß sehr wünschenswert ist. Für die geplante Handelsschule gibt sich allseits großes Interesse kund. Das Kuratorium plante zuerst lediglich die Er¬ richtung der Handelsschule für Knaben. Da aber eine sehr große Anzahl von Mädchen sich anmeldete und in verschiedenen Vor¬ sprachen die Errichtung der Mädchenhandelsschule verlangt wurde, mußte auch diese in Aussicht genommen werden. Nun hätten für die beiden Schulen die vorhandenen Räume in der Realschule nicht gereicht; es mußte somit getrachtet verden, auch für diese Platz zu schaffen. Dieser könnte durch Verlegung des Knabenhortes und der Suppenanstalt geschaffen werden. Ich wurde deshalb zusammen mit Herrn G.=R. k. k. Pro¬ essor Erb und Herrn k. k. Oberrealschul=Direktor Glas bei Herrn Direktor Duffek vorstellig mit der Bitte, für Knabenhortzwecke Räume im Objekte XI der Waffenfabrik, das für diesen Belang ehr geeignet erscheint, zur Verfügung zu stellen. Herr Direktor Duffek zeigte volles Verständnis für unsere Bestrebungen und sagte zu, unser Ersuchen bei der General Direktion in Wien wärmstens zu befürworten Leider mußte mir einige Zeit hierauf Herr Direktor Duffel mitteilen, daß es nicht möglich sei, die gewünschten Räume zur Verfügung zu stellen, weil in nächster Zeit wieder sämtliche Räume zum Fabriksbetriebe benötigt werden. Wir werden also rachten, nach Möglichkeit andere Räume für diesen Zweck auf¬ zubringen. In der Sitzung des Gemeinderates vom 22. März hat Herr G.=R. Haidenthaller angeregt, den Versuch zu machen, den großen Exerzierplatz für Schrebergärten zu verwenden. Ich habe nich diesbezüglich an das Stationskommando gewendet, das mitteilte, daß der große Exerzierplatz wegen Pachtverhältnis nicht zur Verfügung stünde, daß jedoch Teile des kleinen Exerzier platzes kostenlos zu diesem Zwecke zu haben wären. Die am 17. April stattgefundene Kommission hatte leider das Ergebnis daß diese Gründe als für diesen Zweck unverwendbar bezeichnet werden mußten, somit der Gedanke, Schrebergärten im Stadt¬ gebiete zu errichten, vorläufig fallen gelassen werden muß. In der letzten Gemeinderatssitzung berichtete ich über die geplante Pflanzung von Probebäumen am Ennskai zwecks späterer Pflanzung einer vollständigen Allee. Ueber Anraten von Sachverständigen des Vereines der Gärtner und Gartenfreunde wurde jedoch die gesamte Bepflan¬ zung durchgeführt, und zwar wurde der Kai in einer Länge von 220 Metern mit 23 Kastanienbäumen bepflanzt, die bereis ein erfreuliches Wachstum zeigen. Um den Parteien, welche Eingaben bei der Stadtgemeinde zu machen haben, eine Erleichterung zu bieten, wird im Rat¬ hause ein für diesen Zweck bestimmter Einwurfkasten angebracht, der täglich zweimal entleert wird. Ferner beehre ich mich nach Abschluß zweier umfangreicher Erhebungen deren Ergebnis mitzuteilen. Die erste Erhebung wurde im Jahre 1917 vorgenommen und vom Herrn Epidemie¬ arzt Dr. Szulimovics bearbeitet Es kamen 1403 Gebäude in Betracht, von denen 586 Beton¬ kanäle, 117 offene Kanäle, 227 gemauerte Kanäle hatten und 473 überhaupt nicht kanalisiert waren. Das Kanalisierungswesen unserer Stadt bedarf somit einet gründlichen Verbesserung, die durch die geplante Einführung der allgemeinen Kanalisierung erreicht werden wird. Brunnen waren 533 vorhanden. 20 Häuser waren an die städtische, 129 an private Wasser¬ leitungen angeschlossen. 621 Gebäude entbehrten somit jeder eigenen Wasserversor¬ wodurch die dringende Notwendigkeit der Errichtung einer jung allgemeinen Wasserleitung gewiß erwiesen erscheint. Die zweite Erhebung, welche heuer von mir bearbeitet wurde, erstreckte sich lediglich auf die Wohnhäuser und hatte nachstehendes Ergebnis: m Stadtgebiete sind dermalen 1264 Wohnhäuser (die Kasernen nicht eingerechnet) vorhanden Diese sind von 5121 Parteien mit selbständiger Wohnung bewohnt. Die vorhandenen 5150 Wohnungen verteilen sich wie folgt: 1003 Wohnungen mit einem Raum, 1798 Wohnungen mit Zimmer und Küche, 1165 Wohnungen mit Zimmer, Kabinett und Küche, 290 Wohnungen mit 2 Zimmern und Küche 346 Wohnungen mit 2 Zimmern, Kabinett und Küche, 18 Wohnungen mit 3 Zimmern und Küche 207 Wohnungen mit 3 Zimmern, Kabinett und Küche, 223 größere Wohnungen. Außerdem waren 55 Wohnungen leer, somit die an sich eringfügige Menge von 1·06 %. Da diese Wohnungen chon edoch fast nur Einzelzimmer sind die vorübergehend durch die Entlassungen in der Waffenfabrik freigeworden waren, kann von wirklichen Leerstehungen nicht gesprochen werden und erhellt auch ieraus die furchtbare Wohnungsnot, die in Steyr herrscht. In den obenangeführten Wohnhäusern sind 949 Aborte nit Wasserspülung und 2205 Aborte ohne Wasserspülung vor¬ anden Da 316 der ersteren auf die Ennsleite entfallen, stellt sich das Verhältnis im alten Stadtgebiete wie 23:77, also vom esundheitlichen Standpunkte aus sehr ungünstig. Diese Ver¬ hältnisse werden sich aber zweifellos nach Einführung der allge¬ meinen Wasserleitung wesentlich bessern. Kehrichtgefäße wurden 1405 angemeldet. Die Kehricht¬ abfuhr, die bereits in der inneren Stadt und in Ennsdorf ein¬ geführt ist, wird auf das ganze enger verbaute Stadtgebiet aus¬ edehnt werden. Schließlich gestatte ich mir noch mitzuteilen, daß laut Er¬ lasses der k. k. Statthalterei die Forteinhebung der Lustbarkeits¬ steuer in Steyr im bisherigen Ausmaße bis Ende 1922 ge¬ ehmigt wurde Ich erlaube mir ferner mitzuteilen, daß es bisher ge¬ ungen war, die Kupfereindeckungen des Krankenhauses von der Beschlagnahme freizuhalten. Von der Militärverwaltung wurde doch diese Kupfereindeckung neuerlich angesprochen. Ich bin diesbezüglich wegen Freigabe der Eindeckung beim Kriegsmini¬ terium vorstellig geworden und habe in meiner Eingabe insbe¬ sondere darauf hingewiesen, daß die Abtragung des Kupferdaches eine empfindliche Störung des Krankenhausbetriebes hervorrufet müßte, da die Abnahme der Kupferdachung Lärm verursachen würde, welcher auf den Zustand der Kranken äußerst nachträg¬ ich wirken würde. Das Kriegsministerium hat jedoch geant¬ wortet, daß mit Rücksicht auf die erhöhte Munitionserzeugung on der Freigabe der genannten Kupferdachung keine Rede sein könne und das Kupferdach unbedingt abgeliefert werden müsse; es werde jedoch Sorge getragen werden, daß die Abtragung mit möglichster Vermeidung von Lärm erfolgen wird Weiters gestatte ich mir noch mitzuteilen, daß sich für die Gründung eines Theatervereines reges Interesse zeigt; es sind bis heute bereits 129 Beitrittsanmeldungen mit der Erklärung ur Zeichnung mindestens eines Anteilscheines eingelangt Ueber die seitens des Bischofes von Linz verfügte Auf¬ lassung von bestimmten Feiertagen hat sowohl in der Geschäfts¬ velt und bei den Behörden Unklarheit geherrscht, wie man sich zu dieser Verfügung zu verhalten habe. Ich habe mich diesbe¬ züglich an die k. k. Statthalterei gewendet und von dieser fol¬ gendes Schreiben erhalten An die Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr! Indem ich auf die zutreffenden Ausführungen der dies¬ ezüglichen Notiz in der „Tages=Post“ Nr. 91 vom 20. April 918, Seite 3, verweise, bemerke ich, daß für die Gewerbe¬ betriebe nach der Gewerbeordnung auch bisher keine Ruhe wie n Sonntagen, sondern lediglich die Ermöglichung des Besuche es Vormittagsgottesdienstes, der nunmehr wegfällt, vorge¬ chrieben war. Insoweit als bisher von den Arbeitsgebern ohne gesetzlichen Zwang die Feiertage als Ruhetage eingeräumt vären, werden sie wohl auch weiterhin diese Uebung beibehalten. — luch bei den politischen Behörden in Oberösterreich wird olange nicht etwa abändernde Weisungen des Ministeriums des Innern erfolgen — die dermalige Uebung, derzufolge an Vor¬ mittagen der Felertage allgemeiner Amtsbesuch stattfindet, die Nachmittage jedoch dienstfrei sind, beibehalten werden. Der k. k. Statthalter: Handel m. p. Ich bitte, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Der Gemeinderat nimmt diesen Bericht mit Befriedigung zur Kenntnis. Herr Vorsitzender: Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Mit Rücksicht auf das durch berufliche Verhinderung des Herrn Referenten Dr. Harant erst später mögliche Erscheinen desselben, stelle ich die Punkte der Tagesordnung der 1. Sektion zurück und ersuche Herrn G.=R. Bachmayr als Referenten für II. Sektion zu den Punkten der Tagesordnung derselben ie das Wort zu ergreifen.

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