Ratsprotokoll vom 25. Jänner 1918

2 Bezüglich Verpflegsartikeln kann ich mitteilen, daß ein Posten Fettschweine zur Abgabe gelangte. Auch konnten Seefische und Sauerkraut abgegeben werden. Dem Verlangen um Späterverlegung des Zuges Nr. 1130 wurde seitens der k. k. Staatsbahndirektion Rechnung getragen und dieser Zug auf 9 Uhr 20 Min. verlegt, so daß bis zur Einführung des neuen Kriegsfahrplanes eine Verbesse¬ rung des Anschlusses erreicht wurde. Die Staatsbahndirektion hat sich über Ersuchen der Stadtgemeinde bereit erklärt, das flaster beim Bahnhofe im Frühjahre ausbessern zu lassen und beim Eisenbahnministerium wegen Verlängerung dieses Pflasters bis zur Grenze des öffentlichen Straßengrundes vor¬ stellig zu werden. An die k k. Statthalterei wurde über Wunsch des Herrn G.=R. Prof. Erb eine Anfrage betreffs Verwendung der seiner¬ zeit erfolgten Sammlungen gerichtet Die Verhandlungen mit der k. k. Militärbauleitung wegen der Verbauung der hohen Ennsleite hatten günstigen Erfolg und steht zu erwarten, daß dieser Stadtteil künftighin ein recht hübsches Bild bieten wird. Für die Hofer=Stiftung, die heuer zum erstenmal zur Vergebung gelangte, hatten sich trotz Bekanntgabe in beiden iesigen Blättern merkwürdigerweise keine Bewerber gefunden so daß die aufgelaufenen Zinsen zum Kapitale geschlagen werden mußten Das 10 Millionen=Darlehen hat bereits die Ge¬ nehmigung des Landesausschusses gefunden und unterliegt nun noch der kaiserlichen Sanktion, um Gesetzeskraft zu erlangen Die Verhandlungen betreffend die Verpflegsgebühren dritter Klasse im allgemeinen Krankenhause in Steyr hatten in¬ oferne Erfolg, als dem Verlangen der Stadtgemeinde wohl nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, immerhin aber die Erhöhung doch in einem Ausmaße erfolgt, daß ein Großteil des Defizites gedeckt werden dürfte. Das Elektrizitätswerk hat am Eingange der Pfarr¬ gasse eine 2500 Kerzen starke Lampe in Betrieb gesetzt. Es sind nun im Einvernehmen mit der III. Sektion Verhandlungen im Zuge, auch dem Stadtplatze eine bessere Beleuchtung zu geben ohne daß die Kosten hiefür eine wesentliche Belastung des Ge¬ meindehaushaltes bedingen Schließlich gestatte ich mir noch mitzuteilen, daß ich sofort, nachdem Anzeichen einer bevorstehenden Kürzung der Mehl¬ menge zu verzeichnen waren, am 15. Jänner eine Eingabe an den Statthalter richtete, in welcher ich verlangte, von der Ein¬ ührung dieser Maßnahme absehen zu wollen. Ferner möchte ich, da ich später weggehen muß, die Herrer aufmerksam machen, daß ich Ihnen eine Anregung wegen Er¬ bauung eines neuen Stadttheaters auf den Tisch legen ließ Ich bitte, sich dieselbe anzusehen, da ich diesen Gegenstand in einer der nächsten Sitzungen auf die Tagesordnung setzen werde. Dieselbe lautet: Anregungen behufs Erbauung eines neuen Stadttheaters Das Stadttheater in Steyr entspricht keineswegs mehr den gerechten Anforderungen der Theaterbesucher. Sowohl seine Innenausstattung wie auch fast sämtliche sonstige Einrichtungen sind durchaus veraltet und ihr Gesamteindruck einer Stadt von der Größe Steyrs unwürdig. Insbesondere ist es aber der Theaterbau selbst, der in keiner Weise zeitgemäßen Ansprüchen genügt. Das dermalige Theater ist eben aus einer früheren Kirche entstanden, aus der unmöglich ein entsprechendes Schau¬ spielhaus zu machen ist Ein im vergangenen Jahre seitens der Stadtgemeinde ein¬ geholtes Gutachten eines Theaterbausachverständigen enthielt wohl einen Vorschlag und Pläne zu einem Ausbau des bestehenden Theaters, aber gerade dieser Aenderungsvorschlag bewies am besten, daß trotz Aufwendung beträchtlicher Mittel nichts Ordent¬ liches aus dem alten Bau gemacht werden könne. Um grundlegend Wandel in diesen auf die Dauer unhalt baren Verhältnissen zu schaffen, erübrigt nur, an einen voll tändigen Theaterneubau zu denken Zum Zwecke der Aufbringung der Mittel und der Durch¬ führung des Baues erscheint mir die Gründung eines Theater¬ vereines nach untenstehend ausgeführten Gesichtspunkten am ge ignetsten Der Theaterverein hätte die Mittel zum Baue durch Aus¬ gabe von Anteilscheinen zu beschaffen, die wohl unverzinslich, je¬ doch durch Auslosung einlösbar wären Eine Bausumme von 600.000 K angenommen, wären 6000 Anteilscheine zu je 100 K auszugeben, um es einem mög¬ ichst großen Teil der Bevölkerung möglich zu machen, sich durch Erwerbung von Anteilscheinen am Zustandekommen des neuer Theaters zu beteiligen Die Verlosung der Anteilscheine soll in dem der Eröffnung des neuen Theaters folgenden Jahre begonnen und sollen jedes Jahr 116 Anteilscheine zu je 100 K und 4 zu je 200 K ver¬ ost und eingelöst werden. Die höhere Einlösung von 4 Anteil¬ scheinen soll zu dem Zwecke erfolgen, um den Anteilscheinzeichnern ine wenn auch geringe Gewinnmöglichkeit zu sichern Zur Zeichnung von Anteilscheinen, deren Einzahlung wo¬ mnöglich sofort zu erfolgen hätte, könnte in erster Linie die Stadt¬ gemeinde selbst beitragen, indem sie das Geld, das sie sonst mit wenig Erfolg in das alte Theater stecken müßte, auf diese Weise verwendet. Sie könnte z. B. 1000 Anteilscheine ganz gut über¬ nehmen, da der Umbau des alten Theaters auch nicht viel weniger gekostet hätte Auch die Oesterr. Waffenfabriks=Gesellschaft, die gewiß ein Interesse hat, den nach Beendigung des Krieges zweifellos wieder eintreffenden Uebernahms=Kommissionen ein anständiges Theater zu bieten, sowie andere Industrie=Unternehmungen und Geld¬ nstitute kämen in Betracht. Der übrige Teil wird, da es sich hier nicht um bloße Spenden, sondern um rückzahlbare Anteile handelt, wohl aus den dem Theater günstig gegenüberstehenden Bevölkerungskreisen auf¬ gebracht werden können Ist hiedurch die nötige Bausumme gesichert, so hätte der Theaterverein die Erbauung und Einrichtung des Theaters durch¬ uführen, das er sodann der Stadtgemeinde als städtisches Theater übergibt, wogegen die Stadt die Einlösung der Anteile über¬ nimmt, die 12.400 K im Jahre also keinen unerschwinglichen Betrag erfordern würde. Da es in erster Linie darauf ankommt, ob die Stadt gemeinde in der Lage ist, auf Grund der vorstehenden Aus¬ ührungen die Einlösung der Anteile zu übernehmen und eine diesbezügliche Meinungsäußerung des Gemeinderates notwendig erscheint, beehre ich mich gelegentlich der Neuausschreibung bezw Vergebung des Stadttheaters diese meine Anregung den Herren Gemeinderäten mit der Bitte vorzulegen, die Ausführungen einer Durchsicht zu unterziehen und einer eingehenden Ueberlegung zu bürdigen Ich beabsichtige dann, die Angelegenheit in einer der nächsten Sitzungen des Gemeinderates zur Sprache zu bringen. Steyr, am 21. Jänner 1918. Julius Gschaider, Bürgermeister. Weiters werden die Herren den Versorgungs=Tätigkeits bericht der Stadtgemeinde über das Jahr 1917 vorgefunden haben derselbe lautet: Wie in den vergangenen Jahren bildete auch im ver¬ flossenen die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ine Hauptsorge der Stadtgemeinde. Stets größer wurden die Schwierigkeiten, immer weniger konnte aus Eigenem im freien Einkaufe beschafft werden, da mehr und mehr Artikel in die taatliche Bewirtschaftung übergingen. Dieser Umstand hatte einesteils eine stets sich steigernde Arbeitslast der Gemeinde zur Folge, da die Einteilung und die Uleberwachung durch ausgegebene Karten sich fortwährend ver¬ nehrte, andererseits bedurfte es vieler Vorsprachen und Be¬ hwerden bei den vorgesetzten Behörden, um dasjenige zu er langen, was der Stadt gebührte Ganz besonders schwierig war es, über die böseste Zeit, die Monate Mai, Juni und Juli hinwegzukommen, da sich da¬ mals Nahrungsmittel aus dem Vorjahre nur mehr in sehr be¬ chränktem Maße beschaffen ließen, wogegen die Ergebnisse des neuen Jahres noch nicht erhältlich waren. Dies hatte natur¬ jemäß große Entbehrungen für die Bevölkerung zur Folge, weßhalb sich in dieser manchmal großer Mißmut regte, der sich n Vorsprachen größerer Gruppen sowie auch in Versammlungen Luft machte. Es war für die Stadtgemeinde sehr betrübend, die erechtfertigten Klagen anhören zu müssen, ohne trotz größter Anstrengung in der Lage zu sein, grundlegend Wandel zu schaffen. Der befriedigende Ausfall der Ernte, besonders aber das im Herbste massenhaft vorhandene Obst brachte dann wesent¬ liche Besserung in die Verpflegsverhältnisse. Selbstredend ließ eshalb die Versorgungstätigkeit der Stadtgemeinde nicht nach ondern war diese nach wie vor bestrebt, die Lebensmittel¬ eschaffung auf einen möglichst guten Stand zu erhalten Die Versorgung mit Brot und Mehl war im Allge neinen nicht unbefriedigend. Sowohl was Regelmäßigkeit der Anlieferung, als auch Güte der Ware betraf, machte sich ein wohltätiger Unterschied gegenüber den Vorjahren bemerkbar. Sehr drückend wirkte naturgemäß die in den schwierigsten Mo¬ aten erfolgte Herabsetzung der Mehlmenge auf die Hälfte, die gerade in einem Zeitpunkte erfolgte, als Mangel an anderen Lebensmitteln einzutreten begann und die infolge des gänz¬ lichen Fehlens der Kartoffel doppelt fühlbar war Dagegen war die Anlieferung von Hülsenfrüchten nd Reis fast vollkommen eingestellt. Nicht einmal einiger¬ maßen ins Gewicht fallende Mengen von Hirse konnten beschafft verden Die Fettversorgung bewegte sich nach wie vor in bescheidensten Grenzen. Insbesonders war die Frage der Butter¬ versorgung ein steter Kampf mit dem Landeswirtschaftsamte und es bedurfte vieler Beschwerden und Vorsprachen, um eine einiger¬ naßen gleichmäßige Beteilung zu erlangen, wie auch die Be¬ chaffenheit der Ware vielfach Anlaß zu Klagen bot Die Versorgung von Fleisch bot gleichfalls öfters groß Schwierigkeiten. Gerade zur Zeit des größten Mangels war die Viehanlieferung am ungenügendsten und schwankendsten, so daß die Stadtgemeinde, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung erbeizuführen und das bis zur Unerträglichkeit angewachsen Unstellen möglichst hintanzuhalten, genötigt war, für die Wirte Bezugsscheine und für die Haushalte eine Art Fleischkarte sowi die Kundenrayonierung einzuführen. Diese Einrichtung wurde uch später beibehalten und hat sich bei nachheriger besserer Anlieferung auch recht gut bewährt, so daß in den letzten Mo¬ taten keine Klagen mehr vorkamen

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