Ratsprotokoll vom 16. November 1917

2 tokolle vom 3. November l. J. niedergelegt, welche im all¬ meinen dahin gehen, daß sämtliche die Errichtung der ge¬ lanten Handelsschule befürworten und das Versprechen ab¬ gaben, in ihren Kreisen für die Errichtung und Ausgestaltung ieses Unternehmens nach Kräften beitragen zu wollen. herr Professor Erb hat in dankenswerter Weise be¬ reits im Unterrichts=Ministerium die entsprechenden Schritte getan und in Erfahrung gebracht, welche Bedingungen an die Gründung eines solchen Unternehmens gebunden sind. Uebrigens wird Herr Professor Erb auch späterhin Gelegen¬ heit haben, seine Erfahrungen dem Gemeinderate zur Ver ügung zu stellen. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß ielleicht schon früher Herr Oberrealschul=Direktor Glas ähn¬ liche Anregungen gegeben hat, wie sie Herr Vizebürger¬ meister Gründler in seinem Antrage formulierte und deckt sich der Gedankengang des Herrn Direktors Glas vollständig nit dem des Herrn Antragstellers. Auch Herr Direktor Glas hat sich bereit erklärt, seine reichen Erfahrungen als Schulmann zur Verfügung zu stellen In den letzten Tagen ist von Herr Lyzealdirektor Pillewizer eine direkte Aeußerung eingelangt, in welcher der Gedanke geltend gemacht wird, daß sich die Errichtung der Handelsschule in der Ausdehnung, daß dieselbe auch für Mädchen errichtet werde, nicht empfehlen dürfte und angeregt wird, daß statt der Mädchenhandelsschule eine Haushaltungsschule in Steyr errichtet werden möge Obwohl es sich nicht in Abrede stellen lassen wird, daß der Standpunkt des Herrn Lyzealdirektors etwas für sich hat, glauben die vereinigten Sektionen doch, daß es nicht raktisch wäre, von dem Gedanken, den der Herr Vize¬ bürgermeister Gründler in seinem Antrage niedergelegt hat, Umgang zu nehmen. Die Schaffung einer Haushaltungsschule dürfte be¬ onders jetzt während der Kriegszeit besonderen Schwierig¬ keiten unterliegen. Wenn vielleicht daran gedacht würde, daß dem Mädchenlyzeum durch diese neue Handelsschule Eintrag getan wird, so muß wohl in Erwägung gezogen werden, daß die Lehrziele dieser genannten Schulen weit auseinander liegen und die Lehrziele des Mädchenlyzeums wohl in keiner Weise beeinträchtigt werden können. Privathandels Es bestehen in Steyr wohl einige urse; anderseits ist es aber wünschenswert, daß Mädchen, sich dem Kontordienst widmen wollen, einen mehr die wirklichen fundamentalen Unterricht mitmachen können als einen bloßen Handelskurs Nachdem ich Ihnen dies vorausgeschickt habe, bringe ich den Sektionsantrag zur Verlesung: „Der Gemeinderat beschließe grundsätzlich die Errich¬ lung einer städtischen Handelsschule für Knaben und Mäd¬ hen. Es sei ein Kuratorium zu bestellen, welches mit der Durchführung der Vorarbeiten betraut wird und sohir dem Gemeinderat zur Beschlußfassung Bericht zu erstatten haben wird. In das Kuratorium seien zu entsenden: die Herren ürgermeister Gschaider, Vizebürgermeister Gründler, Ge¬ meinderäte Aigner, Binderberger, Bachmayr, Prof. Erb, Ing. Huber, Franz Kirchberger; die Herren Oberrealschul¬ Direktor Glas, Handelskammerräte kaiserl. Rat Seidl, Sommerhuber, Gremialvorstand Wohlfahrtsberger, kaiser¬ licher Rat Josef Reithoffer und zwei Vertreter der öster¬ reichischen Waffenfabriks=Gesellsthaft, die von dieser zu iominieren wären.“ Herr Vizebürgermeister Gründler: Meine Herren! Wie Sie gehört haben, wurde von mir in der Juli=Sitzung des Gemeinderates ein Antrag auf Errichtung einer Handelsschule für Knaben und Mädchen in Steyr einge¬ bracht. Diese für Steyr so wichtige Schulfrage beschäftigt heute den Gemeinderat. Ich glaube die Wichtigkeit des Antrages nicht ausführlich begründen zu müssen, sondern mich kurz fassen zu können, um so mehr, als der Herr Reserent die Notwendigkeit und Bedeutung ausführlich be tont hat, und weil ich annehme, daß der löbliche Gemeinde at von dem Werte und der Notwendigkeit der Errichtung einer solchen Schule in unserer Stadt voll und ganz über¬ ist zeug Wie ich bereits in meinem Antrage selbst sagte, lieg demselben die Zunahme unserer Einwohnerzahl und die Erweiterung der Stadt zugrunde, so daß es zur Pflicht wird, im Gemeinderate für die Ausgestaltung unseres Schulwesens Sorge zu tragen. Wenn ich von der Aus gestaltung des Schulwesens gesprochen habe, so habe ich wohl in erster Linie die Errichtung einer Handelsschule für Knaben und Mädchen ins Auge gefaßt, einer Handelsschule wie sie bereits in vielen größeren und kleineren Städter estehen. Es soll der männlichen und weiblichen Jugend welche Lust und Liebe für den kommerziellen Dienst hat, Gelegenheit gegeben werden, sich vollkommen kaufmännisch auszubilden, was heutzutage selbst für kleinere Betriebe notwendig ist, um vorwärts zu kommen. Gerade aber in Steyr erscheint mir die Errichtun einer solchen Handelsschule besonders wichtig, da hier zu Betätigung in kommerziellen Betrieben ein günstiger Boden ist. Wir haben hier die große Waffenfabrik, die Reithoffer¬ schen Gummiwerke, zahlreiche andere industrielle Unter iehmungen, Aemter, Anstalten, Banken und Sparkassen, in deren Kontors eine Reihe von Hilfskräften beschäftigt werden, und wird es auch diesen Anstalten und Instituten vom Vorteile sein, wirklich kommerziell vorgebildete Hilfskräfte zur Verfügung zu erhalten. Ebenso wird es die Handels¬ velt und der Gewerbestand auf das lebhafteste begrüßen, wenn diesen durch die Gründung dieser Handelsschule ein durchwegs gut ausgebildeten Nachwuchs gesichert und dem lebelstande abgeholfen wird, der besonders in der letzten Zeit in dem Mangel an dem wirklichen Wissen und Können ausgestatteten Hilfskräften schwer empfunden wurde. Aber nicht bloß vom Standpunkte des Arbeitgebers allein ist die Errichtung einer Handelsschule auf das lebhafteste zu be¬ rüßen. Die Gründung der Handelsschule liegt auch ganz besonders im Interesse der heranwachsenden Jugend selbst, die sich sodann speziellen Berufsfächern in vollkommener Ausbildung wiomen kann. Es wird in kurzer Zeit und mit verhältnismäßig geringen finanziellen Opfern möglich sein, eine ganze Reihe von jungen Leuten der kommerziellen Laufbahn zuzuführen, einer Laufbahn, die gewiß keine schlechtere Aussichten hat, als viele jener überfüllten Be¬ rufe, die erst nach Absolvierung der Mittel= oder gar der hochschule dem jungen Manne eine Lebensstellung und bringen. Brot Die Errichtung dieser Handelsschule liegt somit im allgemeinen Interesse und ich begrüße den Antrag der I. und IV. Sektion dahin gehend, daß die Gemeinde die Errichtung der Handelsschule selbst in die Hand nimmt, und ich hoffe, daß alle Interessenten diesen Schritt tatkräftigst unterstützen und insbesondere in inanzieller Hinsicht ördern werden. Ich hoffe, daß die Vorarbeiten recht bald m günstigen Sinne durchgeführt werden, um schon im nächsten September des Jahres 1918 die geplante Schule eröffnen zu können. Ich bitte um die einstimmige Annahme des Sektionsantrages. Herr GR. Tribrunner: Wenn sich der Antrag ausschließlich damit beschäftigte, nur für Knaben eine Handelsschule zu errichten, so hätte ich diesem Antrage zu¬ gestimmt. Nun muß ich aber schon sagen, daß die Be¬ enken des Herrn Lyzealdirekors gewiß stichhältig sind, und zwar schon deshalb, weil wir zurzeit die Erfahrung machen, daß die gegenwärtigen Privathandelsschulen eine derartige Ueberfüllung an weiblichen Hilfskräften geschaffen aben, daß schon jetzt alle Stellen von Mädchen besetzt sind und es sehr zu befürchten steht, daß männliche Hilfskräfte iberhaupt keine Posten mehr bekommen können, weil die weiblichen Hilfskräfte auch billiger sind. In dieser Hinsicht besteht weiter die Gefahr, daß die aus dem Felde zurück¬ kehrenden Kanzleikräfte wegen Ueberflutung aller kauf¬ nännischen Betriebe und Aemter mit weiblichen Kräften, eine Posten erhalten können. Anderseits ist aber auch die kostenfrage zu bedenken, welche sich durchaus nicht so billig tellt, da zwei Lehrkräfte, die nur für ihre Spezialfächen verwendet werden können, zu bestellen sind und die Aus¬ aben hiefür durch die Einhebung von Schulgeld nicht ge¬ eckt werden könnten, so daß bedeutende Kosten erwachsen würden. Es würde sich empfehlen, von der Handelsschule ür Mädchen abzusehen und anderseits die schon längst ge¬ lante Errichtung einer Haushaltungsschule ins Leben zu rufen. Anderseits ließe sich dem Antrage des Herrn Vize¬ bürgermeisters dadurch Rechnung tragen, ddaß man die heute bestehende Gremialschule zu dem Zwecke erweitert, a auch mit der Lokalfrage für die neue Handelsschule zu rechnen wäre und vielleicht in absehbarer Zeit die Er¬ bauung eines eigenen Gebäudes notwendig würde. Als as Bedenklichste halte ich aber, daß durch die Errichtung einer Mädchenhandelsschule den aus dem Felde Heim¬ kehrenden jeder Posten und Verdienst weggenommen würde herr GR. Prof. Erb: Die Bedenken des Herrn Ge¬ neinderates Tribrunner kann ich nicht teilen. Wenn er von einer Ueberflutung von Arbeitskräften spricht, so ist diese leberflutung nur scheinbar vorhanden. Man darf nur an das Wörtchen „brauchbar“ denken. Ich möchte dem Ge¬ neinderate alle jene vorführen, die sich um Stellung be¬ werben und Sie werden bei Prüfung sehen, wie wenig ut verwendbar sind; davon wird Ihnen der Herr Bürger¬ neister am besten erzählen können Was soll an einer Handelsschule außer den Fächern elernt werden: ordentlich Deutsch schreiben und fremden ind eigenen Gedanken entsprechend Ausdruck geben können. Leider ist es wahr, daß die Schulbildung unserer heutigen Jugend infolge der Kriegsverhältnisse ungemein inkt. Die Schulen sind zum Teile gesperrt; wir haben eider Gottes oft nur Halbtagsunterricht. Die Vollkraft nserer Lehrer ist im Felde und infolge der miserablen, Zahlung schandbaren (man entschuldige den Ausdruck) welche die Lehrerschaft heute noch bezieht, gibt es auch licht gerode eine Auslese von für den Lehrberuf fähigen euten. Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Da¬ er mangelt schon die erste Vorbildung. Eine Handelsschule hat auf Grund des ordentlichen Unterrichtes für die einzelnen gewerblichen und kaufmänni¬ chen Berufe verwendbare tüchtige Kräfte heranzuziehen. Damit lassen sich Privathandelskurse gar nicht vergleichen. Die zweiklassige Handelsschule ist eine Tagesschule und ein Privathandelskurs ist nur ein Abendkurs, der bloß ein halbes oder drei Vierteljahre dauert. Bei der geringen Stundenzahl in den Privatkursen und mit Lehrern, die

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