Ratsprotokoll vom 4. September 1917

4 St. Peter, Haidershofen, Behamberg, Kürnberg einbezogen wer¬ den müßten, welche Orte aber sogar in einem anderen Kron¬ lande liegen. Die Hauptsache ist für uns, daß uns aus den uns zugewiesenen Viehanlieferungsbezirken Steyr Land und Kirchdorf kein Vieh mehr an andere Orte ausgeführt wird. Der Wunsch des Herrn Gemeinderates Haidenthaller kann selbstverständlich ns Protokoll ausgenommen werden. Der Herr Bürgermeister leitet nunmehr über den Dringlichkeitsantrag die Abstimmung ein und ergibt dieselbe die einstimmige Annahme desselben. Herr Bürgermeister: Seitens des Herrn Gemeinde¬ rates Wokral wurde mir folgender Dringlichkeits=Antrag überreicht: Dringlichkeits=Antrag des Gemeinderates Josef Wokral betressend die mangelhafte Versorgung von Holz und Kohle der Stadt Steyr Die für die Stadt Steyr bestimmten Holz= und Kohlen¬ mengen reichen voraussichtlich weitaus nicht hin, um den dringen¬ den Bedarf unserer Bevölkerung für den bevorstehenden Winter zu decken. Die Statthalterei sah sich deshalb vor längerer Zeit ge¬ zwungen, eine Regelung und Zuweisung von Holz für die Stadt Steyr durchzuführen, wozu insbesondere das Holz aus der Lam¬ berg'schen Herrschaft in Betracht käme Als nun das Holz aus den Nachbargemeinden nach Steyr gebracht werden sollte, wurde dies von den betreffenden Gemeinde¬ Vorstehungen dadurch vereitelt, indem sie erklärten, das Holz in ihrer Gemeinde mit Beschlag zu belegen. Dieser unglaubliche Vorgang wurde seitens der Bezirks¬ hauptmannschaft nicht nur geduldet, sondern ihm sogar zugestimmt. Nachdem wir nicht wissen, wer hier eigentlich die maßgebenden Anordnungen zu treffen hat, ob Gemeinde=Vorstehung, Bezirks¬ hauptmannschaft oder Statthalterei, so beschließe der Gemeinderat: Die k. k. Statthalterei wird ersucht, in dieser Holzversor¬ gungsangelegenheit der Stadt Steyr baldigst Ordnung zu schaffen und dafür zu sorgen, daß die Bevölkerung der Stadt Steyr jene Holzmengen erhält, welche die Statthalterei für sie bestimmt hat, ind daß aus dieser Holzmenge nicht andere nähere oder fernere Gemeinden sich versorgen. die Statthalterei wird weiters ersucht, dem vollständig ungesetzlichen Vorgehen der Landgemeinden unter Duldung der Bezirkshauptmannschaften das für die Lieferung an die Stadt Steyr nötige Holz in Beschlag zu nehmen, sofort energisch ent egenzutreten und diesen unerhörten Anmaßungen ein jähes zu bereiten. Ende Steyr, am 4. September 1917. Josef Wokral. Der Antrag ist von einer genügenden Anzahl Gemeinde¬ räte unterzeichnet; ich erteile Herrn G.=R. Wokral zur Begrün¬ dung der Dringlichkeit des Antrages das Wort Herr G.=R. Wokral: Zur Begründung der Dring¬ lichlei glaube ich weiter nichts anführen zu müssen, als daß wir ereits dem Zeitpunkte der kälteren Jahreszeit so nahe gerückt ind, daß es als dringend bezeichnet werden muß, für Be¬ heizungsmaterial vorzusorgen Herr Bürgermeister läßt über die Dringlichkeit des Antrages abstimmen und ergibt dieselbe die einstimmige Annahme desselben Herr Bürgermeister: Ich erteile Herrn Gemeinderat Wokral zum Antrage selbst das Wort Herr G.=R. Wokral Sehr geehrter Gemeinderat! Vor längerer Zeit ist bereits an die Stadtgemeinde=Vorstehung die Aufforderung gerichtet worden, sie möge bekannt geben, wie groß der Bedarf an Brenn¬ material sein wird. Diese Aufforderung ist deshalb ergangen, nachdem sich das Ministerium damit beschäftigt, für den Kohlen bezug Vorsorge zu tieffen. Bei dieser Gelegenheit ist auch er¬ hoben worden, wie groß der Bedarf von Holz sein wird. Die Statthalterei hat uns nun einen Holzbedarf von 30.000 Rm zu¬ gebilligt und ist der Auftrag ergangen, daß das für Steyr be¬ nötigte Holz beschlagnahmt werde. Ich möchte gleich darauf verweisen, daß bei der Berech¬ nung der für Steyr benötigten Holzmengen eine ganz eigen¬ artige Grundlage angenommen wurde, indem nur eine Ein¬ wohnerzahl von 16.473 Personen angenommen wurde, während doch die Einwohnerzahl nunmehr 31 000 Personen erreicht hat Man sollte doch von einer amtlichen verantwortlichen Stelle, wie die Statthalterei ist, meinen, daß doch nicht Zissern angenommen werden, die vor einem Jahrzehm Geltung gehabt haben mochten. Sie muß doch auch aus anderen Anlässen wissen, und zwar z. B. aus Anlaß der Aufnahme für den Mehl= und Brotbedarf, wie viel Einwohner Steyr zur Zeit hat Ich bin der Auffassung, daß diese uns zugebilligte Holz¬ für die ganze Heizperiode des Winters nicht genügen meng wird außerdem besteht die Gefahr, daß das Holz nicht zuge¬ verden kann, da die Fuhrweiksbesitzer erklären, daß sie bracht einerseits keine Führleute haben und andererseits die Pferd durch den anhaltenden Futtermangel so geschwächt seien, daß nur Teile des zugebilligten Holzes hereingebracht werden können Allerdings wird auch minelst Flössen Holz durchgeführt und man hat sich dieserhalb an große Firmen gewendet, um zu rreichen, daß auch Brennholz mitgeslößt werden könnte; da hat es jedoch geheißen, daß die Studigemeinde Flösser zu diesem Zwecke zur Verfügung stellen müß'e, was aber der Stadtgemeinde nicht möglich ist, weil die hiezu tauglichen Leute eingerückt und eine Enthebung für diese Zwecke nicht erreicht werden kann. Vielleicht soll aber doch noch ein Schritt für die Enthebung unternommen werden Weiters möchte ich aufmerksam machen, daß eine Verord¬ lung der Statthalterei besteht, nach der die Bauern verhalten werden könnten, die Holzfuhren zu leisten. Auf diese Verordnung oll nun, bevor uns der Winter überrascht, zurückgegriffen werden Das größte Uebel aber, welches die Einbringung des gegen¬ ständlichen Dringlichkeitsantrages veranlaßt hat, ist dies, daß der nun zu schildernde unglaubliche Zustand eingerissen hat, dem mit aller Kraft entgegengetreten werden muß Wir haben am Papier die Zusicherung, das für die Stadt Steyr 30.000 Rm bewilligt und auch beschlagnahmt sind. Trotz er Beschlagnahme sind aber bereits Ausfuhren von diesem Holz nach Linz und nach Kleinmünchen in ziemlich bedeutenden Mengen erfolgt. Wenn wir auch wünschen, daß Linz ebenso mit Holz versorgt wird, so müssen wir uns doch wehren, daß das für uns bestimmte Holz bei uns vorbeigeführt wird Unsere Bäcker und Wirte sind ebenfalls mit Holz noch nicht versorgt Es ist also notwendig, daß diesem Zustande entgegen¬ getreten werden muß, weil uns doch das Hemd näher liegt als er Rock Zu diesem Zustande kommt aber noch einer, der noch weit gefährlicher ist; derselbe besteht darin: Die gräflich Lambergsche Güterdirektion hat bereits den Auftrag erhalten, das von ihr bereits geschlägerte Holz an die Stadt Steyr abzuliefern. Auf¬ tragsgemäß kommt der Förster zum Lagerplatz, um den Ab¬ transport für die Stadt zu veranlassen. Da erscheint der Bürger¬ meister der Gemeinde, in deren Gebiet das für Steyr beschlag¬ nahmte Holz liegt, und erklärt, das Holz sei hiemit von ihm beschlagnahmt. Dieser unglaubliche Vorgang ist sowohl in der Gemeinde St. Ulrich wie auch in Grünburg zugetroffen. Wer ist nun eigentlich derjenige, welcher anordnet? Wer at hiefür die Verantwortung zu tragen? Die Statthalterei weist zu, sie gibt den Auftrag, das für Steyr bestimmte Holz uzuführen und der — Kollege Klement nannte ihn Dorf¬ chulzen — Gemeindevorsteher kümmert sich um niemanden, ondern spricht ganz einfach die Beschlagnahme aus. Wenn dies so weiter geht, treiben wir einer Anarchie entgegen. Entweder es gilt das, was die Statthalterei anordnet, dann darf sie es icht dulden, daß untergeordnete Organe ihre Aufträge eigen¬ mächtig ändern. Die Bezirkshauptmannschaft aber, die doch eben alls der Statthalterei untergeordnet ist, hat aber gar die Be¬ chlagnahme des Gemeindevorstehers bestätigt und gutgeheißen. Gefährlich ist dieser Zustand deshalb, weil sich schließlich niemand mehr um Anordnungen zu kümmern braucht und macht das man will. Nimmst Dir was, so hast Du was! Das ist sicher ein gefährlicher Standpunkt, wenn er von der Behörde geduldet wird. Auch die Bevölkerung wird den Anordnungen sicht mehr so willig gegenüberstehen und zur Auffassung kommen, daß jeder für sich sorgen muß, damit er was erhält. Dann nützt es nichts, wenn das Gesetz gepredigt wird, wenn der gesetz¬ iche Weg nicht von den Amtsorganen gegangen wird; dann nützt es nichts, die Massen zu zwingen, wenn solcher Anschau¬ ungsunterricht über den Wert von Anordnungen erteilt wird. Ich möchte daher bitten, dem Dringlichkeitsantrage zuzu¬ timmen, damit endlich Ordnung geschaffen wird und die Statt¬ alterei zu Bewußtsein komme, welchen Weg sie geht und welchen Ziele sie zustrebt, nämlich dem, daß die für Steyr bestimmten 30.000 Rm Holz trotz ihrer Anordnung verschwinden Wenn nicht rasch Abhilfe geschieht, bricht die Katastrophe unvermeidlich herein; dann ist es zu befürchten, daß Dinge sich reignen, die besser vermieden werden. An solchen Ereignissen aben wir aber kein Interesse. Wir wollen daher unsere warnende Stimme erheben, damit seitens der kompetenten Stellen alles arangesetzt wird, daß diesem Treiben ein rasches und dauern¬ es Ende bereitet wird Herr G.=R. Prof. Erb: Dieses von Herrn G.=R. Wokral eben geschilderte Vorgehen hat Steyr ohnehin schon schwer ge¬ schädigt. Jeder Tag der Verzögerung in der Zubringung des Holzes bedeutet für uns einen großen Verlust. Interessant ist aber die Tatsache, daß in der Presse fol¬ endes zu lesen ist: Vom Amte für Volksernährung wird ver¬ lautbart: Es mehren sich die Klagen, daß sich nicht nur ganz kronländer gegeneinander absperren, sondern auch ganze politische Bezirke ihre Grenzen verschlossen halten usw. Im dem entgegenzuwirken, hebt das Amt für Volksernäh¬ rung alle von den betreffenden politischen Behörden eigenmächtig getroffenen Maßnahmen auf. Wie mag es in unserem lieben Oesterreich zugehen, wenn sich das Volksernährungsamt gezwungen sieht, den politischen Behörden einmal in den Kamm zu fahren. Diese Sperrmaßnahmen seitens politischer Bezirksbehörden hatten aber schon zu Beginn des Krieges stattgefunden. Mit der Gründung der Zentralstelle in Wien ist es dann besser geworden kun kommt die Geschichte von neuem. Ich bitte, das sind doch Vorkommnisse, die zu bezeichnen Worte fehlen. Man sieht keinen Menschen in Oesterreich, der hier mit scharfer Hand Ordnung chafft, damit die Sache einheitlich geleitet wird. Wir in Steyl haben das unangenehme Vorgehen, daß wir uns gegen die Be¬ zirkshauptmannschaft Steyr wenden müssen; ein andermal wieder gegen die Bezirkshauptmannschaft Amstetten, weil man uns die

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