Ratsprotokoll vom 24. Juli 1917

2 Euer Exzellenz sind ja die Schwierigkeiten der Ver¬ orgung der Stadt Steyr durch mehrfache Vorsprachen ab¬ geordneter Faktoren ohnehin bekannt. Am schlimmsten steht es mit der Versorgung an Fleisch, Kartoffeln, Eiern und Milch. Als dringlichst erweisen ich: 1. Die Lieferung von besserem und schwererem Vieh, ein erhöhtes Kontingent von Kälbern, Schafen und Schweinen; 2. die unbedingte Sicherstellung der Kartoffel, wiesie nachstehend ausgeführt wird; eine Zuweisung von Eiern; 4. eine bedeutende Mehraufbringung von Milch, und 5. eine volle Menge Mehl Ich bitte nochmals dringendst die den Tatsachen ent¬ prechenden Vorschläge einer wohlwollenden Prüfung zu unterziehen und die darin gestellten Bitten im Interesse der Versorgung Steyrs erfüllen zu wollen Fleisch Um eine gleichmäßige Verteilung des Fleisches zu erwirken und die Unzukömmlichkeiten, die sich in letzter Zeit gezeigt haben, zu verhindern, hat die Stadtgemeinde einen Fleischbezugschein eingeführt, durch den die Fleischverteilung derart geregelt wird, daß auf jeden Kopf 20 Dekagramm am Tage entfallen. Eine weitere Verminderung wäre unzulässig, da in der in städtischer Fleischversorgung stehenden Bevölkerung eine große Menge von Haushaltungen der Waffenfabriks¬ irbeiter sich befindet und die Waffenfabrik für ihre in un¬ mittelbarer Versorgung Stehenden 30 Dekagramm für den Kopf und Tag rechnet Die Erreichbarkeit durch die Rayonierung wird jedoch ls zweifelhaft angesehen, weil die bisherige monatliche Anlieferung von 400 Stück Schlachtvieh zur Deckung dieses Fleischbedarses nicht ausreichen wird Es wird daher die nachdrücklichste Forderung gestellt, daß entweder eine entsprechende Schlachtviehzuweisung aus anderen Ländern, namentlich Böhmen und Niederösterreich, erfolgt, oder daß die politischen Bezirke Steyr=Land und Kirchdorf von einer anderweitigen Lieferung ausgenommen werden und dazu noch die Lieferungen aus den Beständen der niederösterreichischen Gerichtsbezirke Haag und Sankt Peter herangezogen werden Die Erhöhung des bisherigen Fleischviehkontingentes sollte um 160 Stück Schlachtvieh erfolgen, das ist für die ädtische Bevölkerung exklusive Kantinenbetrieb der Waffenfabrik; desgleichen ist die Erhöhung der bisherigen Kälberanlieferung auf 500 Stück pro Monat unbedingt er¬ forderlich Besonders wird auf die allzu starke Inanspruchnahme Oberösterreichs bei der Schlachtviehaufbringung hingewiesen, so daß dieses Land zu einer erhöhten Aufbringung nicht mehr verhalten werden kann. Es wird als äußerst wünschenswert betrachtet, daß die Fleischfrage nicht eine länderweise, sondern eine durch¬ greifende, auf das allgemeine Reich sich erstreckende Re¬ gelung in der Weise erfahre, daß die Fleischkarte eingeführt wird s wird darauf hingewiesen, daß in Niederösterreich keine Höchstpreise bestehen, was zur Folge habe, daß Schlachtvieh in dieses Land, welches überdies viel zu un¬ genügend exploitiert wird, abfließt. Es besteht ganz zu Unrecht ein Ausfuhrverbot auf Schlachtvieh aus Niederösterreich nach Oberösterreich, ein Verbot, welches vielfach im Schmuggelwege übertreten wird, was am deutlichsten den relativen Ueberfluß Niederöster¬ reichs an Schlachtvieh gegenüber Oberösterreich illustriert. Bei den Anlieferungen wäre aber auch Rücksicht zu nehmen, daß schwereres Vieh als bisher angeliefert wird, de die letzten Anlieferungen derart minderwertige Viehgat¬ tungen ergaben, daß auch mit der vorstehend erhöhten An¬ lieferung das Auslangen nicht gefunden werden könnte. Ferner wäre unbedingt darauf zu sehen, daß die not¬ wendigen Schlachtviehmengen regelmäßig zur Ver¬ ügung gestellt werden, damit die äußerst unangenehme isher gepflogene Art vermieden wird, daß die Anlie¬ erungen stets verkürzt und verspätet erfolgen und Woche ür Woche die Stadtgemeindevorstehung gezwungen ist, bei allen möglichen Stellen anstrengende, persönliche, tele¬ phonische und telegraphische Vorstellungen zu machen, um ndlich halbwegs ihren Schlachtviehbedarf zu erhalten. Kartoffel. Frühkartoffel wurden bisher nach Steyr noch gar keine geliefert, obwohl dieselben zur Ernährung der Be¬ völkerung von äußerster Wichtigkeit wären. Es wären unbedingt sofort wenigstens 30 Waggons hieherzugeben Die Herbst= und Winterversorgung an Kartoffeln ist noch keineswegs gesichert und steht der Stadtgemeinde Steyr noch nicht 1 Kilogramm im Herbste anzuliefernder Karloffeln in Aussicht. Die unbedingt notwendige Menge beträgt 540 Wag¬ gons einschließlich der Waffenfabrik, von denen ¾ vor Ein¬ tritt des Frostwetters und ½ im Frühjahre zu liefern wäre. diese Lieferungen müßten aber unbedingt gesichert werden Es darf nicht vorkommen, daß, wie vor zwei Jahren die Frühjahrsversorgung vollständig versagte oder wie im Vorjahre so wenig Kartoffeln geliefert wurden, daß trotz sparsamster Haushaltung die Kartoffelvorräte nur bis Mitte November reichten, so daß die Bevölkerung Steyrs bis nun urch sieben Monate vollständig ohne Kartoffeln war, ein Umstand, der eine förmliche Katastrophe in der Versorgung bedeutet. Wir bitten deshalb dringendst, uns diese verlangten 540 Waggons zuzuweisen Die Stadtgemeinde Steyr hat einen Monatsbedarf an Kartoffeln von 21 Waggons bei Zugrundelegung einer Kopf¬ quote von 60 Kilogramm jährlich, ohne Waffenfabrik, wobei zu erwähnen ist, daß mehrere tausend Waffenfabrikarbeiter durch ihre Verköstigung in den Gasthäusern in städtischer Verpflegung stehen Verschiedene Bemühungen, Verträge mit Besitzern wecks Kartoffellieferung abzuschließen, scheiterten; ebenso chlug ein Versuch, welcher in der jüngsten Zeit unter¬ iommen wurde, von der Deutschen Wirtschafts=Zentrale in Prag Kartoffel zu erhalten, fehl, da diese nicht in der Lage st, Kartoffel zu liefern. m Hinblicke auf die vom Amte für Volksernährung etroffene Bestimmung, daß im Falle des Abschlusses von ieferungsverträgen durch die Stadtgemeinde der Abschluß lcher Verträge durch Unternehmungen im Gemeinde jebiete ausgeschlossen ist, verlangt die Gemeinde ein ge¬ neinsames Vorgehen mit der Waffenfabrik, bei eventuellem Abschluß eines solchen Vertrages Nachdem es jedoch voraussichtlich und nach den ge¬ nachten Erfahrungen weder der Stadtgemeinde noch der Waffenfabrik möglich sein wird, überhaupt zu derartigen Abschlüssen zu kommen, wird das Ernährungsamt dringendst rsucht, die entsprechende Menge von Kartoffeln für die Stadtgemeinde einschließlich der Waffenfabrik unmittelbar zuzuweisen. Die Lieferung müßte, wie erwähnt, zu ¾ vor Eintritt des Frostwetters und zu ½ im Frühjahre erfolgen. Milch Die Milchanlieferung nach Steyr ist leider im steten bedenklichen Rückgange begriffen, was umso schwerer empfunden wird, als die Bevölkerungszahl stetig steigt Die Bezirke Steyr=Land und Kirchdorf sind einfach nicht mehr in der Lage, außer der Versorgung Steyrs auch noch Vieh für das Militär und für die Stadt Wien zu iefer Es ist unbedingt notwendig, die Viehlieferungen aus den beiden genannten Bezirken auf deren Eigenbedar und den Bedarf der Stadt Steyr zu beschränken; aber auch ann wird die für Steyr entfallende Milchmenge noch zu ering heute schon werden von auswärts täglich beiläufig 2000 Liter Milch angeliefert, eine Menge, die jedoch blost inreicht, um Kinder und Kranke zu versorgen Erwachsene müssen von der städtischen Milchversorgung dermalen leider ausgeschlossen werden, obwohl es gewiß ür deren Ernährungszustand äußerst wichtig wäre, auch diesen Milch zuzuteilen. Eine Erhöhung der Milchanlieferung um 3000 Liter äglich wäre dringendst notwendig und wäre hiezu in erster Linie die an der Bahnstraße nach Steyr gelegene Molkerei St. Valentin heranzuziehen. Im übrigen verweisen wir auf as beim Punkte Fleisch über die Viehmengen in Oberöster¬ reich Ausgeführte. Eier. Die Eierlieferung der Stadt Steyr wird als unzu¬ änglich bezeichnet, so daß auf den Kopf gegenwärtig kaum Stück Ei verabfolgt werden kann die Stadt Steyr müßte auf 30 Verbrauchswochen bei einer Einwohnerzahl von rund 30.000 Personen einschließlich der Arbeiterschaft der Waffenfabrik mit 1,800.000 Stück Eier echnen, bei einer Kopfquote von 2 Stück per Woche Gegenwärtig verfügt die Stadt Steyr lediglich über eine Eierreserve von zirka 100.000 Stück. Die Aufbringung der erwähnten 1,800.000 Stück müßte sich selbstverständlich auf die noch in Betracht kommenden zwei Monate Juli und August beschränken, so daß monatlich 900.000 Stück auf¬ gebracht werden müßten Die von der Statthalterei als Bedingung einer even¬ tuellen Eierzuweisung für die Schaffung einer Reserve be¬ zeichnete Vorratsaufnahme ist bereits in Durchführung. Die Statthalterei ist gegenwärtig nicht in der Lage zu sagen, inwieweit sie den gestellten Ansprüchen wird nach kommen können, glaubt jedoch solche überhaupt nur dann vornehmen zu können, wenn sie von den ihr vom Amte für Volksernährung aufgetragenen Lieferungen nach auswart¬ losgezählt wird. Der Antrag der Befreiung der politischen Bezirke Steyr=Land und Steyr=Stadt, sowie Kirchdorf von der Eieraufbringung und Angliederung der schon oben bezeich

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