Ratsprotokoll vom 24. Juli 1917

Gelegenheit geboten ist, ihre Interessen entsprechend wahren zu können. Ferner beteiligte ich mich an der Tagung des Landes¬ verbandes der Genossenschaft der Gast= und Schankgewerbe in Linz. Kronlandsgrenzenänderung. Die Grenzlage Steyrs hat sich nachgerade zu einer uner¬ träglichen Beschränkung des Wirtschaftsverkehres entwickelt. War es schon im Frieden äußerst erschwerend, daß die in unmittel¬ barer Nachbarschaft gelegenen Gemeinden den weit entfernten Kreisgerichtssprengeln Niederösterreichs zugeteilt waren, so daß die komisch wirkende Tatsache entstand, daß hart an der Grenze liegende Landwirte und Geschäftsleute, anstatt zu dem ganz nahe gelegenen Kreisgerichte Steyr zu gehen, über Steyr stunden¬ weit nach Amstetten, bezw. St. Pölten fahren mußten, so ist dies in der Kriegszeit und der hierdurch entstandenen erschwerten Wirtschaftsführung umso unangenehmer. Der Wirtschaftsbereich Steyrs wurde förmlich in zwei Hälften zerrissen. Die Anlieferung von Landesprodukten, insbesondere aber von Schlachtvieh war aus Niederösterreich seinerzeit abgesperrt und nur mit vieler Mühe ist es gelungen, die Milchanlieferung aus den angren¬ zenden niederösterreichischen Gemeinden aufrecht zu erhalten. Das Hinterland Steyrs wurde durch diese Verfügung derart beschränkt, daß die Versorgung Steyrs aufs schwerste gefährdet wurde. Um nun diesen unerträglichen Zuständen, wenn möglich dauernd ein Ende zu bereiten, habe ich an Seine Exzellenz den Herrn k. k. Minister des Innern nachstehende Eingabe gerichtet: Steyr, am 25. Juni 1917. Zahl 124/ Pr. Euer Exzellenz! Die im Frieden schon sehr unangenehme Lage Steyrs an der Grenze zwischen Nieder= und Oberösterreich hat sich im Kriege auf das peinlichste fühlbar gemacht. Brachte schon in früherer Jahren diese Lage ganz unglaubliche Verhältnisse zu¬ wege, die sich insbesondere in der Zugehörigkeit der angrenzenden Niederösterreicher zumeist sehr weit entfernten politischen und Gerichtsbehörden äußerten und zur Zeit des Auftretens der Maul= und Klauenseuche zu einer förmlichen Grenzsperre führten, so wurde durch die infolge des Krieges eingetretenen Verfügungen der Wirtschaftsbereich Steyrs tatsächlich in mehrere Teile zer¬ rissen. Das Wirtschaftsgebiet Steyrs erstreckt sich unglücklicherweise über mehrere politische Bezirke Oberösterreichs und weit nach Niederösterreich hinein. Es beeinhaltet die Bereiche der Gerichts¬ bezirke Steyr und Weyer des polit. Bezirkes Steyr Land, den im Steyrtal gelegenen Teile des Gerichtsbezirkes Grünburg im polit. Bezirke Kirchdorf, die Gemeinden Kronstorf, Hargelsberg und Hofkirchen des polit. Bezirkes Linz Land, den ganzen Gerichts¬ bezirk Haag in Niederösterreich und weiters Teile des politischen Bezirkes Amstetten. Aus dem Vorgesagten geht deutlich hervor, daß die Wirt¬ schaftsbeziehungen Steyrs durch die bestehende politische Ein¬ teilung auf das schwerste geschädigt werden. Als eigentlicher Wirtschaftsbereich kommt heute nur mehr das wenig erträgnisreiche Gebirgsland des Ennstales und wenige Gemeinden des Gerichtsbezirkes Steyr in Frage, die aber teil¬ weise, wie die Gemeinden St. Ulrich, Sierning, Garsten und Thanstetten, durch die dort vorhandene Industrie und durch militärische Einquartierungen fast jeden wirtschaftlichen Wert für die Stadt Steyr eingebüßt haben. Eigentliche Versorgungs¬ gemeinden für Steyr bilden bloß mehr Losensteinleiten und Gleink. Daß eine Hinterlandsbeschränkung schwersten Schaden mit sich bringt und es daher das lebhafteste Bestreben der Stadt¬ gemeinde=Vorstehung Steyr sein muß, dieselbe kräftig hintan¬ zuhalten, liegt wohl klar auf der Hand. Es geht nicht an, eine Stadt wie Steyr, welche Sitz einer außerordentlich kräftigen Industrie ist, ohne ein wirtschaftlich kräftiges, nach allen Seiten hin sich erstreckendes Hinterland zu lassen. Die alten Kronlandsgrenzen entsprechen eben nicht mehr den tatsächlichen wirtschaftlichen Erfordernissen. Ich gestatte mir daher einige Vorschläge zu machen, die ich bitte, einer ernsten Erwägung zu würdigen: Die Ennsgrenze ist veraltet und schädlich; wie ein Keil schiebt sich Niederösterreich von Osten her zwischen Waidhofen und Donau ins oberösterreichische Gebiet ein; ebenso springt Oberösterreich nördlich der Donau weit ins Niederösterreichische vor und gehören die äußersten Teile dieses Vorsprunges zwei¬ sellos zum Wirtschaftsgebiete Amstetten. Es wäre sicher von Wert zu versuchen, durch Austausch entsprechender Gebiete zwischen Nieder= und Oberösterreich hier einen gerechten, den Wirtschafts¬ notwendigkeiten rechnungtragenden Ausgleich herbeizuführen. Desgleichen wäre anzustreben, die Gemeinden Kronstorf, Hargelsberg und wenn tunlich auch Hofkirchen aus dem poli¬ tischen Bezirk Linz Land auszuschalten und in jenen Steyr Land zu übertragen. Zum Ausgleiche könnten westwärts gelegene Teile des letztgenannten Bezirkes dem polit. Bezirk Wels ein¬ verleibt werden, der dadurch ohne Schadigung in die Lage käme, nördlich gelegene Teile dem polit. Bezirk Linz Land als Aus¬ leich für die abgetretenen Teile zu überlassen; ebenso wären die Gemeinden Grünburg, Steinbach und Molln des polit. Be¬ zirkes Kirchdorf zu Steyr Land zu geben. Bei Durchführung dieser Borschläge würde die Anpassung der Einteilung des polit. Bezirkes Steyr Land den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen. Steyr würde ein das Stadtgebiet allseitig umschließendes Hinterland erhalten und auf diese Weise in seiner kraftvollen industriellen Entwicklung auch noch den nötigen landwirtschaftlichen Rückhalt bekommen, ins¬ besondere dadurch, als mit der politischen Einteilung auch die gerichtliche Einteilung durch Einreihung der genannten Gebiete in den Kreisgerichtssprengel Steyr erfolgen müßte. Ich bitte Euer Exzellenz, diese für Steyr und auch für Oberösterreich sicherlich nützlichen Vorschläge zu prüfen und gegebenenfalls die nötigen Schritte zu deren Durchführung ver¬ anlassen zu wollen. Genehmigen Euer Exzellenz die Versicherung besonderer Hochachtung und Ergebenheit Abg. Julius Gschaider. Je eine Abschrift dieser Eingabe habe ich an Seine Erzellenz den Herrn k. k. Statthalter und an Seine Gnaden den Herrn Landeshauptmann mit der Bitte um wärmste Förderung des unternommenen Schrittes gerichtet. Ich bin mir wohl bewußt, daß ein derartiger Schritt, der die erste Veränderung von Kron¬ landsgrenzen bedeuten würde, auf große Schwierigkeiten stoßen wird, doch sind die historischen Grenzen durchaus veraltet, und wenn man in anderen Ländern schon längst mit diesen gebrochen hat, geschah dies in der Erkenntnis, daß eine wirtschaftliche Ent¬ wicklung durch Festhalten an nicht zeitgemäße historische Tat¬ sachen nicht gestört werden darf. Was in anderen Ländern ge¬ chieht, muß bei einigem Willen auch hier durchführbar sein. Friedensdislokation. Bekanntlich habe ich schon im Jahre 1914 um die Hie¬ herverlegung eines Infanterie=Regimentes, wo¬ möglich mit eigenem Ergänzungsbezirk, beim Kriegsministerium angesucht. Die Versetzung eines Ersatzkörpers und die damit verbundenen Schwierigkeiten in der Unterbringung von Offi¬ zieren, Mannschaft und Material, veranlaßte mich, neuerlich mein Ersuchen beim Kriegsministerium in Erinnerung zu bringen, unter Hinweis darauf, daß durch die ständige Garnisonierung eines Regimentes derartige Verlegungen und die damit verbun¬ denen Schwierigkeiten und dem Aerar erwachsene hohe Kosten vermieden werden können. Als Antwort langte eine Mitteilung des k. k. Kriegs¬ ministeriums ein, die besagt, daß dermalen über Friedens¬ dislokationen noch nicht entgiltig entschieden werden könne, daß Steyr jedoch in Vormerk genommen sei. Inkorporierung eines Gebietes aus der Gemeinde Sierning. Der Umstand, daß die im Besitze der Stadt befindlichen, nördlich des Krankenhauses liegenden Gründe nicht im Stadt¬ gebiete, sondern in der Gemeinde Sierning, polit. Bezirk Steyr Land, liegen, wurde stets als unangenehm empfunden, nsbesondere auch deshalb, weil der Hochbehälter der Wasser¬ leitung dadurch in ein anderes Berwaltungsgebiet zu liegen kommt. Da nunmehr die Einfriedung des ganzen zum Kranken¬ hause gehörigen Gebietes erfolgen soll, wurde mit der Gemeinde Sierning in Unterhandlung getreten. Zwecks Einverleibung dieser Gründe in das Stadtgebiet Steyr hat die betreffende Besprechung am Donnerstag den 5. Juli l. J. stattgefunden und wird die 1. Sektion seinerzeit die entsprechenden Anträge vorlegen. Desgleichen wurde mit der Gemeinde Gleink wegen Ab¬ retung eines bedeutenderen Gebietsteiles in das Stadtgebiet Steyr in Verhandlung getreten und wird, wenn die Verhand¬ lungen entsprechend weit gediehen sind, hierüber eingehend Be¬ richt erstattet werden.

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