Ratsprotokoll vom 2. März 1916

Sektionsantrag: „Der löbl. Gemeinderat wolle die Interessenverteilung aus den Landerlschen Stiftungen nach dem Vorschlage des städtischen Armenrates beschließen.“ Beschluß nach Antrag. — Z. 1086. 23. Verleihung von zwei Interessenanteilen aus der Josef und Ludwig Werndl-Stiftung. Laut Amtsbericht sind aus der Josef und Ludwig Werndl=Stiftung zwei Pfründen von je 100 K jährlich ir Erledigung gekommen. Seitens des Armenrates werden zur Beteilung mit diesen Pfründen die Bewerberinnen Marie Rodlmayr und Therese Weigl vorgeschlagen. Sektionsantrag: „Der löbl. Gemeinderat beschließe, die beiden in Er¬ ledigung gekommenen Pfründen von 100 K aus der Ludwig und Josef Werndl=Stiftung an die Bewerberinnen Marie Rodlmayr und Therese Weigl zu verleihen.“ Beschluß nach Antrag. — Z. 46.574/15. Nach Schluß der Tagesordnung bringt GR. Wokral vor: In der Gemeinderatssitzung vom 22. Mai 1914 wurde seitens der sozialdemokratischen Gemeinderäte ein Antrag be¬ züglich „Arbeitslosenfürsorge“ eingebracht. Der Gemeinde¬ rat hat bereits zweimal im Jahresvoranschlage einen Betrag für Arbeitslosenfürsorge eingesetzt. Ueber die Verwendung dieser Beträge sei jedoch nichts bekannt. Da die Frage der Arbeitslosenfürsorge nach Schluß des Krieges infolge der voraussichtlich eintretenden Arbeitslosigkeit brennend werden wird, ersuche er den Herrn Bürgermeister, Veranlassung zu treffen, daß der in der Maisitzung des Jahres 1914 ein¬ gebrachte Antrag, der damals der I. Sektion zur weiteren Behandlung zugewiesen worden ist, ehestens dem Gemeinde¬ rate zur Beschlußfassung vorgelegt werde. Der Bürgermeister erwidert, er werde ver¬ anlassen, daß dieser Gegenstand auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen gesetzt werde. GR. Tribrunner erwähnt, es werde in letzterer Zeit von der Arbeiterschaft in der Waffenfabrik darüber Klage geführt, daß sie beim Brotkartenbezug zu sehr be¬ schränkt werde, indem einer großen Anzahl von Arbeitern, die bei Maschinen, am Schraubstock oder an der Drehbank stehen und weit über die normale Arbeitszeit hinaus arbeiten müssen, die Zuschußkarten, welche sie bisher als Schwer¬ arbeiter bezogen haben, entzogen wurden. Die Arbeiter lassen ersuchen, daß ihnen wiederum die erhöhte Brotkarte in dem gleichen Ausmaße zugebilligt werde, wie jenen, welche in der letzten behördlichen Kundmachung genannt sind. Er bitte im Namen der Arbeiterschaft den Herrn Bürgermeister, diese Sache zu erwägen und dem Ansuchen der Arbeiter, so weit als möglich, entgegenzukommen. Der Herr Bürgermeister erwidert, daß sich die letzte einschränkende Maßregel auf einen Statthaltereierlaß stütze, in welchem ausdrücklich die möglichste Einschränkung der Zusatzkarten aufgetragen wurde; er sei aber bereit, die Sache eingehend zu prüfen und den tatsächlich schwer arbei¬ tenden Waffenfabrik=Arbeitern so viel als möglich entgegen¬ zukommen. Auf die Anfrage des GR. Aigner, ob mit Rücksicht auf die seinerzeit von GR. Haidenthaller gemachte Anregung seitens der Stadtgemeindevorstehung Steyr entsprechende Schritte dahingehend, daß die 50= bis 55jährigen Steyrer Geschäftsleute ihre sechswöchentliche Dienstzeit in Steyr ab¬ leisten und sich in ihrer dienstfreien Zeit um ihre Geschäfts¬ betriebe kümmern können, unternommen worden sind, er¬ widert der Herr Bürgermeister, daß mit Rücksicht darauf, daß die militärischen Einberufungen der 50= bis 55jährigen noch nicht spruchreif sind, weitere Schritte noch nicht unternommen worden sind; er werde rechtzeitig sich an die zuständige Militärbehörde wenden; ob er damit Er¬ folg erzielen wird, sei wohl eine andere Frage. GR. Wokral führt Beschwerde über das arg ver¬ pätete Erscheinen der Ratsprotokolle, worauf vom Vorsitzen¬ den auf die starke Belastung des Amtes hingewiesen wird; im übrigen werde er veranlassen, daß die Fertigstellung der Protokolle künftig rascher erfolge. GR. Tribrunner erinnert daran, daß vor langer Zeit vom Gemeinderate der Beschluß gefaßt wurde, eine Wohnungsstatistik anzulegen und wünscht darüber näheres zu erfahren. Der Vorsitzende erwidert, daß es unter den heuti¬ gen Verhältnissen ganz unmöglich sei, eine derartige Woh¬ nungsstatistik auszuarbeiten, selbst wenn man das Material der letzten Volkszählung bekäme. Im Anschlusse an diese Anfrage des GR. Tribrunner teilt der Vorsitzende mit, daß die Einwohnerzahl der Stadt Steyr einschließlich der Garnison laut amtlicher Fest¬ stellung am 11. Jänner d. J. 25.789 betragen hat. GR. Wokral weist darauf hin, daß in Ungarn be¬ reits eine Verordnung erschienen ist, nach welcher zur Brot¬ herstellung wieder ein Maismehlzusatz genommen werden muß. Eine derartige Verordnung wird wahrscheinlich auch in der diesseitigen Reichshälfte bald erfließen. Trotzdem cheinen diese strengen Brotvorschriften auch jetzt schon nicht eingehalten zu werden. Es sei ihm mitgeteilt worden, daß in einzelnen Gasthäusern Steyrs an bevorzugte Gäste Wei߬ rot verabreicht werde. Derartige Vorfälle erregen unter der Bevölkerung begreiflicherweise böses Blut. Unlängst sei n Steyr eine für die Schwechater Bierhalle bestimmte Kiste mit Weißbrot, deren Inhalt als „Obst“ deklariert war, angekommen. Beim Transport sei die Kiste aufgebrochen worden und es sind weiße Wecken herausgefallen. Die Kiste kam aus Schärding. Er frage den Herrn Bürgermeister, ob nicht Vorsorge getroffen werden könnte, daß derartiger Un¬ ug abgestellt werde. Der Bürgermeister erwiderte, daß er dagegen, wenn es jemandem gelingt, von auswärts Brot zu bekommen, nichts unternehmen könne. Im übrigen habe er auch gar nichts dagegen, wenn von auswärts Weißbrot eingeführt werde, da damit die Brotmenge für Steyr vermehrt werde. Er könne nur betonen, daß er noch nie so glücklich gewesen ist, in einem Gasthause in Steyr ein Weißbrot erhalten zu haben. Da sich hierauf niemand mehr zum Worte meldete, schließt der Vorsitzende die öffentliche Sitzung um 5 Uhr nachmittags. In der darauf folgenden vertraulichen Sitzung werden die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung erledigt. Es wird die Ausschreibung einer provisorischen Hilfs¬ eamtenstelle für die städtische Registratur beschlossen. Fer¬ ier wird den städtischen Beamten, Angestellten und Dienern die Teuerungszulage im Ausmaße der Ministerialverord¬ nung vom 9. Februar 1916, R.=G.=Bl. Nr. 33, zugesprochen, wobei jedoch die bereits zufolge Gemeinderatsbeschlusses vom 16. Dezember 1915 gewährte Teuerungsbeihilfe in Ab¬ zug zu bringen ist. Ueber Antrag der Sektion werden fol¬ gende Parteien, welche die gesetzlich vorgeschriebenen Be¬ dingungen hiefür erfüllt haben, in den Gemeindeverband der Stadt Steyr ausgenommen: Josef Bürger samt Frau und 1 Kind, Kreszentia Döttlinger, Johann Dopf samt Frau, Josef Lettner samt Frau und 1 Kind, Franz Mitter¬ mayr samt Frau und 5 Kindern, Josef Paukenhaider samt Frau und 3 Kindern, Matthias Winkler samt Frau. Schluß der vertraulichen Sitzung um ½6 Uhr.

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