Ratsprotokoll vom 2. März 1916

4 Kinotheater in Steyr. Und auch damit sei nach seiner Auf¬ fassung nichts gemacht, ganz abgesehen von dem gehässigen Tharakter der Besteuerung des Kinounternehmens allein, Auf die vorerwähnte Lustbarkeitssteuer Böhmens zurück¬ kommend, bemerkt GR. Wokral, daß die Gemeinden dor die Einnahmen aus dieser Steuer mit dem Lande teilen nüssen: 10 Prozent entfallen für den Prager Spitalfonds 0 Prozent für das Land und die restlichen 40 Prozent für die Gemeinden; so ist hier dem Lande die Möglichkeit ge¬ auf Kosten der Gemeinden Mittel hereinzubringen. oten, Er sei der Auffassung, daß der Antrag der Sektion nicht zu empfehlen ist; er wäre höchstens nur dann annehm¬ ar, wenn eine allgemeine Lustbarkeitssteuer in Aussicht ge¬ iommen und die Regierung zugleich an die endliche Ein¬ ihrung der staatlichen Alters= und Invaliditäts=Versiche¬ rung erinnert würde. Darauf erwidert Referent Dr. Harant: Auch im Schoße der Sektion sei darüber gesprochen worden, daß im Gegensatze zu Wels eine Besteuerung des hiesigen Stadt¬ theaters, wie dies auch Herr GR. Wokral vorgebracht hat, icht durchführbar sei. Das gilt aber nicht für die Kino¬ theater=Vorstellungen. Es stehen ihm zwar Ziffern über den Besuch der Kinos in Steyr nicht zu Gebote, doch müsse er erklären, daß er, wenn er an Sonntagen gegen ½6 Uhr abends auf dem Grünmarkte gehe, nur staune, welche Massen von Besuchern vor dem Kinotheater stehen, trotz der Kriegs¬ eit, trotz der Zeit höchster wirtschaftlicher Bedrängnis. Was das Kinotheater in Steyrdorf anbelange, so habe er sich tiemals davon überzeugt, ob auch dieses Kinotheater eine olche Besuchermenge wie der Kino auf dem Grünmarkt ufzuweisen hat. Es sollen aber dieselben Verhältnisse auch ür das Kinotheater in Steyrdorf zutreffen; es dürfte also richtig sein, daß die Kinotheater eine wesentlich größere Ein¬ jahme erzielen, als man bei bloß oberflächlicher Beob¬ achtung meint. Wenn also Herr Wokral behauptet, es sei durch eine Besteuerung eine ganz verschwindende und gering¬ ügige Verbesserung der Armenlasten der Gemeinde zu er¬ warten und es trage der Vorschlag von Wels einen nu gehässigen Charakter gegen gewisse Unternehmungen, so hat er damit wohl unrecht. Eine richtig bemessene Kinosteuer würde gewiß eine wesentliche Einnahme für die Gemeinde bedeuten und es scheint auch nur billig, daß Unternehmungen, welche trotz der Kriegszeit erhöhte Einnahmen beziehen, ur Deckung der Armenlasten der Gemeinden herangezogen werden. Er halte daher den Antrag der Sektion begründet und bitte um dessen Annahme BR. Tribrunner pflichtet den Ausführungen des 3R. Wokral im allgemeinen bei. Er glaubt, daß Steyr keine Ursache hat, sich dem Vorschlage von Wels anzu¬ schließen. Der Gemeinderat von Steyr setzt alljährlick eine Armenfondsgebühren fest. Der Steyrer Gemeindera könne also im Gegenstande selbständig vorgehen und brauche ich nicht zu Handlangerdiensten für Wels herbeizulassen. Er erlaube sich eher die Anregung, die erste Sektion zu be¬ auftragen, Studien bezüglich einer Erhöhung der vom Ge meinderate alljährlich festzusetzenden Armenfondsgebühren zu pflegen BR. Prof. Erb glaubt, daß GR. Tribrunner nur die Absicht habe, die Besteuerung der Kinotheater zu verzögern und hinauszuschieben, und führt weiter aus: Wir alle wissen auch die beiden Herren Gemeinderäte Wokral und Tri¬ brunner, daß die Kinos mit riesigen Gewinnen arbeiten. Es gibt kein glänzenderes Geschäft als den Kino, es gibt keine Veranstaltung, zu welcher die Leute so gern ihr Geld hinein¬ tragen als den Kino. Dabei lassen die Vorstellungen der Kinotheater soviel zu wünschen übrig. Man sieht die Riesen lakate in Zwischenbrücken, die dazu angetan sind, um die Sensationsgier der Menschen zu erregen. Wir vermissen in den Kinos in Steyr irgendeine lehrreiche Vorstellung für unsere Bevölkerung, namentlich für die Jugend. Man sieht niemals einen naturhistorischen, geographischen oder geschicht¬ ichen Vortrag. Was dort gezeigt wird, sind Mord, Dieb¬ stahl, Eisenbahnunglück, sonstiges Unglück, vor allem Sen¬ sation und Aufregung. Wenn eine Bewegung gegen den Kino entsteht, durch welches zweifelhafte Vergnügen gerad dem armen Volke viel Geld entzogen wird, so braucht man sich darüber nicht zu verwundern. Ich sehe auch nicht ein warum solche einträgliche Unternehmungen wie der Kino licht zur Armenversorgung herangezogen werden sollen. Die Stadtgemeinde Innsbruck hat schon vor dem Kriege beiläusig 32.000 K jährlich aus der Kinosteuer eingenommen. Die beiden Herren Vorredner hätten ja in der heutigen Sitzung zifsermäßig nachweisen können, was das Kinotheater in Steyrdorf abwirft, es wäre interessant gewesen, dies zu hören, und wieviel die von Wels vorgeschlagene 20prozentig Kartenstempelsteuer betragen würde; es wäre interessant ge wesen, zu erfahren, ob es wirklich zutrifft, daß eine Kino¬ teuer nur einen ganz verschwindenden Betrag der Ge¬ neinde bringen würde, wie dies Herr Wokral behauptet Und wenn wir einsehen, daß der Ertrag wirklich so gering ist, dann würden wir ja darauf verzichten. Wir glauben aber, daß eine 20prozentige Kinosteuer für die Gemeinde und für die Armen versorgung der Stadtgemeinde Steyt Wesentliches bedeuten würde. Dies müssen wohl alle zugeben und dies liegt gewiß im Gedanken aller jener, welche nicht zufällig selbst einen Kino besitzen oder verwalten. Daß sich aber die Herren gegen eine Abgabe, die der Armen¬ versorgung zugute kommen soll, so sehr aufhalten, das gib er Sache einen gewissen Stachel. GR. Wokral verlangt, daß jeder Kriegsgewinn besteuert werden soll; auch wir timmen ihm da zu. GR. Wokral verlangt ferner die Ein¬ führung der staatlichen Alters= und Invaliditäts=Versicherung; uch wir stimmen ihm darin zu. Wir können aber nicht o lange warten. Geraume Zeit wird verstreichen, bis das Abgeordnetenhaus wieder zusammentreten und die Alters¬ und Invaliditäts=Versicherung Gesetz werden wird; in¬ wischen werden aber den Städten viele Tausende von Kronen aus der Kinobesteuerung verloren gegangen sein. Wir wünschen, daß diejenigen getroffen werden, welche gute Beschäfte machen. Die Kinos sind erträgnisreiche Unter¬ nehmungen, die Sensation und das Vergnügen der Kino¬ heater soll besteuert werden. Wenn man den Handwerker, en Kaufmann, den bessergestellten Arbeiter mit der Per¬ sonal=Einkommensteuer und mit Zinshellern drückt, so soll im so mehr der Kino, dessen Besuch merkwürdiger= und be¬ zeichnenderweise sich in der Kriegszeit eher vergrößert hat mit einer Abgabe für Armenzwecke getroffen werden. Auf er einen Seite wird berechtigte Klage über die allgemeine Teuerung geführt, man bekomme kein Fleisch, kein Brot, eine Eier zu kaufen oder viel zu teuer und auf der anderen Seite strömt das Geld in die Vergnügungslokale namentlic in die Kinos; da ist auf einmal viel Geld zum Aus¬ geben da. Der Kino ist keine unbedingte Notwendigkeit. Die Leute haben sich früher auch und vielleicht besser oft in er freien Natur unterhalten als in den dumpfigen, bedenk¬ lichen Kinolokalen. Er stehe daher auf dem Standpunkte aß das, was Wels tut, vollkommen richtig ist, und erklärt, daß er noch selten einem Antrage mit solcher besonderer Be¬ friedigung zugestimmt habe wie dem gegenständlichen Sek¬ tionsantrage GR. Wokral verwahrt sich zunächst gegen die Aeuße rung des Vorredners, wie wenn GR. Tribrunner und er im eigenen Interesse gesprochen hätten. Er erklärt, daß er on dem Kino in Steyrdorf keinen Heller bezieht. Ferner bemerkt GR. Wokral, daß es nach den Ausführungen des herrn Prof. Erb so aussehe, als ob von dem Kinotheater in Steyrdorf keine Steuern eingehoben würden. Von diesem Internehmen werden genau so wie von den anderen die Steuern eingehoben. Die Armenfondsgebühr mit 2 K per orstellung mache einen Jahresbetrag von 640 K aus; und m Rahmen des Gemeinderates ist es ja möglich, da noch ine Erhöhung hereinzubringen. Es falle ihm durchaus nicht in, das Kinounternehmen zu beschützen und zu befürworten. Er wende sich aber dagegen, daß gerade der Kino, das Vergnügen der Armen und Arbeiter, so empfindlich besteuert werden solle. Es sollen alle einträglichen Unternehmungen zur Deckung der Armenlasten herangezogen werden. Wenn nan aber allein nur das Vergnügen der Armen drücker und treffen will, so haftet einem solchen Vorschlage unbedingt in Charakter von Gehässigkeit gegen dieses eine Unternehmen an. Ferner wendet sich GR. Wokral gegen die Behauptung des GR. Prof. Erb, es werde im Kino nichts Erzieherisches geleistet. Er weist darauf hin, daß die Re¬ gierung Leute ermächtigt, an die Front zu reisen und dort Kinoaufnahmen zu machen, damit die Bevölkerung teilweise ein Bild davon erhalte, wie es an der Front zugeht und wie es dort aussieht. Wenn also auf der einen Seite auf diesc Art vom Staate geradezu Propaganda für den Kino gemacht werde, so dürfe man wohl anderseits nicht behaupten, daß alles, was im Kino vorgeführt werde, bodenlos schlecht sei; s wird ja auch im Theater ab und zu eine schlüpfrige Operette gegeben! Er glaube eben, daß mit einer Kinosteuen er Gemeinde keine wesentlichen Einnahmen er¬ wachsen dürften, und deshalb sei er gegen den Sektions¬ antrag. Es solle ganze und nicht halbe Arbeit geleistet verden GR. Haidenthaller betont, daß beim Kino riesig Einnahmen erzielt werden, was schon daraus hervorgehe daß Kinobesitzer schon nach einigen Jahren privatisieren können. Den Kinobesitzern sei eine prozentuelle Steuer des alb so unangenehm, weil man da Einsicht in ihre Geschäfte bekäme. Er pflichte den Ausführungen des GR. Professor Erb vollkommen bei Der Herr Bürgermeister erklärt, er habe be¬ rechnet, daß der Kino am Grünmarkt bei ausverkauften hause eine Einnahme von 299 K habe. Die von Wels an geregte 20prozentige Kinosteuer genommen, würde 60 K für eine Vorstellung, statt 2 K wie bisher, für Armenzwecke der Bemeinde abwerfen. BR. Wokral spricht sich nochmals gegen den Sek¬ ionsantrag aus und stellt den Antrag, es möge, wenn schon wie voraussichtlich — der Sektionsantrag durchdringer vird, in diesem Sektionsantrage und in der an den Landes¬ ausschuß zu richtenden Eingabe eine allgemeine Lust¬ arkeitssteuer zugrunde gelegt und zugleich das drin¬ ende Verlangen nach Einführung der Alters= und Invalidi¬ äts=Versicherung durch den Staat ausgenommen werden GR. Tribrunner stellt den Antrag, es werde die erste Sektion beauftragt, die Frage einer Erhöhung der Armensondsgebühren im eigenen Wirkungskreise des Ge¬

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