Ratsprotokoll vom 3. Dezember 1913

2 körper 3 Wahlkörper geplant, sondern es sollen auch die Per¬ onaleinkommensteuer=Zahler zum größten Teile entrechtet werden Damals bei Beratung der Wahlreform habe auch die Majorität zugestimmt, daß die alte Bestimmung im Statut: „Von dem aktiven Wahlrechte in dem I., II. und III. Wahlkörper sind all Personen, welche eine Armenversorgung genießen, in einem Gesindeverbande stehen oder als Taglöhner oder Gewerbsgehilfen einen selbständigen Erwerb nicht haben“ ausgemerzt werde, nachdem diese Bestimmung äußerst reaktionär sei, und eine Steuerkrone wie die andere sei. Im neuen Statut ist wohl davon nichts enthalten, jedoch hat man die Sache anders gemacht, um zu verhindern, daß Arbeiter in den II. Wahlkörper eingereiht würden. Man hat ganz einfach die Personaleinkommensteuer Quste bedeutend höher hinauftaxiert, um zugleich den Arbeiter¬ Wahlkörper größer zu gestalten. Er sei überzeugt, daß man dies deshalb gemacht habe, um sich die Arbeiter möglichst vom Ha se n halten. Es gebe aber auch eine ganze Anzahl von intelligenten Arbeitern und eine Reihe von Beamten und Angestellten, die nicht ganz 20 K Personaleinkommensteuer zahlen und die dann auch in diesem Mischmasch=Wahlkörper eingereiht werden sollen. Ind auch da wird dem Gemeinderate zugemutet, hiefür seine Zustimmung zu geben. Im § 28 wird bezüglich der Wahlberechtigung eine 2jährige Seßhaftigkeit für die Wähler im allgemeinen Wahl¬ körper verlangt, während für die anderen zwei Wahlkörper blos von einer einjährigen Seßhaftigkeit die Rede ist. Das sei direkt ein Widerspruch zu dem, was der Gemeinderat in seiner Vor¬ lage ausgedrückt hat, nachdem dort zugesichert ist, daß die Seß haftigkeit für alle Wähler nur 1 Jahr betragen soll. Hier scheint man das Ganze deshalb so gemacht zu haben, um hauptsächlich die Arbeiter der Waffenfabrik, die hier als Arbeiter ständig wohnen, nicht so schnell wahlberechtigt zu machen. Mit einem olchen Vorgang könne sich aber die Minorität nicht einver anden erklären. Weiters finde man in den § 28 und 29 die Beamten mit Rücksicht auf die einzelnen Wahlkörper eingeteilt. Hier wird wvieder mit keiner Silbe davon gesprochen, wo die Gemeinde¬ beamten eingeteilt werden sollen. Die werden dann jedenfalls auch in den Mischmasch=Wahlkörper eingeteilt. Weiters ist darin nicht der Ehrenbürger gedacht und scheine man bei denselben auf gleiche Weise verfahren zu wollen Im § 35 wird davon gesprochen, daß im II. und III. Wahl¬ körper die Verhältniswahl stattfinden soll, während im I. Wahl¬ körper die relative Mehrheitswahl zu gelten hat. Hier sei ebenfalls wieder eine gewisse Aenderung zu beobachten, den bisher habe in allen drei Wahlkörpern die absolute Mehrheit gegolten. Nun wird in der vorliegenden Wahlreform ein neues Prinzip einge¬ chlagen und zwar scheint man im I. Wahlkörper deshalb die relative Mehrheitswahl einführen zu wollen, nachdem man den Frauen das Wahlrecht weggenommen, um die Möglichkeit zu aben, im I. Wahlkörper bei relativer Mehrheitswahl die Man¬ date zu erhalten. Der III. Wahlkörper als allgemeiner Wahl körper sei auch nur deshalb geschaffen worden, um die anderen Parteien damit einverstanden zu machen, daß sie infolge Man¬ datsentgang im I. Wahlkörper in diesem Wahlkörper entschädigt werden. Die Minorität wünscht aber, daß ein reiner Arbeiter¬ Wahlkörper geschaffen wird und verlangt den Proporz für sämtliche Wahlkörper. Im § 37 wird für einen giltigen Wahlvorschlag die Unter¬ schrift von mindestens 40 Personen verlangt. Die Minoritä ei dagegen der Ansicht, daß 30 Unterschriften vollständig ge¬ nügend wären Die im § 63, 3. Absatz, betreffend die Ersatzmänner, § 65, wo es sich darum handelt, daß, wenn für ausgeschiedene Ge¬ meinderatsmitglieder Ersatzmänner nicht vorhanden sind, der be¬ treffende ganze Wahlkörper eine Neuwahl aller ihm zukommenden Gemeinderäte auf Grund der letzten Wählerliste binnen 8 Tager durchzuführen haben, sowie im § 67, wo von der Amtstätigkeit es Bürgermeisters gesprochen ist, enthaltenen Bestimmungen würden seinen Ausführungen nach einen Zustand schaffen, der licht gut denkbar sei und weshalb auch diese Paragraphe einer Abänderung bedürfen Im § 74 wird ein Recht des Gemeinderates wesentlich ingeschränkt, indem es im alten Statute heißt, daß die Funk¬ tionsgebühr des Bürgermeisters, Reisekosten 2c. der Gemeinderat bestimmt. Im neuen Statut ist davon nichts enthalten. Er sei schon der Ansicht, daß, wenn Rechte schon einmal vorhanden waren, dieselben nicht weggenommen werden sollen. Im § 75, Absatz 3, Bedeckung des Abganges, fehle eine Bestimmung, welche im alten Statut enthalten war und zwar sei dies der Passus „Umlagen auf den Mietzinsgulden, welche die Höhe von 5% überschreiten, sind an die Bewilligung des Landesausschusses gebunden.“ Diesen Passus scheine man deshalb ausgelassen zu haben, damit die Möglichkeit gegeben ist, die Imlagen auf Mietzinsgulden ins Ungemessene hinausschrauben zu können. Das Mehr an Steuern aber würden dann jedenfalls nicht die Hausherren, sondern wiederum die Mieter zu tragen haben. Bezüglich des § 81, wo es sich um die Beeidigung von Polizeiorganen handelt, sei zu wünschen, daß daselbst das Wort „Individuen“ in „Personen“ umgeändert werde. Redner erklärt weiters, daß noch eine Menge solcher Umänderungen in dieser Vorlage notwendig wären, was ein Beweis dafür sei, daß die Vorlage vorher nicht ernstlich durch¬ beraten worden ist. Es wäre daher vollständig ungerechtfertigt, dem Gemeinderate zuzumuten, er solle ohneweiters zu dieser Vorlage seine Zustimmung geben. Er möchte auch darauf hin¬ weisen, daß als Herr G.=R. Dautlgraber in der vorigen Sitzung an den Herrn Bürgermeister das Ersuchen gerichtet habe, er möge sogleich eine Wahlreform=Sitzung einberufen, Herr Bürger meister gesagt habe, daß er diesem Ersuchen nachkommen werde ind hat dabei erklärt, daß sowieso die Sitzung des Wahlreform¬ Ausschusses in Linz verschoben wird. Nun habe aber der Landes ausschuß bereits einen Teil der Paragraphe durchgearbeitet ohne daß der Gemeinderat die Möglichkeit gehabt hätte, das Elaborat vorerst zu beraten. Es scheine, daß man auch hier o gehandelt habe wie es erforderlich gewesen wäre. Außerdem ei Herr G.=R. Erb in der Wahlreform=Sitzung im Vorjahre ersucht worden, die vom Steyrer Gemeinderate beschlossene Wahl¬ reform im Landtage zu vertreten. Er sei auch hier der Ueber¬ zeugung, daß sich die Vertreter der Stadt Steyr sehr wenig bemüht haben, um diesen Entwurf aufrecht zu erhalten und scheine die Sache so zu stehen, daß mit dieser Wahlreform¬ orlage die Obstruktion im Landtage abgekauft werden mußte, und daß eine solche für die Zukunft überhaupt nicht mehr nöglich ist. Redner nimmt im Weiteren noch Stellung zu dem vom Herrn G.=R. Erb eingebrachten Antrag, erklärt denselben auf Grund seiner Ausführungen für unannehmbar und beantragt, aß der Gemeinderat diese Resolution ablehne und den vor liegenden Wahlreform=Entwurf zur Grundlage seiner Beratung nehme. Er bittet die Herren Gemeinderäte, seinem Antrage zu¬ zustimmen Herr G.=R. Tribrunner bemerkt, es müsse, bevor über die vorgebrachte Resolution abgestimmt wird, auch auf die Stimmung nach außen hin Rücksicht genommen werden. Er macht aufmerksam, daß seit dem Bekanntwerden dieser Vorlage urch die Zeitungen sehr viele Stimmen sich mißtranisch ge äußert haben; so insbesondere die Arbeiterschaft, welche sich in einer gestern stattgefundenen öffentlichen Volksversammlung chärfstens gegen das Inkrafttreten einer solchen Vorlage aus¬ gesprochen und auch eine diesbezügliche Resolution gefaßt hat. Redner bringt dieselbe zur Verlesung.) Herr G.=R. Mitter beantragt Schluß der Debatte. Wird angenommen. Herr G.=R. Dantlgraber erklärt, daß die Minorität gewiß darauf gefaßt war, daß ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt wird, denn man habe ja schon vorher gewußt, vie die Sache steht und unter welchen Zwangsmitteln sich die Herren befinden. Aber eines bleibe der Minorität über, und das st, daß im Gemeinderate von nun ab nicht mehr jene Ruhe herrschen wird, wie sie bis jetzt vorhanden war, denn die rbeiterschaft habe jetzt ganz anders denken gelernt, nachden dieselbe direkt verraten worden ist. Man habe der Arbeiterschaf twas damit angetan, was sie nie und nimmer vergessen wird. iedner bringt sodann eine Abschrift des zwischen den drei Parteien im Landtage abgeschlossenen Ausgleichs=Protokolles zur Ver¬ esung, wobei er erklärt, daß die Früchte dieses Ausgleiches ja och nur die deutschnationale Partei zu tragen haben wird. Herr G.-R. Erb das Schlußwort nehmend, kommt in einen Ausführungen nochmals auf den Werdegang der ganzen Wahlreformvorlage zu sprechen, indem er hiebei erklärt, es wundere ihn eigentlich, daß die Minorität heute mit der von Gemeinderate seinerzeit geschaffenen Wahlordnung so einver tanden ist, nachdem sie doch damals die Majorität so ange¬ rissen habe, daß dieselbe eine so schlechte Wahlordnung gemacht ätte. Damals habe man dieselbe als ein reaktionäres Wahlrecht erschimpft. Er gebe zu, daß man jetzt unter einem Zwange er Verhältnisse stehe und habe er schon bei seinen Ausführungen auf den Bestand eines Kompromisses hingewiesen und mache er ewiß kein Geheimnis daraus, daß ihn die Abmachungen selbst licht gefallen. Aber bei einem Kompromiß müsse man eben nitnehmen, was einem gefällt und auch was einem nicht gefällt arin liegt eben das Wesen jedes Kompromisses. Man dürfe iebei auch nicht vergessen, daß sich drei große Parteien zu¬ ammengetan haben, um eine Wahlordnung auszuarbeiten, daß daher in der Wahlordnung mancherlei Aenderungen getroffen wurden, die nicht gefallen, wie zugegeben werden muß. Aende¬ ungen, die eben im Kompromißwege verlangt wurden. Redner erwähnt weiters, daß doch die Majorität des Gemeinderates die beste Absicht gehabt habe, ein besseres Wahl“ recht zu schaffen, was die Minorität gewiß zugestehen müsse Er sei kein Feind des Proporzes, denn er stehe auf dem Stand¬ punkte, daß große Parteien im Gemeinderate vertreten sein sollen; aber eine Einführung des Proporzes in allen Wahlkörpern, wie es jetzt verlangt würde, verhindern jede stärkere Mehrheit in einem Vertretungskörper. Wo aber keine Mehrheit vorhandel ist, führt ein Bürgermeister ein armseliges Dasein. Er müsse aber schon bei dieser Gelegenheit fragen, wenn die Herren der Minorität schon so für den Proporz und für die Vertretung iller Parteien im Gemeinderate eingenommen sind, warni ühren sie den Proporz nicht bei den Krankenkassen ein? Das ei doch ein reiner Wirtschaftskörper! Die Herren sind wahr sie cheinlich deswegen dort gegen eine solche Einführung, weil die Mehrheit haben. Bezüglich der Sozialversicherung wird eben¬

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