Ratsprotokoll vom 18. Juli 1912

4 Es wird hierauf über die 4 Punkte der allgemeinen An¬ träge en bloc abgestimmt und dieselben einstimmig ange nommen. Herr G.=R. Erb geht sodann zur Begründung der An träge des zweiten Teiles, das sind jene, welche in die Einfluß sphäre des Gemeinderates selbst fallen, über Er erklärt, daß die Regierung das nicht gerade sehr löb liche Bestreben gehabt habe, die ganze Verantwortung für die Vieh= und Fleischteuerung auf die kommunalen Verwaltungen überzuwälzen und die Gemeinden dafür verantwortlich zu machen wenn die Vieh= und Fleischpreise steigen. Nach der heutiger Lage haben aber die Gemeinden wenig Mittel in der Hand hier mit Erfolg eingreifen zu können. Selbst große Städte, wie Wien usw., können trotz ihrer riesigen Geldquellen zu keinem günstigen Resultate kommen und wie sollten erst kleinere Städte, die finanziell schlecht stehen, mit Erfolg gegen die Teuerung an¬ ämpfen können. Aber trotzdem sei es gemeinsame Pflicht aller Städte, daß sie gegen die herrschende Teuerung Stellung nehmen, um nach irgend welcher Richtung hin die Bevölkerung mit Fleisch zu versorgen Schon in der Sitzung vom 21. Oktober 1910 habe sich der Gemeinderat der Stadt Steyr mit der Fleischteuerung be faßt und folgendes beschlossen „Es seien einem sich hiefür findenden Unternehmer, welche sich verpflichtet, billiges Fleisch nach einem von der Gemeinde zu genehmigenden Preistarife in Steyr zu verkaufen, zwei Fleisch läden am Oelberge ohne Entgelt vorläufig auf ein Jahr zur Verfügung zu stellen. Diesbezüglich habe sich der Herr Bürger meister vorerst an die Genossenschaft der Fleischhauer in Steyn zu wenden, ob diese selbst den Verkauf billigen Fleisches in den unentgeltlich überlassenen Fleischläden am Oelberg nach einem von der Gemeinde genehmigten Preistarif selbst übernehme oder eine geeignete Persönlichkeit hiefür bestelle Redner erklärt, daß dieser Beschluß leider keinen günstigen Erfolg gehabt habe, nachdem sich niemand gefunden hat, der die Oelbergstände übernommen hätte, und scheine sich auch die Fleisch¬ hauer=Genossenschaft nicht weiter damit beschäftigt zu haben. Ein ähnlicher Beschluß wurde auch in die jetzigen Anträge wieder aufgenommen, jedoch wird derselbe in Punkt 2 b in der Weisc erweitert, daß die Aufstellung offener Fleischverkaufsstellen an stark besuchten Plätzen und Gassen, wie es in anderen Städten, so z. B. in Wien, bereits der Fall ist, in Betracht gezogen wird. Der Herr Referent erklärt weiters, die Fleischhauer seie! bereits vor wenigen Jahren dazu verhalten worden, an ihren Verkaufsplätzen und Fleischbänken die Preise der einzelnen Fleisch¬ zattungen nach der Qualität geordnet, ersichtlich zu machen. Es wurde auch in der Approvisionierungs=Ausschußsitzung dieser Punkt in Behandlung genommen und beschlossen, an die Fleisch hauer mit derselben Aufforderung wieder heranzutreten, nach¬ dem es jetzt vorkommt, daß man beim Rindfleisch oft Unter schiede im Preise von 96 h bis 1 K 50 h findet, also ein Differenz von rund 60 k per Kilogramm. Es könne auch der Bevölkerung nicht gleichgiltig sein, ob nur das sogenannte hoch¬ prima Fleisch oder ob auch die minderen Fleischsorten um 20 k erhöht werden sollen, denn, wenn die letzteren Sorten gleich hoch im Preise steigen sollten wie die ersteren, so trifft die Fleischpreiserhöhung die unbemittelten Klassen (Rufe Sehr richtig!), und aus diesem Grunde wäre es notwendig ge¬ wesen, daß die Preise für mindere Sorten auf der alten Höhe geblieben wären. Außerdem sei sich der Approvisionierungs=Aus¬ schuß nach der Erklärung der Fleischhauer=Genossenschaft nicht recht klar geworden, ob nur das Rindfleisch im Preise steigen soll, oder ob sämtliche Fleischsorten erhöht werden. Nachdem de Herr Genossenschafts=Vorsteher erklärt hat, daß die minderen Sorten nur um 10 k erhöht werden sollen, so wäre es gut ge wesen, wenn in der Erklärung die Erhöhung der Fleischpreise pezifiziert bekanntgegeben worden wäre, um sich hierüber im Klaren zu sein. Und um damit die Bevölkerung in Zukunft weiß, wie sie die einzelnen Fleischgattungen zu bezahlen habe, werden die Fleischhauer aufgefordert, vor ihren Geschäftslokalen die Preise der einzelnen Fleischgattungen genau ersichtlich zu machen und bitie er daher, Punkt 1 der örtlichen Anträge an¬ zunehmen Zu Punkt 3 der Anträge bemerkt der Herr Referent, daß die Fleischversorgung mit Lebendvieh für größere Städte so auch für Steyr nicht mehr ausreichend ist und man daher auf die Einfuhr von gestochenem Vieh angewiesen ist. Die Einfuhr von solchem ist aber im Sommer zum Teil ganz unmöglich, weil die Aufbewahrung von geschlachtetem Vieh und Fleisch in Steyr mangels jeder Kühlanlage unmöglich geworden ist. Ein weiterer Fehler sei der, daß auf der Strecke St. Valentin—Steyr keine Kühlwaggons laufen. Aber nur eine Kühlanlage zu schaffen sei eine sehr kostspielige Sache und man würde vielleicht ohne Er¬ folg arbeiten. Wenn man schon an diese Frage herantrete so müsse man sich auch mit der Erbauung eines Schlachthauses in Steyr vertraut machen. (Bravorufe Da werde dann Gelegenheit vorhanden sein, eine Kühl anlage zu errichten, um gestochenes Vieh nach Steyr bringen zu können. Diese Einrichtung habe auch in Linz und Wels bereits iute Früchte gezeitigt, indem die dortigen Bewohner mit der¬ selben einverstanden sind und sich auch die dortige Fleischhauer Genossenschaft schon damit befreundet hat, weil dadurch ein Vor teil für die Schlachtung des Viehes und für die Aufbewahrung des Fleisches verbunden ist. Die Stadtvertretungen werden je auch durch die fortwährende Fleischlenerung geradezu gezwungen, Schlachthäuser zu erbauen Punkt 4 der Anträge sei deshalb beschlossen worden, wei die Stadtgemeinde bei der Versorgung der Bewohner mit Lebens mittel auch wissen müsse, in welchen Bahnen sich diese Ein¬ richtungen fortbewegen und ob dabei nicht in irgend welcher Richtung noch etwas Günstiges für die hiesige Bevölkerung er reicht werden könnte Redner erwähnt weiters, daß die hiesigen Fleischhauer leb¬ haft darüber Klage führen, daß ihnen der Bezirk, aus welchem sie hauptsächlich ihr Vieh beziehen, nämlich der Amstettner und St. Peter Bezirk, immer mehr eingeengt wird, nachdem von iesem Bezirk sehr viel Vieh nach Deutschland exportiert wird. Es sei daher unbedingt notwendig, daß sich die Fleischhauer in Steyr um eine Erweiterung ihres Einkaufsgebietes umsehen, und zu einem solchen Verlangen habe die Bevölkerung der Stad auch ihr volles Anrecht. Wenn in den Nachbarbezirken kein Vieh nehr zu bekommen ist, so müssen sich die hiesigen Fleischhauer bemühen, geschlachtetes Vieh von auswärts nach Steyr zu bringen Ueber die Einführung von Kühlwaggons auf der Strecke Sankt Valentin —Steyr habe Redner bereits im Punkte 3 Erwähnung getan. In diesem Sinne richte sich auch Punkt 5 der örtlichen Anträge Die Punkte 6, 7 und 8 der Anträge seien wohl selbstver¬ ständlich und bitte er, auch diese zum Beschlusse erheben zu wollen. Bezüglich einer Auregung wegen einer eigenen Fleischaus schrottung der Gemeinde erklärt der Herr Referent, daß über dieses Kapitel bereits die traurigsten Erfahrungen in Oesterreich gemacht wurden, indem z. B. die Stadt Wien bei einem solchen Unternehmen Millionen daraufgezahlt hat, und glaube er, daß sich dies auch in Steyr nicht mit Erfolg durchführen lassen vürde, weil es hier an den nötigen Räumlichkeiten mangelt, sowie dabei eine Menge Fleisch verdirbt und auch die Ausübung dieses Handwerkes mit Schwierigkeiten verbunden sein dürfte und man dann zum Schlusse überhaupt daraufzahlen würde. Jedoch ei Redner der Ansicht, daß die Stadtgemeinde=Vorstehung, falls irgend eine Gemeinde eine Fleischausschrottung auf eigene Regie betreiben sollte, die Aufgabe übernehmen kann, sich gegebenen alls hierüber Bericht erstatten zu lassen. Redner bittet noch die Herren Gemeinderäte, den von Approvisionierungs=Ausschusse gestellten 8 Punkten der örtlichen Anträge zuzustimmen, nachdem dieselben reiflich erwogen und durchbesprochen worden sind Tribrunner erklärt, daß er noch einen Herr G.=R. Antrag vermisse, welcher bereits in der Approvisionierungs=Aus¬ chußsitzung zur Annahme gelangte und der sich mit einer an die Fleischhauer herauszugebenden Kundmachung befaßt. Redner erklärt, es sei Tatsache, daß nicht alle Fleischhauer mit der Fleischpreiserhöhung einverstanden sind, indem manche sogar elbst sagen, daß die Erhöhung eine mehr willkürliche als be rechtigte ist. Diese Fleischhauer seien aber der Meinung, daß sit das Fleisch unbedingt zu den erhöhten Preisen verkaufen müssen weil dies ein Beschluß der Genossenschaft sei Redner ist daher der Ansicht, man solle diese Fleischhauer durch eine Kundmachung darauf aufmerksam machen, daß sie nicht gestraft werden können wenn sie trotz des Beschlusses der Genossenschaft das Freisch billiger verkaufen Redner weist ebenfalls darauf hin, daß man nach der Kundmachung der Fleischhauer=Genossenschaft nicht im Klaren ist, ob nur Rindfleisch oder sämtliche andere Fleischgattungen um 20 Heller im Preise erhöht werden, und meine er schon, daß eine Preissteigerung von Kalb= und Schweinefleisch dermale: zar nicht am Platze wäre, da erwiesenermaßen die Preise für Schweine und Kälber dermalen niederer als in der verlaufenen Zeit sind. Er habe erst heute von zwei Bauern aus der um gebung Steyrs gehört, daß sie hiesigen Fleischhauern Kälber um 52 Kreuzer per Kilogramm angeboten hätten, daß ihnen aber von diesen gesagt worden sei, sie bekämen genug Kälber um 50 Kreuzer. Wenn vor einigen Monaten Kälber mit 60 bis 62 Kreuzer bezahlt werden mußten, jetzt aber um 50 Kreuzer jenug zu haben sind, so sei doch kein Anlaß da, die Preise and ür Kalbfleisch zu erhöhen. Das gelte auch für das Schweine leisch. Er sei daher der Ansicht, man solle den Fleischhauern bedeuten, daß der Gemeinderat denn doch annimmt, daß eine Preiserhöhung für Kalb= und Schweinefleisch nicht eintreten wird Weiters spricht sich Redner auch für eine Vermehrung den Viehmärkte in Stehr aus, nachdem hier nur zwei derartig Märkte im Jahre stattfinden, welche leicht auf vier erhöh werden könnten, um mehr Kaufgelegenheit zu schaffen. Er glaube daß dies keine so besonders großen Schwierigkeiten bei der Lande¬ behörde machen würde. Ferner stelle er an den Herrn Bürger¬ meister das Ersuchen, dahin zu wirken, daß am hiesigen Schweine¬ markt nicht nur ganze oder halbe Schweine zum Verkaufe ge¬ bracht werden sollen, sondern auch kleinere Stücke von 5 Kilo¬ gramm aufwärts, denn es gebe viele Personen, die nicht in der Lage sind, sich halbe oder ganze Schweine zu kaufen. Die weniger bemittelte Bevölkerung würde dies gewiß freudigst begrüßen und würde dies auch viel dazu beitragen, die Fleischnot zu lindern Außerdem wäre es sehr zu empfehlen, wenn die Stadtgemeinde angesichts der jetzigen Fleischpreissteigerung auch noch für den Ersatz von anderen Lebensmitteln, z. B. von Kraut und Kartoffeln Vorsorge treffen und derartige Verkaufsstellen errichten würde, vie es bei den Seefischen der Fall ist. Er bitte dies in nächster Zeit in Erwägung ziehen zu woller Herr Vizebürgermeister Fendt erklärt bezüglich der nicht recht klaren Kundmachung der Fleischhauer=Genossenschaft, es sei in der Zuschrift des Vorstehers derselben genau ersichtlich, daß

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