Ratsprotokoll vom 16. Dezember 1910

5 mit Bezug auf die ihnen zu Gebote stehenden Mittel in der Lage sind, der steigenden Lebensmittelteuerung wirksam zu begegnen. Insbesonders gilt dies bezüglich der Fleischnot, der nach der Ueberzeugung des Städtetages gründlich und dauernd nur durch eine Aenderung der Handelspolitik, das ist durch Oeffnung der Grenzen gegen die Balkanstaaten für die Ein¬ fuhr von Fleisch und lebendem Schlachtvieh sowie durch Ge¬ stattung der Einfuhr von überseeischem, namentlich argentini¬ schem Fleische in unbeschränkten Mengen und wenn möglich zollfrei abgeholfen werden kann. Der Städtetag fordert deshalb die hohe Regierung dringendst auf, die erforderlichen Mastnahmen für insolange in ausreichender Weise vorzukehren, bis sich die heimische Vieh¬ zucht entsprechend dem Bedarfe gehoben hat und insbesonders die ihr bereits vorliegenden Begehrschriften verschiedener Pro¬ vinzstädte nunmehr ohne Aufschub einer entsprechenden Er¬ ledigung zuzuführen. Das Präsidium des ständigen Ausschusses des Städte¬ tages wird ersucht, diese Entschließung sofort den Ministerien für Ackerbau und Handel zur Kenntnis zu bringen. Antrag des Gemeinderates Seidl (Troppau). 1. Die städtischen Abgeordneten sind zu ersuchen, mit aller Energie dahin zu wirken, daß bei Abschluß neuer Handels¬ verträge auf die Wahrung der städtischen Interessen gebührend Rücksicht genommen werde. Zur augenblicklichen Besserung der unerträglichen Fleischnot ist die Erlassung eines Ausfuhrver¬ botes zu verlangen, ebenso die Gestattung der Vieh= und Fleisch¬ einfuhr besonders aus Argentinien, Hand in Hand damit aber auch eine Ermäßigung des Einfuhrzolles auf überseeisches Fleisch. 2. An die Regierung ist eine Petition wegen Ermäßi¬ gung der Frachttarife für Lebensmittel aller Art, Holz und Brennmateriale, wenigstens auf die bis 1909 bestandenen Sätze, zu richten; die Reichsratsabgeordneten der Städte sind zu er¬ suchen, im gleichen Sinne auf die Regierung einzuwirken. 3. Die städtischen Reichsratsabgeordneten werden ersucht, die Vorlage eines die Preistreibereien unmöglich machenden Kartellgesetzes, insbesonders auch beim Kohlengroßhandel und dem Großhandel mit Eisen, unausgesetzt und energisch zu be¬ treiben. 4. Der VII. österreichische Städtetag wird ersucht, an die Regierung mit dem Ansuchen heranzutreten, eine zirka 50%ige Ermäßigung der Verzehrungssteuer eintreten zu lassen. Anträge des Delegierten Erb (1—4 wie die des Delegierten Seidl). 5. Die städtischen Abgeordneten sind aufzufordern, bei voll¬ ständiger Wahrung der städtischen Interessen zur Hebung der heimischen Bodenproduktion und der Viehzucht die Hand zu bieten. Antrag des Delegierten Pitacco. Der ständige Ausschuß des Städtetages wird ersucht, ohne Aufschub die nötigen Schritte einzuleiten, damit die Ein¬ fuhrsermächtnis der 800 Tonnen argentinischen Fleisches, die für die nächste Sendung bestimmt sein sollen, allen Städten gesichert sei. Ein weiterer Punkt der Tagesordnung: Schaffung einer österr. Städtezeitung wurde mit Rücksicht auf die obwalten¬ den Schwierigkeiten abgelehnt. Es sind nämlich zwei sehr kostspielige Offerte vorgelegen und würden in beiden Fällen die Kosten, welche den Statutar¬ tädten erwüchsen, kaum in einem richtigen Verhältnisse zu den Vor¬ teilen stehen, die sie von einer solchen Publikation erwarten könnten. Es wurde noch beschlossen, in nächster Zeit einen allge¬ meinen Städtetag in Oesterreich einzuführen, wo nicht nur die statutarischen Städte, sondern alle anderen Städte teilnehmen sollen. Die Stadt Wien hat durch ihr besonderes Entgegenkommen, durch Auflage der Drucksorten 2c., die Verhandlungen sehr er¬ leichtert und ist bei der nachfolgenden Delegiertentafel der Ge¬ meinde Wien von mehreren Rednern hiefür der Dank ausge¬ sprochen worden. Die Vertreter haben dem Gründer des Städtetages, Doktor Lueger, einen Kranz aufs Grab gespendet und wurde außerdem dem Denkmalfonde ein Betrag zugeführt. Der Herr Bürgermeister schließt nun seinen Bericht und dankt für die Aufmerksamkeit. Herr G.=R. Millner dankt dem Herrn Bürgermeister im Namen des Gemeinderates für die großen Bemühungen und besonders für die ausführliche und vorzügliche Berichterstattung. Hierauf Erledigung der Tagesordnung. I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr G.=R. Hanns Millner. Gesuche um Aufnahme in den Gemeindeverband und Ansuchen um Bürgerrechtsverleihung. Wird vertraulich behandelt. 2. Antrag des G.=R. Friedrich Landsiedl betreffend ermäßigter Fahrkarten nach Steyr auf der Steyrtalbahn. Hierüber liegt folgender Sektionsantrag vor: Der löbl. Gemeinderat wolle beschließen, die Steyrtalbahn¬ Gesellschaft von dem Inhalte dieses Antrages mit dem Ersuchen in die Kenntnis zu setzen, dieselbe wolle der hiesigen Geschäfts¬ welt und den Gewerbetreibenden nach Tunlichkeit durch Herstel¬ lung von günstigen Zugsverbindungen und Fahrpreisermäßi¬ gungen entgegenkommen. Herr G.=R. Stigler ergreift vor allen anderen zu diesem Antrage das Wort, weil er in demselben persönlich apo¬ strophiert erscheine. Es sei dies nicht gerechtfertigt, da er nicht allein, sondern auch andere Faktoren hierüber zu entscheiden haben. Bei der Steyrtalbahn=Gesellschaft sei die Stadtgemeinde mit 600.000 K und die übrigen Aktionäre mit 4,000.000 K beteiligt. Jeder dieser Aktionäre kann durch seine Vertretung einen Einfluß ausüben. Was die Zugsverbindungen anbelangt, werden dieselben auf das kulanteste durchgeführt, soweit es eben möglich ist. Was über den Rahmen des Erträgnisses der Bahn gehe, könne man nicht verlangen. Bezüglich der Fahrpreis¬ ermäßigung sind schon seinerzeit Versuche gemacht worden, die aber nicht den erwünschten Erfolg hatten, da trotz der Ermäßi¬ gung nicht mehr Leute gefahren sind als sonst. Gegen den übrigen Antrag habe er sonst nichts einzuwenden. Redner sagt noch, daß er in Erfahrung brachte, daß man in den angrenzen¬ den Orten der Steyrtalbahn eine Fahrpreisermäßigung nach Steyr nicht wünsche, weil die Bewohner dieser Orte dann mehr nach Steyr fahren würden, wodurch deren Geschäftsleute ge¬ schädigt würden. Mit den Fahrpreisermäßigungen für die Touristen ist man darauf gekommen, daß die Bahn infolge der starken Benützung von Touristen doch auf ihre Rechnung kommt. Herr G.=R. Stigler erwähnt nochmals, daß er nicht in der Lage sei, hierüber allein zu entscheiden, sondern andere Faktoren hiefür maßgebend sind. Herr G.=R. Landsiedl kann sich der Ansicht des Herrn Vorredners nicht anschließen, sondern ist der Meinung, daß der Präsident wohl sehr viel Einfluß habe und hofft, daß Herr G.=R. Stigler im Interesse der Stadt Steyr wirken wird. Er glaubt, Herr G.=R. Stigler sollte nicht für die Wünsche der Außenorte, sondern für Steyr eintreten. Die Steyrtalbahn wäre a dazu gebaut worden, daß Leute nach Steyr hereinkommen. Als Antragsteller habe er bezüglich der Fahrpreisermäßigungen an die nahe der Kremstalbahn gelegenen Orte gedacht, deren Bevölkerung bis heute mit Rücksicht auf die billigeren Fahrpreise auf der Kremstalbahn lieber nach Linz fahren. Die vom Herrn G.=R. Stigler erwähnten seinerzeitigen Fahrpreisermäßigungen hätten dem Publikum entsprechend zur Kenntnis gebracht werden sollen, da diese sonst nicht den gewünschten Erfolg haben können. Herr G.=R. Stigler erwidert hierauf, daß es nicht richtig sei, daß die seinerzeitigen Fahrpreisermäßigungen nicht publiziert worden wären. Daß die Fahrpreise auf der Krems¬ talbahn heute billiger sind als auf der Steyrtalbahn, finde er selbstverständlich, da die Kremstalbahn heute im Staatsbetriebe steht. Nachdem die Steyrtalbahn hauptsächlich mit dem Per¬ sonentransporte zu rechnen hat, könne man sie nicht mit der Staatsbahn in Vergleich ziehen und daher auch nicht auf die Preistarife der Staatsbahn herabgehen. An der weiteren Debatte über diesen Punkt der Tagesordnung beteiligten sich noch die Herren G.=R. Huber und Millner, worauf schließlich der Sektionsantrag angenommen wird. 3. Amtsbericht wegen Bereitstellung eines Kon¬ tumazstalles. Der Herr Referent erklärt, die Sektion findet mit Rücksicht auf die im Amtsberichte angeführten Gründe die Be¬ reitstellung eines Kontumazstalles für notwendig und stellt daher den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle den Herrn Bürgermeister beauftragen das Nötige in dieser Angelegenheit zu veranlassen und hierüber dem Gemeinderate Mitteilung zu machen. Der Antrag wird angenommen. 4. Amtsbericht bezüglich der Gemeinderatswahlen im Jahre 1911. Der Sektionsantrag hierüber lautet: Der löbliche Gemeinderat wolle zur Vornahme der Er¬ gänzungswahlen, und zwar für den I. Wahlkörper 2 Mitglieder, für den II. Wahlkörper 3 Mitglieder, für den III. Wahlkörper 3 Mitglieder, für den IV. Wahlkörper 1 Mitglied, sämtliche auf 3 Jahre, folgende Wahltage bestimmen: Für den IV. Wahlkörper: Sonntag, den 5. März 1911 (Hauptwahltag), Montag, den 6. März 1911 (ev. engere Wahl). Für den III. Wahlkörper: Dienstag, den 7. März 1911 (Hauptwahltag), Mittwoch, den 8. März 1911, (ev. engere Wahl. Für den II. Wahlkörper: Freitag, den 10. März 1911 (Hauptwahltag), Samstag, den 11. März 1911 (ev. engere Wahl). Für den I. Wahlkörper: Montag, den 13. März 1911 Hauptwahltag), Dienstag, den 14. März 1911 (ev. engere Wahl). Die Wahl im IV. Wahlkörper ist in zwei Sektionen zu teilen und hätten in der 1. Sektion die Wähler vom Anfangs¬

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