Ratsprotokoll vom 13. Juli 1906

2 In der Sitzung des oberösterreichischen Landtages vom 23. November 1905 wurde als Antrag eingebracht und auch einhellig angenommen: „Daß die Gemeinden für ihre Zwecke berechtigt werden sollen zur Einhebung a) einer sogenannten Bauplatzsteuer, b) einer sogenannten Wertzuwachssteuer von Grund und Boden.“ Sämtliche Besitzer landwirtschaftlicher Realitäten in Linz und Urfahr, der Verein der Hausbesitzer in Linz und eine Reihe großer Linzer Handelsfirmen haben bereits dagegen Stellung ge¬ nommen und um Ablehnung dieser Gesetzentwürfe angesucht. Der hohe oberösterreichische Landesausschuß hat nach Kenntnisnahme dieser Eingaben an die Vertretungen der ober¬ österreichischen Stadtgemeinden, welche für die Einführung der Bauplatz= und Wertzuwachssteuer in erster Linie in Frage kommen, Einladungen gerichtet, sich über diese Gesetzvorlagen zu äußern. Auch die Stadtgemeinde Steyr wurde mit Note des ober¬ österreichischen Landesausschusses vom 28. Mai 1906, Z. 12.909, eingeladen, sich über diese Fragen gutächtlich zu äußern. Die I. Sektion hat nun diese Angelegenheit eingehendst durchberaten und kann dem löblichen Gemeinderate nur empfehlen, ich auch für die Ablehnung dieser beiden Gesetzvorlagen auszu¬ sprechen, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Die Belastung von verbautem und unverbautem Grund und Boden in Oesterreich mit Steuern und Gebühren ist bereits eine derart hohe, daß jedem Versuch einer Neubelastung desselben entschieden entgegengetreten werden muß. Wir in Oesterreich haben ohnedies die höchste Gebäude¬ steuer in der 20%igen respektive 26½%igen Hauszinssteuer; 2•7%ige Grundsteuer; dann leisten wir die nicht viel niedrigere 2 überdies wird das mit der Grund= und Hauszinssteuer schon hoch belastete Einkommen aus dem Realbesitze noch durch die progressive Personal=Einkommensteuer getroffen. Weiters haben wir bei jeder Besitzübertragung von Grund und Boden unter Lebenden eine Uebertragungsgebühr von 3% bis 4% zu entrichten und müssen von jeder Belastung mit Hypo¬ thekarschulden eine Intabulationsgebühr von ½% samt 25% Zuschlag entrichten. Das sind genug Steuern und Gebühren von Grund und Boden, daß sich niemand noch eine weitere Erhöhung dieser Ab¬ gaben wünschen kann. Dieser Grund allein genügt schon, um sich gegen die Ein¬ führung dieser neuen Steuern auszusprechen. Allein es liegen noch folgende Ablehnungsgründe vor: 2. Die Feststellung der Grundlagen dieser Steuern sind nur mit vieler Mühe, großen Kosten und mit mancher Vexierung des Steuerpflichtigen möglich, dies alles soll aber bei einer guten Steuer vermieden werden. Insbesondere wird hier auf die Kom¬ pliziertheit der Berechnung des Grundwertzuwachses hingewiesen und auf die Notwendigkeit von Schätzungen, die einerseits große Kosten verursachen, anderseits aber oft an Unerläßlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. 3. Mangelt der Bauplatzsteuer, insbesondere aber der Wertzuwachssteuer das Kriterium einer sicheren stabilen Ein¬ nahme für die Gemeinde. Da die Bildung von Bauplätzen von Umständen abhängt, worauf die Gemeinde keinen Einfluß hat, vermag die Gemeinde auf einen bestimmten jährlichen Ertrag nicht zu rechnen. Noch viel weniger aber vermag dieselbe dies bei der Wertzuwachssteuer, deren Ertrag von der größeren oder geringeren Menge von Grundkaufverträgen abhängig ist. Gerade zur Zeit finanzieller Kalamitäten in der Gemeinde, wo sehr wenig Grundkäufe naturgemäß vorkommen und die Gemeinde die Steuern am notwendigsten brauchen würde, müßte diese Steuerquelle am raschesten versiegen. 4. Erscheint die Einführung dieser neuen Steuern vom Standpunkte der Gerechtigkeit und Billigkeit, worauf es sicherlich auch ankommt, durchaus nicht gerechtfertigt. Wenn auch gesagt wird, daß die Grundspekulation ein ge¬ eignetes Steuerobjekt ist, so vermag dieser Umstand ein Gesetz nicht zu rechtfertigen, wodurch auch alle übrigen Grundbesitzer getroffen werden, welche keine Grundspekulanten sind, das ist eben ungerecht; weiters würde die sogenannte Wertzuwachssteuer, welche jedesmal bei der Besitzübertragung zu entrichten käme, nicht den Charakter einer Steuer, sondern einer Gebühr an sich tragen, welche aus dem Grunde nicht gerechtfertigt wäre, da die Gemeinde den Gebührenpflichtigen dafür nichts leistet. Was in dieser Richtung gegen die Wertzuwachssteuer spricht, gilt in erhöhtem Maße gegen die Bauplatzsteuer. Insbesondere aber ist das Argument, daß durch diese Steuern die Wohnungs¬ zinse billiger werden, total hinfällig, gerade im Gegenteile, so¬ bald die Bauplätze, welche ohnedies gar keinen Ertrag abwerfen und von denen trotzdem die Grundsteuer bezahlt werden muß, noch mit der Bauplatzsteuer und beim Verkaufe sogar mit der Wertzuwachssteuer getroffen werden, so müßten die Erbauer der Wohnhäuser diese neuen Steuern wieder durch höhere aber nicht niederen Mietzinsen hereinzubringen suchen, es würde dadurch also nur eine Steigerung und nicht eine Herabsetzung der Miet¬ zinse erwirkt werden. Eine weitere Folge der Einführung dieser beiden neuen Grund=Bodensteuern wäre es, daß die Bautätigkeit, welche speziell n Steyr ohnedies sehr minimal ist, noch weiters lahm gelegt würde, und was die Gemeinde auf der einen Seite durch diese raglichen Steuern profitieren würde, das entginge ihr auf der anderen Seite durch die Folgen der lahm gelegten Bautätigkeit wieder. Schließlich ergibt sich die Ungerechtigkeit der Bauplatzsteuer und der Wertzuwachssteuer hauptsächlich auch daraus, daß diese Steuern nur eine gewisse Gruppe von Gemeindemitgliedern (die Grund- und Hausbesitzer) treffen würde, welche ohnedies schon mit Abgaben überlastet sind, während der Wertzuwachs bei vielen anderen Objekten, welche mit weniger belastet sind, unbesteuert blieb, die Gemeindemitglieder aber alle verhältnismäßig zu den Lasten der Gemeinde beitragen sollten. Es ließen sich noch eine Reihe Gründe gegen die Ein¬ führung dieser neuen Gemeindesteuern geltend machen, allein die I. Sektion ist der Anschauung, daß bei Würdigung aller im Vorliegenden geltend gemachten Bedenken der löbliche Gemeinde¬ rat seine Stimme nicht für diese neuen Gemeindesteuern abzu¬ geben vermag, welche in ihren Wirkungen den Gemeinden nicht zum sonderlichen Nutzen gereichen können, die Besitzer von Grund und Boden aber neuerdings schwer belasten und empfindlich schädigen würden. Die 1. Sektion stellt demnach den Antrag: Der löbliche Gemeinderat der landesfürstlichen Stadt Steyr wolle beschließen: Es werde vorstehende gutächtliche Aeußerung über die dem hohen oberösterreichischen Landtage vorgelegten Ge¬ etzentwürfe betreffend die Einführung einer Bauplatz= und einer Wertzuwachssteuer von Grund und Boden zu Gemeindezwecken dem hohen oberösterreichischen Landesausschusse mit der Bitte vorgelegt: Hochderselbe geruhe, die vorgebrachten Bedenken in eingehende Erwägung zu ziehen und die vorliegenden Gesetz¬ entwürfe über die Einführung einer Bauplatz= und einer Wert¬ zuwachssteuer von Grund und Boden zu Gemeindezwecken ab¬ zulehnen. Der Sektionsantrag wird einstimmig angenommen. Z. 12.402 2. Zuschrift der Gemeinde Unzmarkt um Anschluß an den dortigen Beschluß wegen Erlangung einer direkten Bahnverbindung von Selztal nach Unzmarkt. Ueber die vorliegende Eingabe stellt die Sektion folgenden Antrag: Nachdem durch den Ausbau der projektierten Bahnlinie Selztal—Unzmarkt der Verkehrsweg nach dem Süden bedeutend abgekürzt würde, dadurch ein rascherer und billigerer Personen und Frachtentransport zu erreichen wäre, erscheint die Realisierung dieses Projektes gewiß auch im Interesse der Stadt Steyr ge¬ legen, und stellt daher die 1. Sektion den Antrag: Der löbliche Gemeinderat wolle beschließen: Es werde die von der Marktgemeinde=Vorstehung in Unzmarkt eingeleitete Aktion wegen Ausbau der vom k. k. Ministerium projektierten Bahnlinie Selztal—Unzmarkt mit Rücksicht auf die wirtschaft¬ lichen Vorteile, welche auch der Stadt Steyr aus dieser bedeutend kürzeren Bahnverbindung durch rascheren und billigeren Per¬ onen= und Frachtentransport erwachsen dürften, freudigst be¬ grüßt und schließt sich die Vertretung der Stadt Steyr dieser Aktion vollkommen an. Einstimmig nach Antrag. — Z. 14.687. 3. Rekurse gegen eine Armenrats=Entscheidung. Ueber vorliegenden Erlaß des oberösterreichischen Landes¬ ausschusses Linz, womit die abermalige Einholung einer Ent¬ scheidung des Gemeinderates über dessen Rekurs in Armensachen aufgetragen wird, stellt die l. Sektion den Antrag: Nachdem durch die gepflogenen Erhebungen die Gründe der Abweisung des Rekurses nicht wesentlich alteriert wurden, wolle der löbliche Gemeinderat beschließen: Es werde der in der Ge¬ meinderatssitzung vom 6. April 1906 ad Nr. 1046 gefaßte Be¬ schluß auf Abweisung des Rekurses des Franz Thaler gegen die Entscheidung des städtischen Armenrates vom 15. Dezember 1905, Nr. 25.080, aufrecht erhalten. Einstimmig nach Antrag. — Z. 13.637. 4. Besetzung einer provisorischen Sicherheitswach¬ mannstelle. Der Herr Referent gibt bekannt, daß um die ausgeschriebene Sicherheitswachmannstelle fünf Bewerber eingeschritten sind und stellt namens der Sektion folgenden Antrag: Nachdem unter den fünf Kompetenten um diese Stelle als der Geeignetste Isidor Auer erscheint, stellt die 1. Sektion den Antrag: Der Gemeinderat wolle beschließen: Es werde die mit Konkurs=Ausschreibung vom 16. Mai 1906, Z. 51/V. P. ausge¬ schriebene Stelle eines städtischen Sicherheitswachmannes dem Be¬ werber Isidor Auer verliehen. Die Anstellung erfolgt vorläufig provisorisch mit einem Taggelde von 2 K 60 h und kann erst nach einer einjährigen tadellosen Dienstleistung und abgelegten Prüfung zu einer defini¬ tiven werden, in welchem Falle dem Angestellten die durch das Gesetz vom 26. Dezember 1899, R.=G.=Bl. Nr. 255, für den Wachmann II. Klasse festgestellten Gebühren zukommen. Während des Probejahres hat der Angestellte Anspruch auf kasernmäßige Bequartierung, auf die Montur, Ausrüstung und die Gewährung der Heilungskosten im Falle einer Erkrankung. Er ist verpflichtet, an der gemeinsamen Menage teilzu¬ nehmen und kann jederzeit innerhalb des Probejahres ohne An¬ gabe eines Grundes wieder entlassen werden. Die Probedienstleistung wird im Falle definitiver Anstel¬ lung bei der Pensionierung in die Gesamtdienstzeit eingerechnet. Einstimmig nach Antrag.

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