Gemeinderatsprotokoll vom 4. Mai 1946

Bürgermeister Leopold Steinbrecher eröffnet die Sitzung, begrüsst die erschienenen Mitglieder des Gemeinderates, den anwesenden ehemaligen Gouverneur 1st Lt. Frank Ferentchak, die Vertreter der Behörden und führt aus: "Auf den Tag vor einem Jahr rollten die ersten amerikanischen Panzer in Steyr ein. Der verbrecherischste und wahnsinnigste Krieg aller Zeiten ward für unser Vaterland beendigt, unsere Stadt war frei, frei von einem siebenjährigen Druck, von einer Herrschaft, deren Methoden der Grausamkeit - so wollen wir mit heissem Herzen hoffen - wohl für alle Zeiten der Vergangenheit angehören. Und so ist es nicht nur unsere Pflicht, den Offizieren und Soldaten der USA unseren aufrichtigsten und wärmsten Dank zu sagen, sondern sie auch zu versichern, dass diese Dankbarkeit in unseren Herzen und in den Herzen unserer Kinder für immer weiter leben wird. Aber ein Wehrmuthstropfen mischt sich in unsere Freude: Wir sind zwar befreit, aber noch nicht frei, noch kein souveräner Staat. Noch ist sich der Alliierte Rat nicht sicher, ob wir Österreicher auch reif sind für die Demokratie, würdig als vollwertige Mitglieder in die Vereinigung der Völker einzuziehen. Aber dieses Misstrauen ist unbegründet. Wir Österreicher sind aufrichtige Demokraten und Pazifisten, wir sind ein fleissiges Volk, wir lieben die Musik und sind naturverbunden mit unserer schönen Heimat. Wann hat jemals eine Generation so Unerhörtes erlebt, als unsere Generation! 2 Weltkriege, Revolutionen, zwei faschistische Systeme. Aber gerade die Arbeiterschaft dieses Staates hat unter Beweis gestellt, dass sie antifaschistisch war und ist. Die Arbeiterschaft hat im Feber 1934 auf den Barrikaden für Österreich gekämpft, für ein demokratisches Österreich. Sie ist in diesem Kampfe unterlegen und politisch entrechtet. worden. Klar also, dass im Jahre 1938 die inneren Widerstandskräfte Österreichs völlig lahm gelegt waren, so dass es eine leichte Beute des nationalsozialistischen Faschismus wurde, der unser Land schon vor der Okkupation wirtschaftlich zu erwürgen drohte. Und es gab natürlich viele Österreicher, die den

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