Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—23— Stadtmauern ihre Häuser errichteten, ist anzunehmen, dass sie in ihrer sozialen Schicht zu den ärmeren Stadtbewohnern zählten. Bis zur Unterbrechung der Entwicklung in der Zeit der Gegenreformation um 1620 hatte sich aus primitiven Anfängen das Handwerkerhaus der Kleinbürger entwickelt. Es wurde im Bereich des Aichet und des Kegelpriel geländemäßig bedingt in der Regel am Hang erbaut. Als frühe Aspekte sind nur Wohnen und Werken zu erkennen. Für Wohnen und Werken bildete dieses Haus den allernotwendigsten Raum. Erst mit einem langsamen Anwachsen der Prosperität nahm dieses frühe Kleinbürgerhaus Formen an, die eine bescheidene Repräsentation verrieten. Im Aichet herrschte - wie erwähnt - dieser Haustyp vor. Die Hanglage erforderte eine derartige Hausform. Gebaut wurde deshalb nur am Hang, weil die Steyrniederung durch häufige Hochwässer überschwemmt wurde. Ein solches Kleinbürgerhaus soll noch gesondert beschrieben werden. Um 1600 zeigt der Stich von Hauser in Aichet eine geschlossene Bebauung nur am Bründlplatz, nach der Abzweigung der Aichetgasse von der Siechengasse, im Bereich der vorher erwähnten Kapelle, am Ahlschmiedberg und am Hammerschmiedberg. Die Bucklige Wiese blieb von einer Bebauung wegen des labilen Untergrundes ausgeklammert. Anfang des 17. Jahrhunderts vor der großen Auswanderung, die infolge der Gegenreformation stattfand, finden sich laut den Steuerbüchern im alten Kern des Steyrdorfes, im inneren Steyrdorf, sieben Handelshäuser, welche Eisenwaren vertrieben. Es sind sechs Messerer und ein Schrater hier ansässig. Im ummauerten Außersteyrdorf arbeiteten und wohnten zweiunddreißig Messerer. Vier eisenverarbeitende Gewerbe waren hier angesiedelt. Drei Schleifer und zwei Eisenhändler hatten ihre Wohnhäuser in diesem Stadtteil. Im Örtl zählte man um diese Zeit sechsundzwanzig Messerer und einen Schmied. Im Ennsdorf betrieben drei Messerer, zwei Schmiede, fünf Nagelschmiede, zwei Schlosser, drei Sporer, ein Schwertschmied, zwei Ringmacher, ein Schermesserer und ein Ahlschmied ihr Gewerbe. Im Stadtzentrum fand sich von den eisenverarbeitenden Betrieben nur ein Schmied, dagegen besaßen vierundvierzig Kaufleute, die mit Eisen und Eisenwaren Handel trieben, Häuser im Zentrum. Am Wieserfeldplatz, in der Bruchbodengasse und der Siechengasse bis zum Wehrgraben in der Steyrniederung waren zweiundsiebzig Messerer, drei Scherschmiede, zwei Huf- und Wagenschmiede zwei Feilschmiede und ein Haubenschmied in ihren Wohnhäusern mit Werkstätten ansässig. Im Aichet gab es zehn Messerer, vier Scherenschmiede, zwei Schermesserer, einen Schwertschmied, einen Pfriemschmied, zwei Zweckschmiede, einen Drahtzug, ein Hammerwerk, einen Schrettschmied und einen Ahlschmied. Fünf Schleifer, die ihre Werkstatt in der Ersten Zeugstätte hatten, wohnten im Aichet. Die erhöhte Produktion der Eisenwaren hatte zu einem gewaltigen Wachstum der Stadt geführt, das nun, da die stadtnahen Flächen imWieserfeldbereich überbaut waren, um 1550 weiter nach Westen in das Aichet ausgriff. Im Stadtzentrum selbst waren kaum Handwerker, die grobes Eisen verarbeiteten, anzutreffen. Eine Schmiedewerkstätte im Grünmarktbereich, die bis in das 20. Jahrhundert bestand, hatte für das Beschlagen der Pferde zu sorgen, die von den Handelsherren für ihren Fuhrpark gehalten wurden. Hier im Zentrum saßen die reichen Familien, die mit Venedig handelten und mit den Reichsstädten Nürnberg und Regensburg rege Verbindung unterhielten. Durch diese Eisenhändlerfamilien gelangte stets der letzte Modetrend in die Stadt und beeinflusste die Baustilentwicklung und die Baugesinnung. So hatte die im 14. und 15. Jahrhundert zu großem Wohlstand gelangte Bürgerschaft mit den alten Bauten aufgeräumt und mit dem aus dem Eisen gewonnenen Reichtum der Hochkultur der Gotik und später der Renaissance entsprechend ihre Wohnstätten neugestaltet. Nicht nur ihre Wohnstätten gestalteten die reichen Bürger nach dem neuen Geschmack. Sie traten auch als großherzige Stifter bei kirchlichen Bauvorhaben auf. So ließ zum Beispiel der reiche Handelsherr Lorentz Gutprot, den wir als Besitzer der Ersten Zeugstätte kennen, ein Jahr vor seinem Tod im Nordportal der Stadtpfarrkirche das Maria End-Relief errichten. Sein Epitaph ist in der Torhalle der Kirche zu sehen. Stadtbrände haben eine große Menge der ursprünglichen Bausubstanz zerstört, sodass fast nur Substanzreste des ursprünglichen Hausbestandes in den Teilen des westlichen Steyrdorfes, des Wieserfeldes und der Sierningerstraße (früher Siechengasse) nach den Bränden von 1554, 1724 und 1842 vorhanden waren.

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