Die oberösterreichische Messerindustrie

70 Wochenerzeugung schon 13.000 Gewehre . 1 Die zahlreichen Aufträge erforderten eine Erweiterung der Fabriksanlagen, Gründe wurden ange- kauft und mit Fabriksobjekten versehen. 1869 wurden 4.500 Arbeiter beschäftigt, 1890 bereits mehr als 10.000 bis zum Jahre 1884 wurden 2,421.000 Gewehre erzeugt, dazu mehrere Millionen Gewehrbestandteile. Von 1887 - 1892 erreichte die Produktion 1,082.324 Gewehre und 1,122.400 Gewehrbestandteile . 2 Steyr war zur Waffenschmiede Europas geworden. Josef Werndl, der geniale Generaldirektor, sorgte vorbildlich für das Wohl seiner Arbeiter, die für die damalige Zeit sehr gut entlohnt wurden. Viele werkseigene Wohnhäuser dienten der Unterkunft der Arbeitnehmer. Am 29. April 1889 starb Josef Werndl, der "Vater der Arbeiter", der in sich noch wertvollste Hand- werkstradition vereinte. Am offenen Grabe sprach ein einfacher Arbeiter die letzten Worte zu diesem größten Sohne der Eisenstadt: "Der hier zu Grabe Getragene hat sich in vielen Fällen und in seinem Handeln überhaupt als Mann gezeigt, wie man ihn unter seinesgleichen nicht so leicht finden wird: als eine Ausnahme der Kapitalis- ten, der in so manchen Fällen das Recht des Schwächeren vor der Macht des Stärkeren geschützt, der so manches Vorgehen von höherer Seite als unmoralisch zurückgewiesen. Wir Arbeiter der Österreichischen Waffenfabrik bedauern sehr den Verlust, den wir durch sein Hin- scheiden erlitten, und zweifeln sehr daran, dass die Verhältnisse, wie derselbe sie für uns gestaltete, uns für die Zukunft erhalten bleiben werden. Ich glaube im Sinne der gesamten Arbeiter der österrei- chischenWaffenfabrik gesprochen zu haben, wenn ich dem Dahingeschiedenen nachrufe: Ehre seinem Andenken! " 3 Später erzeugte die hiesige Waffenfabrik auch andere technische Geräte. Schon Werndl hatte die Bedeutung der Elektrizität voll erkannt. 1884 konnte sich Steyr rühmen, die erste elektrische Ausstel- lung der Monarchie beherbergen zu dürfen, die Kaiser Franz Josef persönlich besuchte. 4 Elektrische Glühlampen, Motore, Dynamos wurden erzeugt. Seit 1893 das "Steyrer Waffenrad", als Vorläufer der heutigen "Puch - Räder" . 5 Die Fabrikanlagen der Waffenfabrik lagen vorerst an den Ufern der Steyr, dort, wo einst das Schleifergewerbe zu Hause war. 1912 - 1914 erbaute die Waffenfabrik-Gesellschaft das heutige Hauptwerk der "Steyr-Daimler-Puch A.G." auf den Plattnergründen in Ennsdorf, wo später die Auto- erzeugung Fuß fasste. Es erscheint verständlich, dass das große Aufkommen der österreichischen Waffenfabrik weitge- hend das Bild im gewerblichen Leben der Stadt Steyr veränderte. Wie ein Magnet, so zog die Werndlsche Erzeugung all die Menschen an, die sich durch Fabrikarbeit eine Besserung ihrer Lebenshaltung erhofften . 6 Die unzufriedenen Gesellen und Lehrlinge, denen die hart um ihre Existenz ringenden Handwerksmeister nicht zu zahlen vermochten, gingen in die Fabrik, wurden zu fixen Lohnempfängern, wurden allerdings auch aus dem Kreise individueller Tätigkeit in ein kollektives Arbeitsschema eingebaut. Die Frage der ideellen Entwurzelung dieser Menschen, die das patriarchalische Zuhause des Meis- ters gegen eine Freiheit eintauschten, mit der sie vielfach nichts anzufangen wussten, das Zerreißen aller Bande bevor neue geschaffen wurden, sollte für die Zukunft manch ernstes Problem ergeben. Die Fabrik konnte in Zeiten der Hochkonjunktur hohe Löhne und Gehälter zahlen, insbesondere Messerer, die ausgelernt hatten, waren der neuen Industrie willkommen. Diese beherrschten das formschöne Feilen perfekt, ein nicht unwichtiger Vorgang bei der Gewehrherstellung. Auch Schmiede- arbeiten aller Art, sowie Polier- und Schleiferarbeit galt es in der neuen Waffenfabrik durchzuführen, entsprechende Löhne wurden denen bezahlte die diese Tätigkeiten beherrschten. Schließlich kam es soweit, dass selbst mancher Meister Feile und Hammer beiseitelegte, seine Esse verlöschte, um eine weitere Nummer im Kreise der Arbeitnehmer der Waffenfabrik darzustellen. Eine 1 a.a.O., Österreichs Industrie. 2 a.a.O., Ofner, S. 132. 3 a.a.O., Ofner, S. 133. 4 Steyrer Geschäftskalender, 1890, S. 104. 5 a.a.O., Ofner, S. 134. 6 a.a.O., Rolleder, S. 86.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2