Die oberösterreichische Messerindustrie

69 Gott sei Dank — nicht nötig! 1 Die Folgen solch einer Haltung ließen nicht lange auf sich warten. Bereits um die Jahrhundertwende gehörte das Handwerk der Messerer im Wesentlichen der Vergangenheit an. 3. Aufkommen und große Entwicklung der Werndlschen Waffenfabrik: Die altberühmte Elsenstadt Steyr widmete sich nebst der Erzeugung von Messern, Werkzeugen, Ketten etc. auch von jeher der Waffenerzeugung und die Steyrer Waffen, Kürasse, Säbel, Lanzen usw. waren ebenso bekannt wie die übrigen Stahl- und Eisenwaren. 2 Untere den Steyrer Waffenschmieden gewann in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Name Werndl immer mehr an Bedeutung. LeopoldWerndl, der Vater des später zu so großer Berühmt- heit gelangten Josef Werndl, übte ursprünglich das Bohrerschmiedhandwerk in Steyr, Wieserfeldplatz 37, aus. Dann ging er zur Erzeugung von Waffenbestandteilen über, wobei er zeitweise 450 Arbeiter beschäftigte . 3 Der am 26.2.1831 geborene Josef Werndl absolvierte die Lehre beim Wiener Gewehrfabrikanten Fruhwirth. Während seiner Militär-Dienstzeit bei einem Wiener Chevauleger-Regiment arbeitete er in der staatlichen Waffenfabrik in Währing als Büchsenmacher. Hiebei lernte Werndl moderne, aus Ame- rika eingeführte Maschinen für die Massenproduktion kennen. In den folgenden Jahren begab sich Werndl nach Thüringen und anschließend in die USA. Er arbei- tete in Ilion und Hartford und kehrte mit reichen Fachkenntnissen in die Heimat zurück. Im Wehrgra- ben errichtete er im Jahre 1853 eine Polier- und Schleiferwerkstätte. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1855 führte er gemeinsam mit seiner Mutter das Unternehmen. 4 Gemeinsam mit seinem Werkmeister Karl Holub konstruierte Werndl 1863 einen zweckmäßigen Verschluss für Hinterladergewehre, der alle bisherigen Systeme übertraf. Reisen in die Neue Welt dien- ten der Ausstattung der Waffenfabrik mit modernsten Maschinen. 1864 wurde die Firma "Josef und Franz Werndl & Comp., Waffenfabrik und Sägemühle in Oberletten mit dem Sitz in Steyr" gegründet. Die Niederlage bei Königgrätz 1866 veranlasste die österreichische Heeresverwaltung, Hinterlader- gewehre einzuführen. Zunächst hatte Werndl Vorderladergewehre auf Hinterlader umzuarbeiten. 1867 langte in Steyr die Bestellung auf 250.000 Werndlgewehre ein. Steyr war zur Waffenschmiede der Monarchie geworden . 5 Im Jahre 1869 wurden die Josef Werndl'schen Werke in eine Aktiengesellschaft unter dem Titel "Österreichische Waffenfabriksgesellschaft" umgewandelt. Das Aktienkapital betrug 6 Millionen Gul- den in 30.000 Stück Aktien zu je 2000 Gulden. Der bisherige Chef der Fabrik, Josef Werndl, wurde Generaldirektor. Das Unternehmen nahm einen ungeahnten Aufschwung, der Geschäftsverkehr erstreckte sich bald auf den ganzen Erdball. Deutschland, Frankreich, England, Rumänien, Portugal, Nord- und Südamerika, ja Persien und China traten als Auftraggeber auf . 6 Insbesonders durch die für Deutschland erzeugten Mausergewehre erlangte Werndl Weltruf . 7 Einen mächtigen Impuls erhielt das Unternehmen im Jahre 1885, in welchem die österr. Kriegsver- waltung das neue Repetiergewehr des Oberingenieurs Ferdinand Mannlicher für die Neubewaffnung dar Armee akzeptierte. Die Massenfabrikation von Repetiergewehren bildete eine neue Epoche in der Waffenindustrie, die Produktionsziffer erreichte die Höhe von 8000 Gewehren in der Woche, im Jahre 1894, als die öster- reichische Waffenfabrik ihr 25-jähriges Jubiläum als Aktiengesellschaft feierte, betrug die 1 a.a.O., Pfeil, "Die Notlage der Kleineisen- und Stahlwarenindustrie". 2 Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender seit dem Jahre 1887 aus dem St. A. Steyr, S. 102. 3 Die Vereinigung oberösterreichischer Industrieller: "Österreichs Industrie" I. Band: Oberösterreich, Linz, 1925, S. 161. 4 a.a.O., Ofner, die Eisenstadt Steyr, S. 131. 5 a.a.O., Ofner, S. 132. 6 a.a.O., Österreichs Industrie, Bd. I., Oberösterreich, 1925. 7 Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender seit dem Jahre 1887 aus dem St. A. Steyr, S. 104.

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