Die oberösterreichische Messerindustrie

96 weite Landstriche. 14 Millionen Arbeitslose litten bittere Not und so verursachte der Wiederaufbau in Europa damals die Verelendung vieler Farmer in Amerika. Schon 4 Jahre nach Kriegsende, 1923, be- gann aus den schon geschilderten Gründen dort eine Agrarkrise, die etwa um 1934 ihren Höhepunkt erreichte, aber auch späterhin als Dauerkrise fortwinkte. Auch die Industrie produzierte, in der Hoffnung, dass die Kaufkraft Europas bald wiederhergestellt sein werde, währenddem der Absatz in den USA selbst infolge, der vielen arbeitslosen Landarbeiter merkbar zurückging. Man rationalisierte und produzierte weiter, daneben gab es immer mehr Arbeitslose. Das Problem der Anleihen, die Kriegsentschädigungen aus Deutschland, die Versündigung Goldautomatismus, eine Kreditinflation, Spekulationssucht, gefährliche Monokulturen, u.a.m. kennzeichneten diese Periode. Es kann nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, eine genaue Untersuchung der Weltwirtschaftskrise zu bringen. Wir wissen, es war eine totale Krise, die alle Länder, die alle Wirtschaftsgruppen umfasste und ein Heer von Arbeitslosen schuf. Einfuhren wie Ausfuhren aller Länder nahmen bedenklich ab, das Welthandelsvolumen verminderte sich sowohl wert- wie mengenmäßig und die folgenden Zahlenver- gleiche zeigen die Folgen dieser Entwicklung: 1929 1930 1931 1932 Welthandelsvolumen: 480 Milliarden Schilling 389 Milliarden Schilling 278 Milliarden Schilling 187 Milliarden Schilling Weltarbeitslosigkeit: 9 Millionen Arbeitslose 19 Millionen Arbeitslose 20 Millionen Arbeitslose 25 Millionen Arbeitslose Die wertmäßige Entwicklung des Welthandels in den Jahren 1929 bis 1932 zeigte, in Schilling von damals umgerechnet, also ein Absinken des Volumens, das heißt der Summe aller Einfuhren und Aus - fuhren von 480 auf 187 Milliarden, somit auf weniger als die Hälfte. In der gleichen Zeit stieg die Zahl, der Arbeitslosen auf das Dreifache . 1 Es gab nun Komponenten, durch deren Zusammenwirken die allgemeine Weltwirtschaftskrise in Österreich besonders verschärft wurde. Dazu zählen wir: die auch nach dem Übergange zum Schilling noch hin und wieder schwankenden Währungsverhältnisse; die schwere Passivität des Außenhandels; die vollständige Desorganisation des Kreditwesens; die Vernichtung des größten Teils der Wirtschafts- substanz und die dadurch bewirkte Kapitalarmut; die damit sowie mit 2 der Einengung des österreichi- schen Wirtschaftsraumes nicht im Einklange stehende Höhe der Gestehungskosten der Produktion; die innenpolitische Desorganisation und die oft unsichere Budgetlage . 3 Es waren also wahrhaft trostlose wirtschaftliche Verhältnisse, die um das Jahr 1930 in Österreich herrschten. Insbesonders der Industriebezirk Steyr war Notstandsgebiet ersten Ranges. Durch die Stilllegung der Waffenindustrie wurden tausende Arbeiter auf Jahre hinaus brotlos. Ein Teil derselben fand zeitweilig Arbeit in den Steyr-Werken, viele aber verließen die Stadt, um im Ausland ihr Leben zu fristen. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, in der Arbeitslosigkeit, Geldentwertung, Lebensmit- telmangel, Demonstrationen, Wohnungsnot und politische Unruhen das Leben erschwerten, war Steyr eine der ärmsten Städte unserer Republik Im Jänner 1932 richtete Enrica v. Handel - Mazzetti unter der Parole "Steyr in Not" einen auch von Hermann Bahr, Franz Karl Glazkey, Richard Billinger, Paula Grogger, Robert Hohlbaum und anderen namhaften Dichtern gezeichneten Aufruf an die "Menschenbrüder deutscher und frem- der Nation", Steyr "nicht zugrunde gehen" zu lassen . 4 Doch alle Maßnahmen konnten die Wirtschaftskrise vorderhand nicht überwinden, Krisen in der Automobilindustrie legten weitgehend das Leben der Stadt Steyr lahm, deren Schicksal untrennbar mit dem der Steyr-Werke verbunden ist. Neben diesem Großbetrieb konnten sich andere Fabriken nur schwer behaupten, die Geschäftslosigkeit der 30er Jahre führte zum Untergang fast aller größeren 1 a.a.O., Meixner, S. 352. 2 Patzelt Julis "Österreichs Wirtschaft 1919/35" Öst. Bundespressedienst Wien 1935. 3 a.a.O., Patzelt, S. 38. 4 a.a.O., Ofner, S. 149/150.

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