Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-56- Meisterbuch des Handwerks unterrichtet . 1 Dieses wurde 1570 angelegt und enthält neben den jährli- chen fortlaufenden Eintragungen die Namen jener Meister, die bis zum Jahre 1570 die Meisterwürde erlangt hatten: es waren dies 303. Die Werkstätte Steyr bestand also im Jahre 1570 aus 303 Meister- werkstätten. In den folgenden 10 Jahren erlangten 100 Gesellen die Meisterwürde, in jedem weiteren Dezennium bis zum Jahre 1620: 75. Die Gesamtzahl ist uns nicht bekannt, da die Namensangabenmeist keine Hinweise auf das Todesjahr des Meisters geben, sondern nur die Aufnahmszeit verzeichnen. Wir können aber auch für diese Zeit annehmen, dass ca. 300 Meisterbetriebe bestanden haben; die gleich- bleibende Zahl der Neuaufnahmen, bedingt durch wirtschaftlich günstige Verhältnisse, lassen auf nur geringe Schwankungen im Meisterstande selbst schließen. In den Werkstätten fanden nicht nur die Meister ihre Beschäftigung, auch Gesellen und Jungen erhielten hier Arbeit. Nimmt man für jeden Be- trieb nur 2 Arbeiter an, so ergibt sich eine Summe von 600 Messerleuten, die mit den Meistern zusam- men einen beträchtlichen Teil der arbeitenden Bevölkerung der Stadt ausmacht. Die Messerwerkstätte der Stadt galt als „das meiste oder fürneme überaus nuezliche gewerbs Clainot“, dessen Verfall den Untergang der Stadt bedeuten wurde, die Lebensbasis von rund 1.000 Menschen wäre vernichtet. 2 Die religiösen Kämpfe und Streitigkeiten besonders in den Zwanzigerjahren des 17. Jh. trübten nicht nur die Weiterentwicklung des Handwerks, auch das gesamte wirtschaftliche Leben der Stadt ging einer traurigen Zeit entgegen. Steyr war eine Hochburg der neuen Lehre, Bürger und Handwerker zählten zu ihren Anhängern und nur mehr wenige blieben dem alten Glauben treu. Die Gegenreformation, die um 1624 hier mit voller Schärfe einsetzte, zwang viele gläubige Protestanten, das Land zu verlassen. Der größte Teil der vermögenden Bürger zog in die protestantischen Reichsstädte Regensburg und Augsburg und auch die Messerer verließen ihre Heimatstadt. Zahlreiche Meister wanderten mit ihren Gesellen von Steyr weg und ließen sich auf anderen Messerwerkstätten, wie Waidhofen, Pöggstall und Preßburg nieder. 3 Die Lage in der Stadt selbst war trostlos. Steyrdorf, Aichet und Schlüsselhof, die Wohngebiete der Eisenarbeiter lagen verlassen und verödet, 4 Zeiten tiefster Armut waren gekommen. Der 30-jährige Krieg und die hier einquartierten Truppen taten das Übrige, um den Zustand der Stadt zu verschlimmern; längst konnten die fälligen Steuern nicht mehr gezahlt werden und nur eine Befrei- ung von allen Abgaben konnte die Stadt retten. Die Stadt, die zu Beginn des Jahrhunderts in hoher Blüte gestanden, glich nun einer „großartigen Ruine “ 5 und konnte sich kaum erhalten. Die schlimme Lage, die das Messererhandwerk unter solchen Verhältnissen durchzumachen hatte, spiegelte sich in den Eintragungen des Meisterbuches mit großer Deutlichkeit. Die Neuaufnahmen sanken bis unter 20 herunter , 6 die Werkstätte Steyr hatte ihre einstige Macht und Größe verloren. Erst gegen Ende des Jahrhunderts begannen auch für Steyr wieder ruhigere Zeiten anzubrechen, doch jene Glanzperiode des Handwerks war für immer vorbei, zu tief drangen die Wunden, die man ihm geschlagen. 1 „Anno Domini 1570 haben die hernach benenten fürgesetzten zech vnd viermaistern des ersamen handwerchs der messerer allhie zu Steyer dieses maister puech aufgericht vnnd machen lassen, nemblich das alle so zu dieser zeit im leben maister sind vnnd noch maister werden hierin verzeichnet und geschrieben werden sollen. Zech- maister Wolfgang Radler. Die Vier Meistern: Leopold Seysenegger, Hans Topler, Hans Hochenauer, Andre Schendner (und deren eigenhändige Unterschrift). Es ergibt sich bei einem Vergleich über die Neuaufnahmen im Handwerk folgendes Bild: 1570-80: 100 Meister; 1580-90: 81 Meister; 1590-1600: 72 Meister; 1600-10: 76 Meis- ter; 1610-20: 75 Meister; 1620-30: 34 Meister; 1630-40: 37 Meister; 1640-50: 19 Meister; 1650-60: 21 Meister; 1660-70: 17 Meister; 1670-80: 21 Meister; 1680-90: 28 Meister; 1690-1700: 24 Meister. Meisterbuch: XII/9; St.A. 2 1580. Bericht des Handwerks der Reformation der Messerwerkstatt, IV/18; IV/10/374, St.A. 3 Nach den Auswandererlisten von den Jahren 1627-29 verließen 58 Messerer die Stadt. XI/24, St.A. 4 Bericht über die baulichen Zustände der Stadt, Pritz 297. 5 Pritz 318. 6 vgl. S. 56, Anm. 1; nach Angaben des Meisterbuches wurden in jedem Dezennium aufgenommen: 1700-10: 22 Meister; 1710-20: 19 Meister; 1720-30: 22 Meister; 1730-40: 20 Meister; 1740-50: 16 Meister; 1750-60: 16 Meis- ter; 1760-70: 27 Meister; 1770-80: 20 Meister; 1780-90: 14 Meister; 1790-1800: 22 Meister; 1800-10:22 Meister; 1810-20: 27 Meister; 1820-30: 22 Meister; 1830-40: 26 Meister; 1840-50: 47 Meister; 1850-60: 16 Meister; 1860- 70: 6 Meister; 1870-80: 4 Meister. Der scheinbare Aufschwung des Handwerks zu Beginn des 19. Jh. ist bedingt durch den Zusammenschluss des Klingenschmiede und Messererhandwerks zum Handwerk der „Messer- schmiede“.

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