Gernot Fieber - Die Verwaltung und Gerichtsbarkeit der Stadt Steyr von 1100 bis heute

15 4) DIE RECHTSPRECHUNG BIS ZU DEN REFORMEN VON MARIA THERESIA UND JOSEPH II In keiner geschriebenen Stadtgeschichte findet man etwas über den ersten Stadtrichter von Steyr. Auch das genaue Baudatum der Stadt ist ja fraglich. Fest steht aber, dass jede Stadt einen Stadtrichter hatte. „Als jedoch die Stadt stand, wird es auch einen Stadtrichter ge- geben haben, denn jedes Dorf hatte seinen eigenen Richter“. 21 Erst- mals wird 1180 in einer Urkunde „Ulricus, judex de Stiria“ erwähnt. 22 Ulricus konnte sowohl Stadt- als auch Landrichter gewesen sein. Da damals nur der Rufname (der 1. Sohn erhielt den Rufnamen des Va- ters, die anderen Kinder erhielten dann die Namen von anderen Ver- wandten) weitergegeben wurde, konnte man schlecht auf sein Ge- schlecht (Familienabstammung) schließen. Vermutlich war Ulricus ein Schecke. Der Stadtrichter durfte nur die niedere Gerichtsbarkeit ausüben. Die Strafen, die er verhängen durfte, waren zum Beispiel: Geldstra- fen, Arreststrafe und sogenannte „Ehrenstrafen“(Einlieferung ins Narrenhäusel; Stehen am Pranger oder auf einer Schaubühne an Wo- chenmarkttagen.) Auch mussten einige Verurteilte während des Got- tesdienstes oder durch eine Wallfahrt ihr Verbrechen büßen. Der Stadtrichter, der bis 1499 auch der höchste Beamte der Stadt war, wurde bis zu diesem Zeitpunkt vom Landesfürsten eingesetzt. Danach konnten die Bürger ihn selbst wählen. Die hohe Gerichtsbarkeit (Blutgerichtsbarkeit; Todesstrafe, Bann) durfte nur vom Landrichter (preco provincialis, waldpot ) 23 ausgeübt werden. Seit 1495/152 3 24 wurde auch der Blutbann (hohe Gerichtsbarkeit) dem Stadtrichter übergeben. Er war somit Stadt- und Landrichter in einer Person. Nach seiner Wahl, die schon beschrieben wurde, musste der neue Stadtrichter nicht nur den Eid ablegen, sondern auch den „Bann- und Achtbrief“ einholen. 25

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