Nro. 7 Politische Wochenschau der zwanglosen Blätter. Steyr den 18. November 1848. Deutschland. Die Insbruker Zeitung bringt einen Artikel über die Hinrichtung Robert Blums, dem wir folgende Stelle ent¬ nehmen: Ein Beschluß des deutschen Parlaments vom 20. September lautet: „Ein Abgeordneter darf ohneZu¬ stimmung der Reichsversammlung weder verhaftet, noch zur strafrechlichen Untersuchung gezogen werden, mit alleini¬ ger Ausnahme der Ergreifung auf frischer That. In diesem letztern Fall ist der Reichsversammlung von der getroffenen Maßregel sofort Kenntniß zu geben, und es steht ihr zu, die Aufhebung der Haft oder Un¬ tersuchung zu verfügen.“ Wenn daher Rob. Blum in flagranti, auf frischer That mit den Waffen in der Hand, Aufruhr predigend, von den Soldaten ergriffen worden, so war Windischgrätz ermächtigt, ihn in Haft zu halten, und in Untersuchung zu ziehen. Aber eine Pflicht des Fürsten, als eines deutschen Staatsbürgers, wäre es ge¬ wesen, die Anzeige hievon nach Frankfurt zu machen. Für¬ wahr, eine Schonung eines Aufwieglers wäre von jener Seite nicht zu fürchten gewesen, welche eben das Ver¬ trauen in sich durch die Aufforderung zur Untersuchung des Mörders Latours befestiget hat. Dieß Alles aber hat der Fürst nicht nur nicht gethan, sondern nach den Berich¬ ten verschiedener Zeitungsblätter, unter diesen die Allg. Zeitung vom 9. Nov., — denn auf diese muß sich die öffentliche Meinung so lange berufen, als Fürst Windisch¬ Grätz es unter seiner Würde hält, dem Frankfurter Par¬ lamente und dem deutschen Volke rechtfertigende Beweise zu geben, — nach diesen Berichten erfolgte die Verhaftung Blums erst am 3 Nov. d. h. am 3. Tage nach Beendi¬ gung des Kampfes in seiner Wohnung, es ward Robert Blum daher nicht auf frischer That ergriffen, und es stand die standrechtliche Kommission des Fürsten somit auf ille¬ galem Boden. Oder hält sich der mit unumschränkter Vollmacht betraute Fürst an die ordnungsmäßig verkünde¬ ten Beschlüsse des Frankfurter Parlaments nicht gebunden? War Robert Blum nicht auf deutschem Grund und Boden, war er etwa ein Ausländer und ist dem Hrn. Fürsten vielleicht die von slavischen Bajonneten „eroberte“ Stadt Wien nicht mehr ein Fleck deutschen Landes? Oder — wir wagen auch noch weiter zu denken, als die unmittel¬ bare Gegenwart — soll die Kugel, welche Robert Blum zum Tode förderte, etwa der Eris=Apfel werden, den eine schlaue Politik hineinzuwerfen gedenkt zwischen Oesterreich und Deutschland, — für beide, wie weiland für Troja, zum Untergang und Verderben? Noch einmal sey es erklärt, es gilt hier nicht die Per¬ sönlichkeit des Rob. Blum, dessen Pläne wir verabscheuen,*) es gilt hier das Prinzip zu verfechten, das Prin¬ zip der Oberherrlichkeit des deutschen Volkes, das Prinzip der Unverletzlichkeit eines deutschen Volksvertreters von dem wir und alle Deutschen hoffen, daß es das Parla¬ ment zu Frankfurt aufrecht zu erhalten nicht säumen wird. Preußen. „Entweder kommt Brandenburg in die Versamm¬ lung, oder die Versammlung kommt nach Brandenburg“ war der Ausspruch des Königs, durch welchen er mit Be¬ stimmtheit forderte, daß das nach seinem Auftrage von Grafen Brandenburg gebildete Ministerium von der Reichs¬ versammlung anerkannt, oder diese aus Berlin nach Bran¬ denburg verlegt werde. Die Versammlung zeigte sich aber eben so fest entschloßen dieses Ministerium durch ein Mi߬ trauensvotum von seinem Posten zu verdrängen, und im Fall ihr die Uebersiedlung zugemuthet würde, sich für per¬ manent zu erklären. Die Soldaten, die in den Dörfern um Berlin herum einquartirt sind, hatten bereits auf mehre Tage Proviant und eine größere Anzahl Patronen erhalten. Es war für Berlin Belagerungszustand, Straßen¬ kampf und Bombardement zu erwarten, wenn — der Wille auf den es hier ankommt sich nicht ändern würde. Mit dem 9. November 1848 beginnt in der Geschichte Preußens ein neuer Abschnitt. Die Sitzung der Reichs¬ versammlung wird um 10 Uhr Vormittags eröffnet. Die neu ernannten Minister: Graf v. Brandenburg, v. Laden¬ berg, v. Manteuffel und v. Strotha treten in den Saal und nehmen am Ministertisch Platz. Sie werden schweigend empfangen. Der Präsident v. Unruh läßt die Cabinets¬ ordre über die Ernennung des Ministeriums, und die könig¬ liche Bothschaft vorlesen, an deren Schluße es heißt: „Wir finden uns bewogen den Sitz der zur Verein¬ barung der Verfassung berufenen Versamm¬ lung von Berlin nach Brandenburg zu ver¬ legen“ — der Ministerpräsident Graf Brandenburg er¬ hebt sich und liest beinahe schreiend folgendes vom Pa¬ piere: „Zu Folge der eben verlesenen allerhöch¬ sten Bothschaft fordere ich die Versammlung auf, ihre Berathungen sofort abzubrechen, und sich bis zum 27 d. M. bis zur Wiederzusammen¬ tretung in Brandenburg zu vertagen. Ich muß jede Fortsetzung der Berathung als eine unge. *) Obwohl wir mit Blums politischen Ausichten und Benehmen durchaus nicht einverstanden sind so erscheint uns doch der Ausdruck „verabscheuend“ schwer zu rechtfertigen. Uebrigens kann die Innsbrucker=Zeitung Daten bringen, die sie dazu berechtigen.“ D R.
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