Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

12 scheine entschlossen, zurückzutreten, und es stehe zu hof¬ fen, daß ein Ministerium aus Mitgliedern der Versamm¬ lung gebildet werde. — Der König hatte sich anfangs geweigert, ohne Beiseyn der Minister der Deputation eine Antwort zu geben, oder sie auch nur anzuhören; er entfernte sich, und Jakoby rief ihm nach: „das ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen.“ Italien. Der österreichische Kriegsdampfer „Imperatore“ war, um die Stellung der sardinschen Flotte zu beobachten, gegen Ancona gesteuert, von wo sie sich entfernt hatte. Nach vielem Hin= und Herfahren entdekte er sie endlich auf der Höhe vor Venedig, 9 Segel= und 9 Dampf¬ schiffe stark, vor Anker liegend. Kaum bemerkt, wurde er von zwei Dampfer verfolgt, denen er jedoch glüklich ent¬ schlüpfte und in der Nacht vom 27. auf 28. Oktober in den Hafen von Triest einlief. Einige Stunden später kam hier ein sardinischer Dampfer mit Depeschen an, und noch im Verlaufe des Vormittags ging er mit der Ant¬ wort wieder ab. Am 27 Früh wurde die österreichische Besatzung von 8000 Mestre (600 Mann) von einem Corps von 6 Mann Venezianer überfallen, die durch den starken Ne¬ bel begünstigt, bereits in Mestre Fuß gefaßt hatten ehe unsere Soldaten ihrer gewahr wurden. Nach einer kurzen Gegenwehr zogen sich unsere Truppen, freilig mit Zurük¬ lassung vieler Todten und Gefangenen und dem Verlust von 3 Kanonen zurük. Die Venezianer schoben ihre Vor¬ posten bis Mogliano vor. Am Nachmittag desselben Ta¬ ges begannen unsere Truppen, die in der Umgegend lagen, sich zu sammeln, und ein Corps von 1600 Mann Infan¬ terie und 1500 Mann Kavallerie mit einer Batterie rükte den Venezianern entgegen. Kaum wurden die Vorposten ihrer ansichtig, als sie in wilder Flucht nach Mestre flohen, wo die Venezianer ohne einen Angriff abzuwarten sich eiligst einschifften. Mestre war von ihnen geplündert und grö߬ tentheils zerstört worden. Rom. Ein römischer Correspondent schreibt: “Große Wichtigkeit wird in vielen Kreisen einem eigenhändigen Briefe des Czar Nikolaus an den Papst beigelegt, worin das Oberhaupt der schismatischen grichischen dem Ober¬ haupte der abendländischen Kirche einen brüderlichen Ver¬ weis ertheilt haben soll, indem ja Pius IX. eigentlich alle die jetzige Verwirrung in Europa als erster Urheber an¬ gerichtet habe. Jedoch, als Pflaster auf die Wunde bietet der Petersburger heilige Vater seinem Collegen auf St. Petri Stuhl alle mögliche Unterstützung, sei es in Geld oder in Musketen an, wenn er jetzt in der eilften Stunde dazu behilflich sein wolle, die Demokratie zu dämmen. Der hohe russische Correspondent, besorgend daß seine Epistel in Rom vielleicht nicht die beste Aufnahme finde, soll die Vorsicht gebraucht haben ein Dupplicat derselben an den König von Neapel zu senden.“ Ist diese Briefge¬ schichte keine Anekdote, so zeigt sie von dem friedlichen Sinne des guten Czar. Brescia. Im Gebiet von Perlazza und San Fe¬ dela, so wie in den Gebirgen am nördlichen Ufer des Commersees zeigten sich wieder bewaffnete Banden, welche den Straßenverkehr hemmten. Es waren ausgewanderte Lombarden und andere Abenteurer, welche von den Schwei¬ zer Cantonen Tessin und Graubündten unterstützt wurden Mazzini war auch hier wieder die Triebfeder. Es gelangte nach Brescia die Nachricht, das in Chiavenna die Repub¬ lik ausgerufen worden. Am 28.Oktober sammelten sich in Colico (am Commersee) 10 Kompagnien mit einer halben Raketenbatterie, und am frühen Morgen wurde zum An¬ griff geschritten. Die Insurgenten ergriffen bald eiligst die Flucht. Hausdurchsuchungen, die in Verecja vorgenommen wurden, führten zur Entdekung nahmhafter Munitionsvor¬ räthe. Der Feldmarschallliutenant Hainau zog in Chia¬ venna ein, erließ eine die aufrührerische Gesinnung dieser Stadt scharf tadelnde Proclamation und legte ihr zur Züch¬ tigung eine Contribution von 20 tausend österr. Liren, 24 Stunden zahlbar auf. Franz Dolzino, ein angesehener Einwohner der Haupturheber der vorgefallenen Ercesse hat sich mit einigen Andern eiligst in die Schweiz geflüchtet. Frankreich. Paris. Für die Präsidentenwahl schlechte Aussichten¬ Zwischen der beweglichen Nationalgarde und der Armee besteht eine geheime Eifersucht, welche bereits in offene Anfeindung ausartet. Es kam bereits zu einem Kampf, zuerst mit Fäusten, dann mit Steinen, und endlich mit blanken Waffen und Pistolen. Zwei Schwadrone der rei¬ tenden republikanischen Garde mußte mit Gewalt die Strei¬ tenden auseinander bringen. Von beiden Seiten zählte man eine bedeutende Anzahl von Verwundeten, sogar mehre Todte. Die Soldaten haben die bewegliche Natio¬ nalgardisten mit dem Spitznamen les Benjamins du Gene¬ ral Cavaignae getauft, und bei der Präsidentenwahl wer¬ den wohl die Nationalgarden für Cavaignac, das Herr aber für Ludwig Bonoparte stimmen. Es ist wirklich betrübend zu sehen, wie sich das „geistreichste Volk der Erde“ die 35 Milionen Franzosen, mit allen Erfahrungen der letzten 60 Jahren und hinreichenden Praris in der Politik ausge¬ stattet; in Besitz und in Ausübung des allgemeinen Wahlrechtes sich einen Abenteurer, einen mittelmäßigen Allerweltsmonarchen zum Staatsoberhaupte erwählen werden! Man sieht den Streich kommen und weiß kein Mittel ihn abzuwenden. Und dir Ultras reiben sich dazu fröhlich die Hände und sagen: „So muß es gehen — in Wien muß die Reaction siegen und in Frakreich muß Ludwig Napo¬ leon Präsident werden, dann geht die Revolution erst recht los und wir bekommen die europäisch rothe und sociale Republik. — Wir hoffen das Beste: „daß die Ultras zu vorläufig jubeln.!“ Großbritanien. Lord Clarendon läßt sich die Verbesserung der irischen Zustände sehr angelegen sein. Seine Maßregeln gehen dahin auf den Credit der irischen Verwaltung eine Anleihe von 10 — 12 Millionen Pfund Sterling zu erheben und diese Summe auf große Unternehmungen wie eine um¬ fassende Auswanderung, Urbarmachung wüstliegender Land¬ striche, Eisenbahnen und andere gemeinnützliche Werke zu verwenden. Dadurch wird Gewerbfleiß und Ueberfluß in Gegenden eingeführt werden die jetzt dem Pauperismus und der Hungersnoth preisgegeben sind, und die Hilfsmitteln der Insel weise benützt, werden die für die Ausbesserung des Landes gemachte Auslagen heimzahlen. Eine neue erfreu¬ liche Aussicht auf Irlands künftige Wohlfahrt und Cla¬ rendons Verwaltung wird eine bleibende segensreiche Wen¬ dung in die Geschike des bisher des Mitleides so würdigen F. W. A. Landes bringen. Verantwortlicher Redatur Alex. Inl. Schindlerz Mitredatteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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