Zwanglose Blätter, Nr. 74, vom 29. November 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 29. November 1848. Mit dieser Welt ist's keiner Wege richtig; Vergebens bist du brav, vergebens tüchtig, Sie will uns zahm, sie will sogar uns nichtig! 74. Goethe. Salzburgerland. Die Parthei, deren Führer unsere Armeen komman¬ diren, hat (man sehe das Rundschreiben des damaligen Ministerpräsidenten Wessenberg an die europäischen Höfe) das schwarzrothgoldene Band als das Abzeichen einer, von einem herzlosen Zerstörungstriebe beseelten Umsturzfaktion verdächtigt, und Staatsschriften und offizielle und halb¬ offizielle Zeitungen haben das Streben der Deutschen im österreichischen Kaiserstaate nach einer wahren Einigung mit dem übrigen Deutschland als ein raffinirtes, ertremes, künstliches, destruktives, was weiß ich, wie die andern Beiwörter noch alle lauteten, kurz für nicht viel weniger als ein hochverrätherisches und ganz abscheuliches Ver¬ langen erklärt. Mit einem Worte „Schwarzrothgold“ ist polizeiwidrig geworden in Oesterreich, in Wien würde man seit dem 1. November durch das Tragen eines schwarz¬ rothgoldenen Bandes wohl kaum der Stellung vor das Kriegsgericht, ganz gewiß aber nicht den Mißhandlungen durch slavische Soldaten und der Verhaftung entgangen sein. Ich will hier die Parallele fallen lassen, was etwa die Slaven unserer Monarchie unternehmen würden, wenn man ihnen ihre Nationalität verböte und ihre Fahnen von den Giebeln rieße! — Ich erinnere nur dar¬ auf, daß man von der Seite, die in der Politik gegen uns Front macht, sich auf die Stimme des Landmannes berief, als Probe der Rechtlichkeit der Regierungsma߬ regeln und ihrer Zweckmäßigkeit. So sehr ich den Bauern¬ stand achte und liebe, so gehöre ich doch keineswegs zu Jenen die da meinen, wer Mein von Dein, Plus von Minus, Thon von Sand unterscheiden kann, der erkenne ebenso leicht, was Staaten und Völker bedürfen in diesen Tagen; noch viel weniger aber zu jenen ebenso bequemen als sentimentalen Staatsmännern, die der Menge glauben machen wollen, in der Politik fälle man ein je richtigeres Urtheil, desto weniger man davon verstehe. Konsequent damit müßte ja ein Mensch, der nie krank war, schon de߬ wegen ein vortrefflicher Arzt sein. Jene bekannten Staats¬ männer, die uns glauben machen wollen, sie dächten so unschuldsvoll und beschränkt, als sie zu uns schwarz auf weiß sprechen, stützten sich fast ebenso gerne als auf Ba¬ jonnete, Kanonen und den Kanzelrand der Dorfkirchen auf die vox populi, vox Dei, wenn sie aus dem Herzen der biedern Gebirgsbewohner, der treuen Stützen und Kugel¬ stutzen des in angestammter Milde herrschenden Hau¬ ses Habsburg ertönte. Aber der Geist der neuen Zeit ist ein rühriger Emissär, und noch ist der Stadtgraben nicht gegraben, in dem er todtgeschossen werden kann. Er weiß alle Wege und besitzt Pässe in aller Herren Länder, in Schluchten und auf Steppen, in Wäldern und auf der hohen See weiß er sich ohne Führer zurecht zu finden. Er kennt die Namen der einflußreichen Leute der Residenzen und der kleinsten Berggemeinde, und während die Truppen alle Verbindungsstraßen abschneiden und auf ihn fahnden, liegt er mit ihnen am Wachtfeuer, hilft ihnen die Bajon¬ nete schleifen, spielt mit ihren Offizieren, tafelt mit ihren Generalen, und morgen steht er beim Grauen des Tages vor der niedern Thüre einer Alpenhütte und klopft an. Und was trägt er dem Bewohner in's Haus? Das Be¬ wußtsein eines freien deutschen Mannes und den Muth für Freiheit und Vaterland zu stehen und zu fallen. Es liegt am Westrande des alten Habsburgischen Erb¬ gutes, des großen Ländermajorates Oesterreich ein Gebirgs¬ land, schöner als die schönsten der Welt. Fette Triften und marmorne Felswände, Seen, Wasserfälle, Reichthum an Holz, edeln Metallen und Salz, an prächtigen Rossen und glänzenden Rindern, dazwischen der alten Zeit be¬ mooste Grabdenkmäler — ich meine die Schlösser und Dome: wer hätte das schöne Salzburg, die gottgebaute Feste deutscher Freiheit und Selbständigkeit nicht schon er¬ kannt. Auch in seine tiefen, ruhigen Thäler, in denen nur die Sturzbäche rauschen und die Kuhglocken läuten, ist jener Emissär gedrungen, aufgewiegelt hat er das bies dere Alpenvolk, es ist richtig so, ihr Herren zu Olmütz, es will das Entsetzliche, wie Radetzky in seiner Prokla¬ mation sagte: „Vernichtung von Allem, was dem Men¬ schen heilig und theuer ist,“ mit einem Worte, es will deutsch sein, wie es seine Väter waren, die schon vo¬ tausend Jahren auf dieselben Alpen das Vieh trieben. Im Süden des Herzogthums liegt das Gasteinerthal,

308 berühmt durch seine Heilquellen. In alter Zeit waren hier reiche Goldbergwerke. Man hat die Adern verloren nun kommt das reinste Gold in den Herzen der armen Thalbewohner wieder zu Tage. Die armen Leute sind Heil ihnen! reich an Vaterlandsliebe, sie sind Deutsche — Heil uns! Als sie hörten, daß Oesterreichs Regierung, vielleicht veranlaßt durch seine Nachbarn im Norden und Osten, trotzdem daß Abgesandte zur Theilnahme an dem Ver¬ fassungswerke nach Frankurt geschickt worden waren, daran denke, denn innigen Anschluß seiner deutschen Provinzen an das übrige Deutschland nicht zu gestatten, erließen die Einwohner des Gasteinerthales an die deutsche National¬ versammlung zu Frankfurt folgende Adresse aus dem Gasteinerthale an die deutsche National¬ versammlung zu Frankfurt. Hohe Reichsversammlung! Seit länger als einem Jahrtausend wohnt in den Al¬ penthälern der Salzach ein Zweig des bayrischen Volks¬ stammes, ein gemüthvolles, einfaches, unverdorbenes Ge¬ schlecht, das von jeher mit inniger Anhänglichkeit für das große deutsche Vaterland erfüllt war. Nie ist ihm etwas fremd geblieben, was Deutschlands Ehre, Macht und Ein¬ heit freundlich oder feindlich berührte; Leid und Freud hat dieses Alpenvolk treu und redlich mit seinen andern deutschen Brüdern getragen. Zeuge davon sind die vielen Ehren und Auszeichnungen, mit welchen die Dankbarkeit der deut¬ chen Kaiser Salzburgs Landesherren überhäufte. Die Jahre des Unglückes, die Zeiten der Auflösung und der Zerrissen¬ heit des deutschen Vaterlandes wurden nirgends tiefer ge¬ fühlt als in Salzburgs Gauen. Als herrenlos betrachtet wechselte das Land mehrmals seine Gebieter, bis es zu¬ letzt an das erlauchte Erzhaus Oesterreich kam, dessen Schicksale es seit mehr als 30 Jahren theilt, dessen Kämpfe es stritt, für dessen Recht und Ehre des Landes Söhne unter die tapfersten Schaaren gereiht in den lombardischen Ebenen jüngt noch ihr Blut verspritzten. Da kam eine neue Zeit für Deutschland! Wie am Auferstehungstage regten sich die zerstreuten, zerrissenen Glieder unseres Vaterlandes, sie schlossen sich aneinander, und verbanden sich wieder zu einem Ganzen, zu einem lebenvollen verjüngten Ganzen. Durch alle Gauen bis an die himmelhohen Tauern drang und flog die freudige Bewegung; alle Thäler der Salzburger Alpenkette hallten vom tausendstimmigen Jubel wieder. Aber hinter keinem blieb das Gasteinerthal zurück, dessen Bewohner sich mit diesen Zeilen an die hohe Reichsversammlung wenden. Wir fühlten, daß eine neue Aera von Heil und Freiheit, Einheit und Macht für Deutschland begonnen habe; jauch¬ zend entfalteten und pflanzten wir die deutsche Tricolore 7000 Fuß über die Meeresfläche auf; unter den ersten wählten wir mit unseren Brüdern im Pinzgau den Abge¬ sandten zur deutschen Reichsversammlung. Wer hätte da¬ mals wohl gedacht, daß die vollständige innige Vereinigung unserer Gauen mit dem herrlichen deutschen Vaterlande später in Frage gestellt werden könnte? Allmählig aber trübte sich der Blick in unsere Zukunft; allmählig minderten sich unsere Hoffnungen, daß Deutsch=Oesterreich nicht mehr und nicht weniger als ein kräftiger Ast des deutschen Stam¬ mes sein werde. Wir sind nicht im Stande die Schwie¬ rigkeiten und Hindernisse alle, die unseren Hoffnungen entgegen stehen, — zu ermessen und zu würdigen; wir vermögen uns aber nicht von dem Gedanken zu trennen, daß wir Deutsche sind, daß alle Interessen uns an Deutsch¬ land knüpfen, daß wir nur mit Deutschland frei, groß und stark sein können. Wir können uns nicht an den Ge¬ danken gewöhnen, daß ein Bündniß, ein Zollverein oder ein anderes Surrogat uns über den Verlust des großen schönen deutschen Vaterlandes trösten oder materielles Wohlsein uns für das allmählige Aufgehen in einer uns fremden Volksrace, was Gott verhüte, entschädigen werde. Hohe deutsche Reichsversammlung! Wir wissen, daß die Herzen aller Deutschen auch für uns schlagen; wir kennen die Gefühle, welche die hohe Reichsversammlung beseelen; wir haben erfahren, wie dieselbe sich um unsere Brüder zwischen der Nord= und Ostsee angenommen hat; wir wenden uns daher vertrauungsvoll an Euch, Ihr Vertreter der ganzen deutschen Nation, mit der brüder¬ lichen Bitte: Erhaltet die Thäler, die Gauen Salzburgs, ja ganz Deutsch=Oesterreich für Deutschland; gebt nicht zu, daß Euch ein ungemischter, reindeutscher Volksstamm verloren gehe, daß deutsche Art und Sitte durch unsere Lostrennung von den übrigen Bruderstämmen, oder durch das Uebergewicht einer nichtdeutschen Nationalität in un¬ seren wunderschönen Alpenthälern verkümmern; laßt deutsche Macht und Einheit auf keinerlei Weise geschmälert werden, und gestattet nicht, daß für fremde Konvenienz unsere und Euere heiligsten Gefühle und Interessen geopfert werden. Indem wir schließlich der hohen Reichsversammlung unser volles Vertrauen erklären, vernehmen wir die hocherfreu¬ liche Kunde, daß dieselbe in entscheidender Abstimmung bereits unserer Bitte zuvorgekommen sei. Edle Vertreter des deutschen Volkes! Nehmt den wärmsten inniggefühlten Dank eines kleinen aber biederen Alpenvolkes, und die heilige Zusicherung, daß dasselbe Euerer, und des herr¬ lichen Vaterlandes werth, mit Euch und Deutschland stehen und fallen werde. Mit vollster Ehrerbietung zeichnen sich die Bewohner des Gasteinerthales: (Folgen die Unterschriften.) Ich finde es hier am Platze eine Stelle aus der in Belgrad erscheinenden Zeitschrift „Der Serbe“ als Gegen¬ satz anzuführen, nicht weil ich glaube, daß dießmal Alles buchstäblich wahr ist, was darinnen gesagt wird, weil es aber einen tiefen Blick in das gestattet, was der Slave gerne hört, was er wünscht, was er zu erreichen hofft, was die Heerführer des Slaventhums er¬ kämpfen wollen! „Als am 30. Oktober die Krieger des Bans mit denen des Windischgrätz in Wien zusammen kamen, riefen Alle: Es lebe Ban Jellachich! Windischgrätz hat den Ban

309 Jellachich vor der ganzen Versammlung umarmt und ge¬ küßt. Der Ban hielt dann eine Rede, in welcher er alle Ungerechtigkeiten herzählte, welche eine Handvoll öster¬ reichische Deutsche und Magyaren den slavischen Völkern angethan, wobei er in seiner Begeisterung ausrief: daß die Zeit der Vergeltung gekommen ist und daß Oesterreich ein Slavenreich werden muß; dieses versprach ihm auch Windischgrätz daß es so werden wird. (Man muß wissen, daß die ganze Armee um Wien, außer drei Regimentern, aus Slaven besteht.) — Die Wiener vergöttern den Ban und nennen ihn ihren Erretter. — Die Sereschaner haben an 4000 Studenten und Proletarier niedergemacht; der Ban hat ihnen das Plündern der Häuser erlaubt, aus welchen auf sie gefeuert worden war er sendet uns 50,000 Gewehre, welche unsere Grenzer von den Wienern erobert haben; der Ban hat dieselben von ihnen gekauft; für jedes Gewehr erhielten unsere Grenzer einen neuen Thaler, deren der Ban nun eine unzählige Menge besitzt. Der Ban spricht jetzt immer nur vom Slaventhum, und es hat das ganze Ansehen, daß Oesterreich als sla¬ vischer Staat proklamirt werden wird.“ Aus Laibach aber, einem der Hauptwaffenplätze des Slaventhums im Süden der Monarchie bringt die Cillier¬ Zeitung nachstehende Korrespondenz, deren Wahrheit auch schon von andern Seiten bestätigt ist, und uns wohl länger keinen Zweifel mehr übrig läßt, was wir von einem centralisirten Oesterreich zu erwarten haben. „Der krainerische ständische Ausschuß hat beschlossen auf die Zuschrift der oberösterreichischen Stände, rücksichtlich des Zusammentretens der sogenannten alrösterreichischen Provinzen, nicht einzugehen, sondern in einer Adresse an Se. Majestät die Bitte gestellt, die Abberufung sämmt¬ licher österreichischer Deputirten von dem Frankfurter Parlamente zu verfügen, da dieselben unvermögend seien, Beschlüsse zu hindern, welche den Fortbestand eines starken, einigen und freien Oesterreichs im deutschen Staatenbunde gefährden. Krain habe gegen seine Ueberzeugung und ohne Sympathie Abgeordnete für das deutsche Parlament gewählt, und könne nicht zugeben, daß es einen integri¬ renden Theil Deutschlands bilden soll. Meiner Politik ist jeder Plan ferne, der den Glanz des alten Erzhauses Oesterreich trüben könnte. Aber ich lebe der Ueberzeugung, daß es für den Fortbestand deutschen Rechtes, deutscher Sitte, deutscher Sprache und aller an¬ deren Faktoren der Nationalität der Deutschen unter der Krone Oesterreich doch noch nützlicher wäre, der alte Ab¬ solutismus bestünde, als es entstünde eine Konstitution mit einer gemeinschaftlichen Vertretung der Völker Oester¬ reichs nach dem Verhältnisse der Seelenzahl. Denn dann wird die Majorität unvermeidlich slavisch sein, dann bekommen wir unvermeidlich slavische Gesetze, sla¬ vische Minister, slavische Richter, eine slavische Po¬ litik, zuletzt die slavische Sprache in den Schulen, und unsere Urenkel würden als Touristen, die an Naturschön¬ heiten ewig reichen Thäler des Salzburgerlandes durch¬ ziehend mit gelehrtem Interesse den ungewohnten Tönen einer kräftigen Sprache lauschen, die sich in den Hütten eines armen genügsamen Volkes am Rande der Gletscher, zwischen dem Brausen der Wasserfälle und dem einsamen Geläute der Kuhglocken trotz aller blutigen Stürme, die Ebenen und Thäler durchwühlten in alter Kraft erhalten hat. Es wird für sie von historischem Interesse sein, daß in diesen Klängen ihre Ahnen sprachen für die Freiheit und Selbständigkeit der Enkel, die eine blinde und ver¬ weichlichte Mitwelt nicht zu erhalten vermochte, daß in diesen Tönen an den Ufern der Donau einst Dichter san¬ gen, Richter Recht sprachen — in diesen Tönen der deutschen Sprache — die aber auch dann noch durch die ortgeschrittene Bildung von Jahrhunderten geläutert und vervollkommt bei frohen, glücklichen Völkern am Rhein, der Weser und der Elbe in alter Kraft und neuer Schön¬ heit blühen wird. Aler. Jul. Schindler. Berliner Straßenliteratur. Folgenden Blumenstrauß von Titeln der in Berlin feilgebotenen Flugblätter stockpreußischer Gesinnung theilt die „Köln. Ztg.“ mit: „Michelken in de Provinzen, wirste denn jar nich klug? Ein sehre offenes Wort von Aujust Buddelmeyer, Dajesschriftsteller mitn jroßen Bart.“ „Die Freiheit is in't Wasser jefallen, ik hab ihr hören plumpen, und wär ik nich hinzujesprungen, so wäre sie verdrunken.“ — „Is Preußen det Volk? Is Charlotten¬ burch det Volk? Sind Konstabler det Volk? Is Berlin det Volk? Sind die Studenten det Volk? Oder aber is Deutschland det Volk?“ — „Der Jeist des 3. Aujust.“ (Enthält einen Holzschnitt, welcher Friedrich Wilhelm III. im bürgerlichen Nocke, aber mit der Militärmütze darstellte. Darunter stehen, dießmal aus Respekt für den verstorbenen König, ausnahmsweise im richtigen Hochdeutsch die Worte: Ich grüße dich, mein braves Volk, aus meinem stillen Grabe; bau rüstig fort, was ich mit dir bereits begonnen habe.) „Nu jrade een Hurrah für den Prinzen von Preußen!“ — „Wer will huldijen? ik nich, wer noch?“ (Hierauf drei Soldaten mit großen Flinten und wüthenden Gesichtern.) „Ik will wissen, wovor der olle Fritze jelebt hat! Antwort! Warum hat der olle Fritze Schlesien er¬ obert?“ (Gegen den Reichsverweser.) „Der alte Fritz an seine lieben Berliner.“ (Von deutscher Gesinnung.) „Die Theekessels in Frankfurt sind an dem janzen Scan¬ dal schuld!“ (Hierauf eine Menge von Theekesseln mit menschlichen Gesichtern.) „Konstablers Freuden und Lei¬ den. Jeschildert in einem Briefe an seine Jelübte.“ „Gespräche zwischen dem deutschen Reichsadler und dem preußischen Adler. Belauscht und zu Protokoll gegeben

310 von einem Konstabler.“ — „Reaktion verzieh dir! du bist schief jewickelt!“ (Mit einem Holzschnitte, der drei schief gewickelte Wickelkinder darstellt, in welchen man einen Geistlichen, einen Offizier und einen Bureaubeamten er¬ kennt.) „O Schulze aus Wanzleben, warum hast du uns des jethan?“ (Hierauf drei Offiziere mit verzweifelten Gesichtern.) „Still gestanden, reaktionäre Offiziere! zum Abmarschiren richt Euch! kehrt! marsch!“ (Mit einem ähnlichen Bilde.) „Gespräch zwischen Herrn Held, dem wackern Kämpen für Freiheit und Recht, und Herrn von Katte, dem Präsidenten des Preußenvereins, wie solches stattgefunden hat, auf Veranlassung der Demokratenintrigue des berühmten Fräuleins Oho von Haha.“ — „Allerliebster Herr General Druf! Man wirf widder Kardätschen! Pe¬ tition von die bekannten lieben Berliner.“ (Mit dem Bilde von drei Berlinern, die zwischen zwei Kanonenläufen stehen.) Deutschlands ernsteste Stunde.?) Von Fürst Ludwig zu Oettingen=Wallerstein, gewes. königl. bayr. Staatsminister. Seit den Barrikadentagen vertreibt sich der gute Michel die Zeit in ganz eigenthümlicher Weise. Er sammelt Pro¬ ben gegenseitiger Unhöflichkeiten seiner Vertreter, untersucht diese höchst umständlich, mittelst Mikroskops und Gold¬ wage, bildet sich bei jeder Untersuchung einen ungeheuern Zorn ein, und schiebt dann immer wieder Sorte für Sorte in die Tasche unter dem gutmüthigen Ausrufe „Wettauf.“ Wer möchte dem jungen Manne unschuldige Spässe mi߬ gönnen? Doch irren wir nicht, so nehmen inzwischen seine Pflegerinnen auf seine Rechnung gar gewaltige Dinge vor. Darum möchten wir ausrufen, „bester Michel, Augen auf.“ Base Diplomatie verwendet neuerlich kein Auge von der Karte. Ihre Gespräche schwärmen für Oesterreichs „thatsächliche Integrität,“ verpönen den bloßen Gedanken volles Deutschwerden jenseits des Inns und hören nicht auf zu demonstriren, wie unter den deutschen Großmächten Preußen allein verurtheilt sei zum Aufgehen in Deutsch¬ land. Auch entwischt schwatzhaften Zofen das in den Gar¬ dinen erlauschte Wörtchen Mediatisirung.“ Und während die stattliche Matrone also spricht halten bereits preußische Truppen den größten Theil Südwestdeutschlands besetzt, und tragen Rothmäntel und kongrevische Batterien eben keine geringe Lust, den theoretischen Satz vor Wien in feurige Wirklichkeit zu verwandeln. Glauben kann eine so erfahrene Frau unmöglich an derartige Reden; denn sie weiß gar wohl, daß die Frage der Vereinbarkeit des Schwarzrothgold in den österreichischen Erbstaaten mit dem Schwarzgelb der österreichischen Ge¬ sammtmonarchie das einfachste Ding von der Welt ist; sie weiß, daß Oesterreich über kurz oder lang doch nichts übrig bleibt, als die Erblande nebst Tirol und Salzburg in ein deutsches, Italien in ein italienisches, Gallizien in ein polnisches Königreich oder Großherzogthum zu verbinden, jedem derselben, sowie Ungarn und Bohmen ein eigenes Parlament mit einem nationalen Ministerio und einem reellen Vicekönig zu geben, und Wien zu dem Sitze des Gesammtkaisers, des Gesammtministeriums und des Ge¬ sammtkongresses der einzelnen Territorialparlamente zu ge¬ statten. Sie weiß, daß eine solche Maßregel nicht weniger als den Zerfall Oesterreichs nach sich zieht daß, was Na¬ poleon, diese Inkarnation aller Machlgelüste und Centrali¬ sationstendenzen, Italien in der Zeit des höchsten Despo¬ tismus bewilligte, doch auch noch anwendbar bleiben muß auf Tage gesetzlicher Freiheit, ja daß, wenn etwas Oester¬ reich retten kann, das Heil gerade in einer Decentrali¬ sation ruht. Sie weiß endlich, daß das so gestaltete Oester¬ reich seine deutschen Bestandtheile dem deutschen staaten¬ bündlichen Bundesstaate, seine italienische der italischen Konföderation einverleiben und dabei so gut eine Gro߬ macht bleiben kann, als die Niederlande, als Dänemark europäische Mächte bleiben, trotz der angesprochenen deutschen Natur Holsteins, Schleswigs und Limburgs. Woher denn plötzlich die zarte Rücksicht auf Oester¬ reich, die scheinbare Strenge gegen Preußen? Allem An¬ scheine nach daher weil Deutschland in Preußen aufgehen soll und dieses Aufgehen nur unter der Voraussetzung eines halb und halb außerdeutschen Oesterreichs durchführ¬ bar erachtet wird. Woher ferner das geheimnißvolle Hin¬ deuten auf Mediatisirung einzelner kleinerer Gebiete? Da¬ her, weil vielleicht — gewisse Territorialvergrößerungen nöthig erscheinen, um die größeren Fürsten der obener¬ wähnten Idee zu befreunden, und weil bei den künftigen inneren Abgrenzungen Deutschlands dynastische über na¬ tionale Rücksichten das Uebergewicht behaupten sollen. Aber wie natürlich auch der Hinblick sein möge, auf Preußen, diesen größten unter den deutschen Staaten: preußische Hegemonie in welch' immer eine Form geklei¬ det, darf nicht stattfinden auf Kosten deutscher Einheit. Ohne deutsches Oesterreich und Deutschland engbefreun¬ detes Ungarn keine nationale Größe, keine feste Grenz¬ mauer gegen den slavischen Osten, ja die Donau ein sla¬ visirter Strom! Wie nothwendig ferner die Konzentration unseres zersplitterten Landes in größere Staaten oder Staa¬ tengruppen erscheine:**) ohne eine Kreiseintheilung nach Stammesverwandtschaften und Kontinquität, ohne Mediatisirung gemäß eines klar erkann¬ ten Prinzips und gemäß der wahren Wünsche des deutschen Volkes, kein frisches Leben, keine halt¬ baren Verhältnisse, kein Aufschwung im Innern. Trügen uns nicht alle Zeichen, so hat Deutsch¬ lands ernsteste Stunde geschlagen. Sie Diplo¬ matie arbeitet. Während die Männer in Fraukfurt sich in Persönlichkeiten ergehen, einander erzürnen, vergeben, wie¬ der zürnen, wieder vergeben, kämpft vielleicht der Slavis¬ mus die Entscheidungsschlacht gegen das vereinte (von seinen anarchischen Auswüchsen wohl zu unterscheidende) deutsch=magyarische Interesse und bereiten sich allem An¬ scheine nach faits accomplis von weit größerem Gewichte, als der vielbesprochene Malmöer Vertrag. Darum, ihr Herren in Frankfurt, weg mit den Zwi¬ sten, die Blicke geheftet auf Deutschlands ernsteste Stunde! *) Dieser Aufsatz, aus der deutschen konst. Zeitung, gibt einen neuen Beweis daß weise und erfahrene Staatsmänner mit den Ansichten dieser Blätter zusammen¬ treffen. Um Gotteswillen, ihr Deutschen in Oesterrech, seid doch alle deutsch Die Red. michehtee Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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