Zwanglose Blätter, Nr. 67, vom 4. November 1848

280 einer alten Pfeife eine alte Hymne — hintendrein das unschuldige Kindlein in seinem thränenfeuchten Sterbe¬ hemde — denn die Liebe des Volkes starb nicht gerne ¬ sie hat ihre Adressen auf die Stufen des Thrones gelegt und sich die Hände wund gerungen, sie hat geweint und gefleht — aber ein Gewehrkolben gab ihr den Garaus. Hinter dem Kinde kommen Prälaten, Marschälle, Richter, Räthe und Fürsten, leichenhaft voll modernder Pracht. Unsere Voreltern führten einen derben prophetischen Griffel, und was sie in Bildern entsetzte, das will jetzt als Wirk¬ lichkeit ihren armen Enkeln das Herz erschüttern. Die Einnahme Wiens hat keinen militärischen Werth. Drinnen Mangel an Erercitium, Geschützen und Kriegs¬ bedarf, draußen nirgends ein bewaffneter Feind. Im Va¬ terland ist leicht Krieg führen — und gegen das Va¬ terland — auch das scheint die Herren nicht zu rühren. Unsere Feldherren sind keine Coriolane. Folgendes hat von Seite der Gewalt zu geschehen, wenn sie sich jedes weiteren Verdachtes der Reaktion ent¬ ledigen will: 1) Alle Städte und das ganze flache Land außer Wien sind von einer Ausdehnung der Maßregeln des Be¬ lagerungsstandes auf sie feierlichst und aufs Nach¬ drücklichste zu verwahren. 2) Da im Sinne des Hofes das von Bajonneten be¬ herrschte Wien doch Sicherheit darbieten muß, so sind alle czechischen und die übrigen flüchtigen De¬ putirten sogleich aufzufordern ihre Plätze im Reichs¬ tage wieder einzunehmen. 3) Das am 6. Oktober vom Kaiser versprochene volks¬ thümliche Ministerium ist unverweilt zu ernennen. Es hat unsern Gegnern gute Früchte getragen, das Militär nicht auf die Errungenschaften zu beeiden. Die erwünschte Spaltung blieb dadurch, und war nun gut zu benutzen. Der Soldat wußte nichts von Konstitution und mußte blind seinen Führern und seiner Fahne folgen, zu der er geschworen hatte. So wurde blind gehandelt. Unselige Blindheit! Furcht vor einer Anarchie — die nie bestand — hat eine Menge Wiener aus den Mauern der unglücklichen Hauptstadt getrieben. Diese ungebetenen Gäste über¬ schwemmten allenthalben das Land und seufzten um das Eintreten der Militärherrschaft in Wien, um dort wieder sicher und ruhig wohnen zu können. Diese Militärherr¬ schaft ist nun eingetreten und jene Gäste sind nun einge¬ laden, sich in den Schutz der eisernen Flügel zu begeben, nach dem sie sich so sehr und so laut sehnten. Ihre Sen¬ dung in den Provinzen ist erfüllt. Sie haben Wien ver¬ leumdet und verlogen, sie haben manches schwache Herz abgewendet von der heiligen Sache der Freiheit. Wollen sie aber dieser Einladung nicht folgen, so mögen sie ruhig in ihrer Zufluchtstätte verbleiben. Heilig soll uns das Gastrecht sein, heilig, wie uns das Recht und die Frei¬ heit sind, jedenfalls heiliger als ihnen die Wahrheit war. Die sich aber zu reisen entschließen, die mögen unsern Freunden und Feinden in Wien die wahrhafte Kunde mit¬ bringen: Die Provinzen standen mit Wien, sie sind aber mit Wien nicht gefallen. Aler. Jul. Schindler. So steht es in Oberösterreich um die Freiheit der Person, der Ansicht und der Rede. Der vortreffliche Schilcher theilt in seinem konstitu¬ tionellen Wochenblatte dem Publikum nachstehende Schick¬ sale mit, welche ihn im konstitutionellen Oesterreich durch das Zusammenwirken höchst freisinniger Beamten unter einem milden Freiheit schirmenden Oberbefehle auf einer Reise in's Mühlviertel ereilten, die er in der Absicht unternahm, sich um das Schicksal des Landtagsabgeord¬ neten Wurmb zu bekümmern, der vom bayrischen Landge¬ richte Wegscheid verhaftet wurde. Man wird aus diesem Aufsatze sehen, daß unsere Freiheit in der schönsten Blüthe steht, und die Staaten schon anfangen mit seltener deutscher Einigkeit die freisinnigen Männer einander wegzukapern und aus freundnachbarlicher Gefälligkeit einzusperren. Auch wird man hier wieder dieselben Elemente im Kampfe gegen die Freiheit auftreten sehen, die auch in den übrigen Theilen der Provinz diese schöne Pflicht übernommen haben. Daß die Finanzwache jetzt neben Tabak= und andern Waaren¬ Contrebande auch auf Gesinnungen fahndet, ist neu. Hier also der Bericht, bis wir unsern Lesern erfreu¬ lichere Kunde zu bringen im Stande sein werden. Wir hoffen dieses bald zu können, wenn auch am 31. v. M. auf eines der dunkelsten Blätter der Fürstengeschichte durch Gottes unerforschlichen Rathschluß ein Sieg der Gewalt über das Recht geschrieben worden ist. „Dringende Geschäfte veranlaßten mich am 24. d. M. Nachmittags nach Linz zu fahren. Abends kam ich an, und erfuhr das Gerücht, daß der Volksmann Wurmb irgendwo im Mühlkreise verhaftet sein solle. Ich reiste Samstag den 25. d. M. beim Grauen des Morgens mit zwei Mitgliedern des demokratischen Vereines von Linz ab, um über diesen uns werthen geachteten Freund Kunde zu erhalten. In Gerling hieß es, daß er im obern Mühlkreise sich befinden dürfte; in Langhalsen wurde uns dieses als gewiß mitgetheilt. Wir eilten nach Rohrbach und erfuhren, daß Wurmb beim königlich bayrischen Landgerichte Wegscheid verhaftet sei. Wir gönnten kaum den Pferden die nöthige Ruhe und gelangten mit einbrechendem Dunkel nach Peilstein. Ohne das Gasthaus betreten zu haben, begaben wir uns zum Distriktskommissariate und erhielten die Bestä¬ tigung von Wurmbs Verhaftung auf bayrischem Boden

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