Zwanglose Blätter, Nr. 64, vom 25. Oktober 1848

268 sein? Die Arbeit soll jetzt ihre Früchte, das Geld soll jetzt seine Zinsen tragen — wer wird wohl von den Regie¬ rungen die Großmuth begehren, eigenhändig den künstlichen Bau zu vernichten, indem sie die Grundpfeiler der unbe¬ dingten Folgsamkeit und der erhebenden Ausschließlichkeit einreißen. Diese Großmuth wäre unerhört gegen ein frü¬ her so liebreich gepflegtes und jetzt so undankbares Volk! Wenn ich diese Macht in's Auge fasse, so frage ich mich, woher es denn komme, daß der Zeitgeist, der die Völker durchdringt und für Freiheit begeistert, die stehenden Heere nicht allein unberührt gelassen, sondern vielmehr zu Widersachern gemacht zu haben scheint. Die Zusammen¬ setzung des Heeres kommt hier in Betrachtung und der langjährige Einfluß der Aristokratie macht sich hier geltend. Das Offizierkorps, die Intelligenz, das bewegende Prinzip dieser Massen, ist in den höchsten, herrschenden Stellen fast durchgängig, in den übrigen vielfach von Ade¬ ligen besetzt. Die Adeligen folgen mit wenigen Ausnah¬ men überall ihrer traurigen Bestimmung, Feinde ihres Volkes zu sein, sobald sie es nicht mehr beherrschen kön¬ nen. Wir haben den französischen Adel im Vereine mit dem deutschen Erbfeinde gegen ihr Vaterland kämpfen ge¬ sehen. Die Erklärung dieser Unthat findet sich in dem Grundsatze, daß des Adels Vaterland dort ist, wo er gilt. Ich lasse nicht ab von dem Glauben, der deutsche Adel werde mit den Russen in keine ähnlichen Verbindungen treten. Schwere Thatsachen müßten mir den beklagens¬ werthen Gegenbeweis liefern. Gestehen wir es übrigens zu, daß der Adel empfindlich getroffen ist. Wenn wir uns mit dem Maßstabe unserer bürgerlichen Gefühle an adelige Empfindungen wagen dürfen, so möchten wir sagen, daß wir es theilweise begreifen, wenn der Adel erbittert ist, durch ein lange und tief verachtetes Volk um einen großen Theil seiner Macht und seines Einkommens gebracht wor¬ den zu sein. Im Stolze auferzogen, weist er die Er¬ gebung in ein unabwendbares Geschick als Feigheit zurück, und wir sehen seine Söhne sich um das Banner schaaren, das ihnen Sieg und Wiedereroberung verspricht. Mit Be¬ trübniß anerkennen wir die Ritterlichkeit eines Wider¬ standes, der den Untergang herausfordert. Wir möchten warnend auf manches Blatt der Geschichte weisen, wenn wir dächten, es könnte von Nutzen sein, doch solche Ge¬ danken hegen wir nicht. Es bleibt uns nichts übrig, als die Geschicke sich erfüllen zu sehen und Diejenigen zu be¬ klagen, die in verhängnißvoller Hast einen Bürgerkrieg anbahnen, der nach grausamen Schlachten zu ihrer eigenen Vernichtung führt. Der Einfluß der Männer, die durch die Vorurtheile der Geburt und Erziehung gegen Freiheit und Gleichheit in den Kampf getrieben werden, geht aber auf die bür¬ gerlichen Offiziere nicht verloren, die überdieß der Mehr¬ zahl nach untergeordnet sind. Wer den Versuch gemacht hat, durch kurze Zeit nur ausschließlich Blätter Einer Farbe zu lesen, wird die Bemerkung gemacht haben, daß er Ge¬ fahr lief, dieser Farbe zu verfallen. Gleichen Erfolg hat der Umgang. Die große Mehrzahl der Menschen ist so beschaffen, daß sie sich Gesinnungen hineinreden lassen, was jedenfalls die Mühe des Denkens erspart. —Die Beeinflussung der bürgerlichen Offiziere durch die adeligen hät aber vielleicht noch einen tieferen Grund. Der Adel hat nämlich von jeher dadurch seine Stellung zu heiligen verstanden, daß er selbe mit der Würde und Sicherheit des Thrones in Zusammenhang brachte. Mit dem Rufe: Es lebe der König! hat der Adel aller Länder sich selbst ein Lebehoch gebracht. Mit dem Feldgeschrei: Für die Rechte des Königs! hat er stets zugleich für die eigenen Rechte gekämpft. Diese loyalen Rufe aber finden Wieder¬ hall in der Brust jedes guten Bürgers, daher auch in der Brust jedes bürgerlichen Offiziers, den übrigens in Oester¬ reich bisher kein anderer Eid bindet, als der Eid auf den Kaiser. Die nüchterne Untersuchung, ob Monarchen wirk¬ lich verletzt werden, wenn das Volk sich zurücknimmt, was ihm gebührt, erfordert zu viel Mühe und Zeit, um all¬ seitig verlangt werden zu können. — Zu dem Einflusse des Umganges und der Idee eines gekränkten Monarchen kömmt bei den bürgerlichen Offizieren noch deren bisherige, wenn gleich nur scheinbare Gleichstellung mit dem Adel, das Glück der Hoffähigkeit, die künstlich und absichtlich bewerk¬ stelligte Erhabenheit über das Volk, die Bevorzugung durch alle Behörden, alles in Folge des Rückstrahles der abso¬ luten Monarchie, deren Stütze und Vollziehungsgewalt die Offiziere gebildet haben. Welchen Kenner der Men¬ schennatur kann es Wunder nehmen, wenn selbst viele bürgerliche Offiziere der Begeisterung baar sind, welche anderswo für die junge Freiheit auflodert, ja wenn man¬ cher selbst mit Widerwillen, wenn nicht mit Entrüstung, auf Zustände herunterblickt, die ihm für den vielen ver¬ lorenen Glanz nichts zu bringen drohen, als die Freund¬ schaft des Bürgers und die Freiheit des Mannes. Indem ich freimüthig diese Meinung über die poli¬ tischen Ansichten des Offizierkorps der stehenden Heere aus¬ gesprochen, füge ich noch bei, daß ich die Liebe der Neu¬ zeit bei einzelnen der adeligen Offiziere voraussetzte, bei nicht wenigen der bürgerlichen in Wirklichkeit gefunden habe, und daß der Haß der Neuzeit, sobald er offen aus¬ gesprochen wird, so viel Männermuth zeigt, daß ihm eine gewisse Anerkennung der Gegenpartei nicht vorenthalten werden kann. (Fortsetzung folgt.) Olmütz, 12. Oktober. Wer da meinte, unsere Stadt werde durch den Auf= buchstäblich gesagt, jetzt von Militär. Mit banger Besorg¬ enthalt des Hofes ein heiteres Ansehen erlangen, der hat, niß sieht der Bürger, der da fühlt, um was es sich han¬ sich hart und bitter getäuscht. War Olmütz als Festung delt, der Zukunft entgegen. Sie machten es sich in ihrem schon früher mit einer Garnison belegt, so wimmelt es, Programme zum Grundsatze, gegen jede Uebergriffe, mö¬

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