Zwanglose Blätter, Nr. 61, vom 14. Oktober 1848

256 des Hasses und der Zwietracht ihre guten Lehren? Sie nehmen dieselben aus der Eitelkeit ihres Herzens denn sie möchten gerne allein regieren. Sie nehmen sie aus dem Eigennutze ihres Herzens, denn wir wissen ja, daß man das Wasser zuerst trübe machen muß, wenn man Forellen fangen will. Sie sprechen immerfort von der Eintracht von der Bruderliebe von der Freiheit und Gleichheit. Und wie handeln sie? Wir sahen es in Prag, wir sahen es auch, wie die eindringenden Serben die Deutschen im Banate hinschlachten. So sieht es in Oester¬ reich aus, weil man den Leuten einredet, daß man für jede Sprache ein appartes Reich aufrichten müsse. Es wäre aber ehrlicher klüger und nützlicher, die Feier des Pfingstfestes nachzuahmen, wo alle Sprachen sich ver¬ einigten und verständigten, weil die Zeit gekommen war, daß alle Völker und alle Zungen denselben Gedanken aus¬ rufen und predigten, den Gedanken christlicher Nächstenliebe und Brüderlichkeit und Freiheit. Man hat seit Monaten ein schlimmes Spiel gespielt in Oesterreich, und dadurch den innigen Anschluß an Deutschland, welchen man verhindern wollte, zur Noth¬ wendigkeit gemacht. Und darum werfen die Deutschen in Oesterreich Blicke der Sehnsucht und Hoffnung nach ihren Stammgenossen an der obern Donau, dem Rheine, der Spree, nicht sowohl weil es Stämme deutscher Zunge sind, als weil aus diesen Gauen die Luft der Freiheit herüberwehte, welche die Gluth der Märztage anfachte. Die deutsche Freiheit ist die Mutter und Schwester der österreichischen, und ein starkes Oesterreich ist nur auf den Grundmauern deutscher Einheit möglich. Wir sehen, wohin der leichtsinnig und gewissenlos aufgestachelte Fanatismus des Stammes und der Race führt, wenn er nicht durch Humanität und einen ver¬ edelten Begriff von Staat und Freiheit gezähmt wird. Die Stämme Oesterreichs und Deutschlands zu verbrüdern in Humanität und Freiheit, das eben ist die große Aufgabe deren völlige Lösung nur in Frankfurt möglich ist. Die Deutschen in Oesterreich werden ihre innige Verbindung mit Deutschland nicht opfern. Das mögen Diejenigen be¬ denken, welche von einem Oesterreich ohne Deutschland träumen. Sie mögen bedenken, daß sie es eben sind, welche Oesterreich in Trümmer schlagen, und nie werden es die Slaven zugeben, daß Wien die Hauptstadt des Slavenreiches werde, ihr ganzes Bestreben wird vielmehr dahin gerichtet sein, daß eines dieser Trümmer eine sla¬ vische Provinz und Wien höchstens der erste Ort dieser Provinz sein wird. Dahin zielt die Schlauheit der Slaven, dahin ist ihr Hochmuth gerichtet, und wir sehen, wie die guten Wiener, wir sagen die guten, nicht der intelligente, hochherzige, echt vaterlandsliebende Wiener kräftig dahin arbeitet, das schöne, prächtige Wien in die Hände der Slaven zu bringen und zu einer slavischen Provinzstadt herabzusetzen. Was haben die Slaven, und unter diesen die Czechen für die Freiheit gethan, sind die czechischen Deputirten im Wiener Reichstage nicht der unumstößliche Beweis daß in der Brust der Czechen nur ein sehr matter Freiheitsfunke glimmt! Zeigen sie nicht den Wienern klar, welche süßen Freuden ihnen unter slavischer Herrschaft blühen werden, wenn einmal so ein Czeche als Statthalter in Wien seinen Wohnsitz aufschlagen wird. Blicken wir hingegen nach Frankfurt. Die National¬ versammlung sichert allen Nichtdeutschen gleiches Recht, ist es vielleicht ein Uebergriff, wenn sie die natürlichen Rechte des Menschen und Bürgers gewährleistet, ohne Rücksicht auf Unterschied, welche eine willkürliche Gesetz¬ gebung in der Zeit des Druckes und der Polizeigewalt geschaffen hatte. Ist es eine Verletzung Oesterreichs wenn die Nationalversammlung die von dem treulosen Carlo Al¬ berto versuchte Blokade von Triest für eine Verletzung Deutschlands erklärt, und die Sache Oesterreichs zur Sache Deutschlands macht. Oder ist es ein Uebergriff, wenn eine Reichsarmee geschaffen wird zum Schutze gegen die Ge¬ fahren, welche uns von Osten und Westen bedrohen, um Oesterreich und Deutschland stark zu machen wie zuvor? Wer die Geschichte kennt und Gefühl für Völkerglück und Völkerfreiheit im Herzen trägt, wird wünschen, daß endlich nach vielhundertjährigen Kämpfen und Wirren, nach Jahrhunderten der Unterjochung und Willkür ein Zustand geschaffen werde, in welchem der Friede und der Wohl¬ stand das Recht und die Freiheit der Völker gewährleistet und gesichert sind. Dazu bedarf es aber einer kräftigen Einigung, d. i. einer solchen, welche stark genug ist, um die Widerstreitenden zu nöthigen, wenn es der gemein¬ schaftliche Zweck verlangt. Die Nationalversammlung hat eine Centralregierung geschaffen. Dieß behagt den Anar¬ chisten ebensowenig als den Sonderbündlern und den Män¬ nern des Rückschrittes. Sie hat mit richtigem Takte er¬ kannt daß die Preßfreiheit das Lebenselement der Freiheit sei und hat ihr den unbedingten und vollständigen Schutz zugesichert. Deutschland will nicht herrschen über die öster¬ reichischen Länder; aber sie sollen sich um Deutschland sammeln, sich mit ihm fest verbinden zum Schutze der Freiheit nach Innen und Außen, zur Förderung der Bil¬ dung, zur Hebung des Wohlstandes. Würden nur die Bewohner Wiens nur auch jetzt ih¬ rem eigenen gesunden und unbefangenen Verstande folgen, und nicht auf die Einflüsterungen und Verleumdungen der Absolutisten, der Feinde Deutschlands horchen, welche auch die Feinde der Freiheit sind. Wir stehen an einem Scheide¬ wege. Die Absolutisten wollen die alten Zustände herbei¬ geführt haben; ihre Handlungen leitet aber keineswegs ir¬ gend ein Patriotismus, sondern ein schmutziger Egoismus und finstere Unwissenheit bestimmt sie hiezu. Sie bedenken nicht, daß sie die blinden Werkzeuge der Reaktion sind, und daß wenn sie ausrufen: „Wir wollen Oesterreicher allein und nicht deutsch sein,“ sie zugleich das Todtenlied Oesterreichs und Wiens anstimmen; denn ihr Treiben wird und muß Wien, die herrliche deutsche Residenzstadt, zu einem slavischen Provinzialorte herabzerren und die Auf¬ lösung des Kaiserstaates bewirken. Diesen Weg des Ver¬ derbens taumelt ein Theil der verblendeten Wiener; mögen sie doch erwachen, mögen sie die herrliche Straße der

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