Zwanglose Blätter, Nr. 54, vom 20. September 1848

230 Die k. k. ungarische Leibgarde in Wien hat am 11. Sept. abgedankt, um dem bedrängten Vaterlande zu Hülfe zu eilen, und auch, um ihren Unwillen über die Ehrenkränkung, welche Ungarn von der Kamarilla erlitt, an den Tag zu legen. Nachdem schon 25 Garden einzeln ihre Quittirung dem Gardekapitain Veczey überreicht hatten, fragte dieser verwundert, wie viele denn eigentlich diesen Schritt zu thun geneigt wären. „Noch etwa 30 warten draußen, vorgelassen zu werden.“ Also die ganze Garde? fragte der Kapitain. Alle, außer zwei Kroaten, war die Antwort. Pfefferkörner. Am Grätzer Landtage interpellirte ein steirischer Bauer: „Mit der Aufhebung von Zehent und Robot allein sind wir nicht zufrieden. Wir haben auch von den Gutsherren an Robottagen immer Käse, Brot und Wein bekommen; das können wir nicht einbüßen, das muß uns entschä¬ digt werden!“ Die Gränze zwischen Steiermark, dann Ungarn und Croatien, ist auf der steirischen Seite zur Abhaltung von Raubanfällen durch Jellachichs loyale Krieger mit Militär Pf. besetzt worden. Palazky der große Slave hat es neulich in der Kam¬ mer ausgesprochen, nicht die Wiener allein hätten die Märzrevolution gemacht. Das hätten eigentlich die Böh¬ men gethan, die Prager: „Prag erhob sich noch früher (!) als Wien, und die Pragererhebung (von welchem Da¬ tum?) wirkte viel auf das Gelingen der Wiener zurück“ Das sind des großen Slaven eigene Worte! Abgesehen von seiner glänzenden Logik, die ein Er¬ eigniß das früher eintrifft, auf ein später eingetroffenes zurückwirken läßt, müssen wir Hr. Palazky auch seiner allzugroßen Bescheidenheit willen bedauern. Warum verschwieg er es: auch die französischen Revolutionen der Jahre 1848, 1830 und 1789 gingen von Prag aus. Sogar= Kromwell, der Protektor Englands, war ein Böhme aus Stiepanow, Czaslauer Kreises und selbst die Buchstabenschrift wurde in Phönizien von reisenden böhmischen Musikanten erfun¬ den. Siehe Hawliczek Monumenta Bohemica Tom CCCl. pag. 999 u. f. 8 Bitte. Es ist dem Zureden unseres wahren und offenen Freundes, der neulich seine Meinung über die bei hiesiger Nationalgarde annoch bestehenden Uebelstände mit Vermei¬ dung jeder Lüge und aller Anonymität, wie sich das von einem ehrlichen Manne von selbst ver¬ steht, in der Wienerzeitung aussprach, gelungen, uns eines Bessern zu überzeugen, und wir bitten demnach, ein löblicher Verwaltungsrath möge zur Förderung des Nationalgarde¬ dienstes und zur nothwendigen Erzielung der vollkommenen Gleichheit aller Garden in jeder Beziehung, folgende Be¬ schlüsse fassen: 1. Alle Offiziersstellen und Chargen in allen Chören der Nationalgarde sind aufgehoben und jeder hat das Recht zu commandiren. 2. Zur Vermeidung jedes Vorzuges hat in Zukunft die aristokratische Aufstellung der Truppe in 3 Gliedern zu unterbleiben und dieselbe immer in einem Gliede zu geschehen. Auch marschirt sie zur Vermeidung aller Zu¬ rücksetzung immer in ganzer Front. 3. Die Flügelmänner sind abgeschafft. 4. Damit sich aus den nothwendig vorhandenen Fahnenjunkern, Trompetern und Trommlern keine Fah¬ nenjunker= Trompeter= und Trommler=Aristokratie bilde, bekommt jeder Mann der Nationalgarde nebst seinem Ober¬ und Untergewehr eine Trompete, eine Trommel und eine Fahne.*) 5. Der Verwaltungsrath hat sich nach Fassung dieser Beschlüsse alsogleich aufzulösen. Die Chargen=Aristokratie in ihren letzten Zügen. *) Die durch eine solche Anordnung entstehende Vermehrung der Uniformirungs¬ und Ausrüstungskosten, namentlich für unbemittelte Garden dürfte in unserer Stadt nicht zu berücksichtigen sein, da die vermöglichere Einwohnerschaft an patr. Spende zur Uniformirung und Ausrüstung unbemittelter Garden vor allen D. R. Städten und Märkten der Monarchie bereits einzig dasteht. Oeffentlicher Dank. Für die zahlreiche Begleitung des Leichenbegängnisses mei¬ ner versiorbenen Ehegattin Josefine Bleyer danke ich — der tief¬ trauernde Gatte — sammt meinen Kindern mit gerührtem Herzen. Steyr den 15. September 1848. Friedrich Bleyer, Mag. Rath. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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