Zwanglose Blätter, Nr. 54, vom 20. September 1848

Diese Blätter er¬ scheinen wie bishe wöchentlich 2 m. in groß Quart auf schönem Maschin¬ apier, und zwar von jetzt an, jeden Mittwoch und Samstaa halber Druckbogen, und dieser, wenn es die Anhäufung in teressanten Ma¬ terials erfordert noch mit einer Bei¬ lage vermehrt. Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Preis für den hal¬ n Jahrgang C. M., viertel¬ jährig 1 fl. C. M. Für Auswärtige: pr. Post unter Con¬ vert: Halbjährig 2 rtel¬ fl. 42 kr jährig 1 1 kr. M Inserate al¬ ler Art werden auf¬ genommen bei Un¬ terzeichnetem, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. Nero. Steyr am 20. September 1848. 54* Post equitem sedet atra cura. Herbster Herbst. Ich weiß nicht ist es der kalte Regen, der draußen von herbstlich grauen Himmel niederrauscht, oder ist es die unverbesserliche Schlechtigkeit der Menschen, was heute mein Herz mit so tiefer Schwermuth erfüllt. Wenn man das Treiben der Leute so mit ansieht, wie sie sich gegenseitig zu verrathen und zu knechten trachten, wer kann da noch länger daran zweifeln, daß die Mehrzahl mehr Beruf hat, den Nebenmenschen unglücklich zu machen, als ihn zu be¬ glücken. Armes Vaterland wie schön war dein Frühling und wie häßlich ist dein Herbst! Volle Scheuern und kein Friede! eine reiche Weinlese — und doch keine Freude! Fürst und Volk, Soldat und Bürger, jeder hält die Hand am Schwertgriff — es bedarf nur eines unbesonnen Rufes, vielleicht den Knall eines Böllers, den ein froher Knabe, dem seine Mutten die Wunden der Zeit verhüllte, in einer verborgenen Weinlaube losbrennt — und das ungeduldige Eisen fährt aus der Scheide und Europa zittert dreißig Jahre lang unter den ehernen Tritten des Kriegsgottes! Wir haben im Frühlinge der Freiheit Rosen auf den Weg gestreut, jetzt naht die Zwingherrschaft auf dem gezierten Wege. Und wie war das möglich? Nur dadurch, daß die Einen in ihrem Gleichheitstaumel, die Anderen in ihrem hochmüthigen Herrscherzorn zwei Dinge aus dem Auge und aus dem Herzen verloren: die Ehrlichkeit und das Recht! Hierraufen sie sich wie Knaben um bunte Bänder, dort zischen sie sich aus wie Komödianten, bald schultern sie das Gewehr, bald laufen sie mit Fackeln und Musik durch die Strassen — was sind das doch für tolle Luperkalien! Der Reichstag wird von dem Lärmen ganz zerstreut und kommt zu keiner Arbeit und der Kaiser sieht selbst sein bethörtes Volk, und noch mehr hört er es von seiner Umgebung verläumden. Es sieht in Schönbrunn sehr traurig aus. Die Blum¬ men blühen nicht, die Springbrunnen springen nicht, die Vögel schweigen in den dunklen Kronen und Laubwänden, die letzteren lichtet die rauhe Hand des Herbstes und die marmornen Götterbilder werden bald wieder durch das knorrige, kahle Astgeflechte schauen, wie durch Kerkergitter. Ja es ist Herbst geworden, — herbster Herbst! Die Freude ist von ihrem Throne gestossen und auch die Ehr¬ lichkeit und das Recht. Die Winde seufzen im wel¬ ken Laube, wie warnende Geister der gestorbenen Liebe und des gemordeten Friedens, die unruhvoll umkreisen die bedrohten Wohnungen ihrer verarmten und verlassenen Kinder. Die Raben erheben sich trägen Fluges von den kahlen Feldern, setzen sich auf die Giebel und Thürme der Städte, und schauen nach Speise auf den Stadtplatz he¬ rab. Und auf all das Elend scheint nicht einmal die Sonne! Ein gefühlloser Regen fällt vom bleifarben Him¬ mel darauf nieder, kalt wie der Hohn der Camarilla, die hinter der grünen Jalousien Schönbrunns lächelnd zusieht, wie sich das Volk zerfleischt und verdirbt. Was macht das Ministerium in diesen verhängni߬ vollen Tagen? Der Justizminister übt sich in Advokatenknif¬ fen und die übrigen sitzen still und lassen den Weltgeist Po¬ litik machen. Der Weltgeist scheint aber übler Laune zu sein, denn er macht miserable Politik: eine Politik zum Zugrundegehen. Außerdem verdächtigt die ministerielle Wiener Zeitung die akademische Legion, die Liberalen, und nennt dann und wann zum heiteren Intermezzo die Mit¬ glieder des Reichstages „Männer des Volkes.“ Eine Masse reaktionärer Unverschämtheit und Zu¬ dringlichkeit und leise herankriechender, schlangenglatter Verdächtigung und Wühlerei ist der erste Artikel in der Abendbeilage der W. Z. Nr. 160. Zuerst wird dort behauptet, daß Wien nur dem ener¬ gischen und rechtzeitigen (wenn auch ungesetzlichen) Ein¬ schreiten des Kriegsministers in den letzten Tagen der Be¬ wegung seine Ruhe verdanke. Eine besondere Belobung für die feierliche Mittheilung des anonimen, verläumderi¬ schen Briefes ist wahrscheinlich nur vergessen. Gleich darauf geht es an die akademische Legion. Es heißt: am 12. und 13. d. M. haben verschiedene Glieder der Legion den Kriegsminister von ihren achtungs¬ werthen Gesinnungen überzeigt, einzelne Glieder der Legion haben in denselben Tagen ein entschieden edles Be¬ nehmen bewiesen, dennoch liege es aber am Tage, daß die akademische Legion sehr viele hetrogene Elemente in sich zähle, die mit Anwendung jedes ungesetzlichen Mittels ihre Zwecke zu erreichen suchen. „Der Stürmer und der akademische Rock geben, wie die Erfahrung lehrt! durchaus keine Bürgschaft gegen die Wiederholung gewis¬ ser gefährlicher Scenen u. s. f. Fassen wir es kurz zusammen: Verschiedene spre¬ chen eine gute Gesiunung aus, Einzelne bethätigen sie

228 auch, sehr Wiele sind gefährlich und die Gesammt¬ heit gibt durchaus keine Bürgschaft für Ordnung und Ruhe! Es ist ziemlich deutlich. Ich frage aber den Ver¬ fasser jenes Artikels: welche Erfahrung lehrte ihn, daß die Legion keine Bürgschaft gibt für Ordnung und Recht? Hundert tausend Zeugen hat er gegen sich, welche nicht dulden werden, daß man die Wächter der Freiheit unge¬ straft verläumdet. Derselbe Artikel wundert sich, daß in denselben Sep¬ tembertagen in Berlin ähnliche Auftritte wie in Wien Statt fanden, vergißt aber dabei, daß es in Potsdam eine ähn¬ liche Camarilla gibt, wie in Schönbrunn und daß ein ähnliches Ministerium wie das gegenwärtige Wiener, in Berlin viel Unheil anstiftete, das, wenn auch jenes Mi¬ nisterium dort schon gestürzt ist, doch noch immer nach¬ wirkt. Uebrigens sind wir eben so wenig, als die mini¬ sterielle Abendbeilage geneigt, die Wiener=Ereignisse des 12. und 13. September für vereinzelnte Fakten zu betrach¬ ten, sie sind innig verschmolzen mit dem Bestreben des dritten Standes in allen Ländern des westlichen Europas die Sorgfalt der Regierung auch für seine Interessen walten zu sehen, und dieses Bestreben wurde in Wien in umso unwilligeren Aeusserungen laut, als der Gewerbstand sah, daß weder das Ministerium noch der al¬ les in Angriff nehmende Reichstag einen Blick und ein Wort für seine Noth hatte. Zuletzt müssen wir dem oft wiederholten Satz des Ministeriums und seiner Adjutanten volle Gerechtigkeit wiederfahren lassen: daß Freiheit ohne Achtung vor dem Gesetze sich selbst vernichte. Aber im Munde dieses Mi¬ nisteriums wird er zur leeren Frase. Warum sorgt es nicht, daß wir Gesetze bekommen. Wenn das Ministerium sich schon einmal einbildet, der Reichstag sei auch ein ge¬ setzgebender, warum bringen die Minister, wie es dann ihre Pflicht wäre nicht Gesetzesvorschläge ein? Aber abge¬ sehen von dieser Anomalie — warum trachten sie nicht, daß der Entwurf des Grundgesetzes endlich zur Berathung komme? Sind ja doch einige von ihnen selbst Abgeord¬ nete, warum erfüllen sie als solche nicht ihre Pflicht und ergreifen in dieser Frage eine heilsame Initiative? Wäre es denn nicht praktischer der Reichstag hielt wöchentlich nur 2 Sitzungen, statt 6 bis 8, die zu meist ausgefüllt werden durch Interpellationen von denen vier Fünftel zwecklos sind und das fünfte Fünftel ganz ungenü¬ gend durchgeführt wird, dann durch Verhandlungen über Fragen, zu deren Entscheidung der Reichstag nicht kom¬ petent ist. So gewänne der Verfassungsausschuß, der sich so sehr über Zeitmangel beschwert, Zeit genug sich seinem Geschäfte zu widmen. Die Abtheilungen, denen der Plan des Ausschusses mitgetheilt werden müßte, könnten sich über die einzelnen Kapiteln berathen; dadurch würde viel¬ leicht doch das Meer von Amendements abgeleitet und eine anständigere, wirksamere und weniger Zeit raubende Taktik ins Parlament gebracht. Warum macht keiner der Deputirten auf der Mini¬ sterbank oder weiter hinten derlei Voschläge? „Zeit verloren, alles verloren“ heißt ein altes Sprich¬ wort und ich fürchte seine Wahrheit wird sich — Dank dem Ministerium in dem Reichstage, den Ultras und der Kamarilla — bei uns in Kürze glänzend bewähren. Zeit verloren alles verloren. Schon ist es Herbst arme Freiheit! — und noch immer hast du keine Kleider, kein Haus. Du wirst noch froh sein müssen, in irgend einem Ministerialbureaur hinter dem Ofen überwintern zu dürfen. Aler. Jul. Schindler. Zur Geschichte des Tages Der Erzherzog Reichsverweser hat über seine Stellung zu den deutschen Landesregierungen und über die Modali¬ täten seines ämtlichen Verkehres mit ihnen die Ausfertigung eines Erlasses verfügt, der wieder Alles, nur nicht kurz, klar und einfach ist. Das Wesentlichste im ganzen Erlasse ist die Bestimmung, daß die Centralgewalt es sich vorbehält auch unmittelbar—d. i. mit Umgehung der Gesandten in Frankfurt — mit den Regierungen der deutschen Staaten ja sogar unmittelbar mit deren leitenden Organen (Lan¬ des= und Kreisregierungen? Ministerien? Militär=Ober¬ Kommanden?) in Verkehr zu treten. Die deutsche Centralgewalt findet bei den auswärti¬ gen Mächten die gehörige Anerkennung. Auch Belgien hat bereits seinen Gesandten nach Frankfurt geschickt. Alles was zu den civilisirten Nationen zählt, erkennt die Wichtigkeit und Würde eines neuen deutschen Reiches, eines einigen Deutschlands als des Mittelpunktes für Frei¬ heit und Recht. Nur ein paar deutsche Mächte, deren Throne deutsche Hände gebaut und geschützt, deren Purpur deut¬ sches Blut siegreich sterbender Unterthanen neuen Glanz verliehen hat — nur sie wenden ihr Auge voll Gift und Hohn von dem Gedanken eines einigen Deutschlands ab, verschwenden ihre Würde und Selbstständigkeit an Rußland, oder vergeuden ihr Geld, untergraben die Festigkeit ihres uralten Thrones, verwerfen die Liebe ihrer Bürger, alter mit dem Kinderbrei eingestrichener absolutistischer Ideen zu Liebe. Die deutsche Einigkeit und der daraus resultirende Triumf der Freiheit und des Rechtes ist für einzelne Für¬ sten ein solch hirnverwirrendes Schreckbild geworden, daß sie mit Hochverräthern gegen ihren eigenen Thron gemein¬ same Sache machen, der sie anzuwidern scheint, so lange ihn noch der Glanz der Freiheit umgibt. Sie legen ihr Schicksal in die Hände von Männern, die durch einen Eidbruch die Augen der Welt auf sich lenkten und heften die Entscheidung ihres Schicksales an die Fahnen von Völ¬ kern, die zur Sühne für ihre barbarischen Eingriffe in Deutschlands Selbständigkeit und Freiheit, schon mehr als Einmal Deutschlands Felder mit den Leichen ihrer Krieger düngten! Zu Ehren der Freiheit wird nächster Tage in Schön¬ brunn, ein großes Familienfest abgehalten. Onkel Ludwig ist schon eingetroffen, Jellachich ist bereits über die Drau

229 gerückt. Der Prior der Liguorianer in Mautern ist gela¬ den, ebenso Latour, der anonyme Denunziant, Windisch¬ gräz u. dgl. Sämmtliche Bataillons der Linie in allen Umgebungen Wiens bis Brünn sind durch den Telegrafen invitirt. Ob man auch auf ungeladene Gäste gefaßt ist, z. B. auf Madame Einigkeit! Die Mähre: Held Radetzky habe von seinen aus Wien erhaltenen Kriegsmitteln dem Baron Jellachich eine Million Gulden geschickt, verbreitet sich durch alle Jour¬ nale, ohne daß es das Ministerium der Mühe werth fände, dieser Beschuldigung entgegen zu treten, die falls sie wahr befunden wird, dasselbe der schwersten Verantwortung aus¬ setzen würde. Der Reichstags=Adgeordnete Zimmer hat bei der Verhandlung über den Aushilfskredit für die Wie¬ ner Gewerbsleute offen die bittere Bemerkung gemacht daß die Regierung, welche doch die Lage dieser Gewerbs¬ leute kannte, nicht einmal einen Vorschlag zur Linderung derselben machte, „während sie doch Millionen den Kroaten zum Kampfe der Reaktion gegen die Freiheit zugesendet haben soll. Wäre dieses wahr, so müßte er das Ministerium in Anklagestand versetzen!“ Beifallsruf der Kammer folgte der Rede dieses Abgeord¬ neten, aber das Ministerium schwieg. Kriegsminister Feldzeugmeister Graf Latour, Ritter mehrerer hoher Orden 2c. 2c. hat neulich dem Reichstag einen Brief voll der schwersten Beschuldigungen gegen die gewissen hochgebornen Herren so tief verhaßte akademische Le¬ gion vorgelesen, wahrscheinlich um den erschreckten Reichs tag zu entscheidenden Maßregeln gegen diese Rotte Dathan und Abiran zu vermögen. Ein Abgeordneter fragte um den Namen dessen, der den Brief unterfertigte — und der Minister gestand (beschämt, sagen Wiener=Blätter, ich glaube es aber nicht) daß der Brief anonym sei! Ich halte jeden der Beschuldigungen ge¬ gen ein Corps oder wen immer in einem Briefe, in einer Zeitung oder wo immer aus¬ spricht, ohne ehrlich seinen Namen darunter zu setzen für einen feigen Schuft, und Einer der einen anonymen Verläumdungs=Brief nicht verachtungsvoll unter den Tisch wirft sondern von seinem Inhalt einen Gebrauch macht, der den Beschuldigten Schaden brin¬ gen kann, verdient eben auch nicht viel Lob. Unser Reichstag erinnert mich sehr an den Bau der Eisenbahnstrecke von Wien nach Baden. Die Gesellschaft machte sich dabei — natürlich auf Kosten der Aktionäre den Spaß — alle bei einer Eisenbahn nur denkbaren Bau¬ objekte auszuführen. Es wurden Vertiefungen gesucht zu Brücken, endlich gar mit weiten Umwegen einem Bergena¬ he gerückt um nur auch einen Tunell anbringen zu kön¬ nen. Gerade so macht es unser Reichstag. Er will ein¬ mal auf Kosten seiner Komittenten alle Wollüste eines Parlamentes auskosten. Einzüge, Paraden, Fakelzüge, Se¬ renaden — das hat er Alles schon genossen. Spektakel mit obligatem Präsidenten=Glockengeläute hat er sich viel¬ fältig verschafft. Adressen und Deputationen hat er abge¬ sendet, Kredite bewilligt, Minister in Anklagestand zu ver¬ setzen getrachtet, interpellirt nach allen möglichen Richtun¬ gen (nur nicht in denen des dringendsten Bedürfnisses.) Er hat den Präsidenten zum Abtreten genöthiget, er hat sich sogar ein Paar Stündchen Permanenz spendirt — ist das nicht köstlich? Zwei Dinge fehlen ihm nur noch, dann ist alles erschöpft was einem Parlamente, zumal einem kon¬ stituirenden zukommt oder passiren kam. Und zwar: Erstens hat er sich noch immer nicht mit dem Ent¬ wurf und der Berathung der Konstitutions=Urkunde beschäf¬ tigt und Zweitens ist er noch nicht gesprengt worden! Uebrigens ist für den ersten dieser Punkte einige Hoffnung vorhanden. Rücksichtlich des zweiten enthalte ich mich heute noch jeder Bemerkung. Der Antrag, der Armee in Italien eine Dankadresse für ihre errungenen Erfolge zu votiren, hat im Reichstage keinen Anklang gefunden und mit Recht: wie wird der Vorgesetzte seinem Untergebenen dafür danken, daß dieser seine Schuldigkeit gethan hat! Es war eine jener häufi¬ gen Ungeschicklichkeiten und Ungehörigkeiten unseres Reichs¬ tages diesen Antrag zur Sprache zu bringen. Da es aber einmal geschehen war, so sollte man doch mit Recht, we¬ nigstens von einem der Abgeordneten so viel Takt er¬ wartet haben, den Antrag so zu modifiziren, daß darüber ein Beschluß hätte gefaßt werden können, der der tapfern Armee genügt hätte, ohne der Würde des Reichstages et¬ was zu vergeben. Wo waren denn die 70 Amendements¬ stellen zum armen Kudlich'schen Antrage! Fiel es keinem ein der Armee „Glück zu wünschen“ zu den Siegen, die ihre Tapferkeit krönten?! Es wird in den Zeitungen viel Aufhebens gemacht von einem Handschreiben des Kaisers an seinen „lieben Freiherrn von Jellachich“ in welchem der Kaiser sagt: in Folge der unzweifelhaften Beweise von Treue und Anhänglichkeit des Hrn. Baron an die Dinastie (was übrigens ganz richtig bemerkt ist) wiederrufe er, der Kaiser das Manifest vom 10. Juni l. J., das den Herr Baron als Hochverräther erklärte und er verleihe dem Hrn. Baron wieder die entzogene Banal= und alle anderen Würden. Hie und da erlaubte man sich sogar, in Folge dieses Briefes zu behaupten der Königvon Kroatien u. Slavonien nehme Parthei gegen den König von Ungarn, die beschworne Verfassung Un¬ garns sei verletzt worden u. dgl. m. Wie mag man doch ein an¬ spruchloses Privatschreiben, das höchstens Privatsimpa¬ thien ausdrückt, für die niemand zur Rechenschaft gezo¬ gen werden darf, vor das Forum der Oeffentlichkeit ziehen? Obiges Privathandschreiben ist ja von keinem Minister kontrasignirt und folglich fehlt uns 1) jede Bürgschaft für seine Echtheit, und 2) kann es die rechtliche Wirkung des kontrasignir¬ ten Manifestes vom 10. Juni l. J. nicht aufheben!! J

230 Die k. k. ungarische Leibgarde in Wien hat am 11. Sept. abgedankt, um dem bedrängten Vaterlande zu Hülfe zu eilen, und auch, um ihren Unwillen über die Ehrenkränkung, welche Ungarn von der Kamarilla erlitt, an den Tag zu legen. Nachdem schon 25 Garden einzeln ihre Quittirung dem Gardekapitain Veczey überreicht hatten, fragte dieser verwundert, wie viele denn eigentlich diesen Schritt zu thun geneigt wären. „Noch etwa 30 warten draußen, vorgelassen zu werden.“ Also die ganze Garde? fragte der Kapitain. Alle, außer zwei Kroaten, war die Antwort. Pfefferkörner. Am Grätzer Landtage interpellirte ein steirischer Bauer: „Mit der Aufhebung von Zehent und Robot allein sind wir nicht zufrieden. Wir haben auch von den Gutsherren an Robottagen immer Käse, Brot und Wein bekommen; das können wir nicht einbüßen, das muß uns entschä¬ digt werden!“ Die Gränze zwischen Steiermark, dann Ungarn und Croatien, ist auf der steirischen Seite zur Abhaltung von Raubanfällen durch Jellachichs loyale Krieger mit Militär Pf. besetzt worden. Palazky der große Slave hat es neulich in der Kam¬ mer ausgesprochen, nicht die Wiener allein hätten die Märzrevolution gemacht. Das hätten eigentlich die Böh¬ men gethan, die Prager: „Prag erhob sich noch früher (!) als Wien, und die Pragererhebung (von welchem Da¬ tum?) wirkte viel auf das Gelingen der Wiener zurück“ Das sind des großen Slaven eigene Worte! Abgesehen von seiner glänzenden Logik, die ein Er¬ eigniß das früher eintrifft, auf ein später eingetroffenes zurückwirken läßt, müssen wir Hr. Palazky auch seiner allzugroßen Bescheidenheit willen bedauern. Warum verschwieg er es: auch die französischen Revolutionen der Jahre 1848, 1830 und 1789 gingen von Prag aus. Sogar= Kromwell, der Protektor Englands, war ein Böhme aus Stiepanow, Czaslauer Kreises und selbst die Buchstabenschrift wurde in Phönizien von reisenden böhmischen Musikanten erfun¬ den. Siehe Hawliczek Monumenta Bohemica Tom CCCl. pag. 999 u. f. 8 Bitte. Es ist dem Zureden unseres wahren und offenen Freundes, der neulich seine Meinung über die bei hiesiger Nationalgarde annoch bestehenden Uebelstände mit Vermei¬ dung jeder Lüge und aller Anonymität, wie sich das von einem ehrlichen Manne von selbst ver¬ steht, in der Wienerzeitung aussprach, gelungen, uns eines Bessern zu überzeugen, und wir bitten demnach, ein löblicher Verwaltungsrath möge zur Förderung des Nationalgarde¬ dienstes und zur nothwendigen Erzielung der vollkommenen Gleichheit aller Garden in jeder Beziehung, folgende Be¬ schlüsse fassen: 1. Alle Offiziersstellen und Chargen in allen Chören der Nationalgarde sind aufgehoben und jeder hat das Recht zu commandiren. 2. Zur Vermeidung jedes Vorzuges hat in Zukunft die aristokratische Aufstellung der Truppe in 3 Gliedern zu unterbleiben und dieselbe immer in einem Gliede zu geschehen. Auch marschirt sie zur Vermeidung aller Zu¬ rücksetzung immer in ganzer Front. 3. Die Flügelmänner sind abgeschafft. 4. Damit sich aus den nothwendig vorhandenen Fahnenjunkern, Trompetern und Trommlern keine Fah¬ nenjunker= Trompeter= und Trommler=Aristokratie bilde, bekommt jeder Mann der Nationalgarde nebst seinem Ober¬ und Untergewehr eine Trompete, eine Trommel und eine Fahne.*) 5. Der Verwaltungsrath hat sich nach Fassung dieser Beschlüsse alsogleich aufzulösen. Die Chargen=Aristokratie in ihren letzten Zügen. *) Die durch eine solche Anordnung entstehende Vermehrung der Uniformirungs¬ und Ausrüstungskosten, namentlich für unbemittelte Garden dürfte in unserer Stadt nicht zu berücksichtigen sein, da die vermöglichere Einwohnerschaft an patr. Spende zur Uniformirung und Ausrüstung unbemittelter Garden vor allen D. R. Städten und Märkten der Monarchie bereits einzig dasteht. Oeffentlicher Dank. Für die zahlreiche Begleitung des Leichenbegängnisses mei¬ ner versiorbenen Ehegattin Josefine Bleyer danke ich — der tief¬ trauernde Gatte — sammt meinen Kindern mit gerührtem Herzen. Steyr den 15. September 1848. Friedrich Bleyer, Mag. Rath. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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