Zwanglose Blätter, Nr. 52, vom 13. September 1848

Hertl Sonntag den 10. d. M, unternahm das Schützenba¬ taillon der Steyrer=Nationalgarde einen Uebungsmarsch nach Sierninghofen; die Nationalgarde Schützenkompagnien von Sierning, Sierninghofen und Neuzeug empfingen das Ba¬ taillon an der Komissariatsgränze auf das Ehrenvollste und Herzlichste und die brüderlich vereinten Waffenkörper setzten den Marsch nach Sierninghofen fort. Die Stunden des Nachmittages verflossen fröhlich, beim Gesange deutscher Lieder. Bei Anbruch des Abends begab sich das Steyrer¬ ich es. Schützenbataillon auf den Heimmarsch. Die nachbarlichen Schützenkompagnien gaben ihnen wieder das Ehrengeleite. Der Marsch wurde durch die echt deutsche und herzliche Gesinnung der Nachbargarden zum Feste, zu einem Feste der Vereinigung, die nicht nur für Freudentage dauern soll und wird. Ich wünschte die eifrigen Mineure die schon wieder so emsig die Wurzel des jungen Freiheitsbaumes zu untergraben trachten, möchten bei ihrem Werke doch nicht ganz auf uns Schützen vergessen! 3 Zur Geschichte des Tages. Am 6. September fand im Saale zum „römischen Kaiser“ in Wien die Versammlung der von Dr. Vivenot in seiner an allen Strassenecken angeschlagenen Einladung. Geladenen Statt. Es bildete sich ein Klubb, als dessen Präsidenten die Herren Ebersberg, Qu. Endlich und Zer¬ boni die Sposseti ernannt wurden. Handelt es sich hier etwa gar um eine republikanische Schilderhebung? Prag. Die Constituirung der hier zu organisiren¬ den Nationalgarde naht ihrem Ende. Bisher wurde nicht ein einziger Aristokrat zum Offizier gewählt. Brav! — In ganz Böhmen werden allenthalben Unterstützungs¬ Ungarischen Blättern entnehmen wir: Glaubwürdigen Nachrichten zufolge war in den letzten Tagen des Monats August eine kroatische Deputation in Wien, welche eine Klage gegen den Exban Jellachich sowohl bei Sr. Ma¬ jestät als auch bei dem Erzherzog Franz Karl und der Erzherzogin Sofie vorbrachte, und auf Verlangen der bei¬ den Letzteren denselben eine Denkschrift überreichte. Se. Majestät gab der Deputation die Versicherung, daß diese Angelegenheit bald eine andere Wendung nehmen werde. Was fiel aber dieser Deputation ein, sich an zwei Privatleute wie der Erzherzog Franz fie zu wenden? Was sollen denn die bei der beiträge für die Serben und Kroaten im Kampfe gegen die Magyaren veranstaltet. „Tutti-frutti“ von F. W. Es ist eine auffallende Wahrheit, daß in den abso¬ luten Monarchien nie viel für Volksbildung gethan, — ja, man kann sagen, ihr selbst feindlich entgegen getreten wor¬ den. Ein Beispiel gibt Ludwig, der Prachtliebende, — der König von Baiern, welcher zu einer Zeit in das Privat¬ leben zurückgetreten, wo der Satz: „Was in Wahrheit der ganzen Menschheit einem ganzen Volke nützen soll, muß auf dem breiten Grunde der Volksbildung beruhen und aus ihr hervorgehen“ sich geltend zu machen begann. Die¬ ser Ludwig, welcher immer noch viele findet, die ihn lo¬ ben seiner aufgeführten Luxusgebäude wegen, seines Kunst¬ sinnes seiner Unterstützung der Malerei und Plastik we¬ gen, — dieser Ludwig hatte einen Großtheil der Stiftungs¬ gelder, wovon die Schullehrer in Baiern bezahlt werden, zu Zwei von Hundert hergeliehen, damit in München ein schöner neuer Gasthof erbaut werden konnte. Der Ausfall an den Zinsen wurde den Schullerern (das versteht sich von selbst) an ihrem Solde abgezogen, weßhalb diesel¬ ben an dem nutzlosen Rhein= und Mainkanale Taglöhner¬ dienste verrichten mußten, um ihr Leben zu fristen. Nicht ganz, aber doch ziemlich — wie bei uns! Ich bin kein Freund der Formalitäten, das weiß jeder der mich kennt; aber eine Form muß es geben in Allem und Jedem. Dieses scheint man jedoch in unserem jungen constitutionellen Staate hie und da ignoriren zu wollen; es thut nicht gut, man nehme sich ein Beispiel an dem freien Amerikaner, am freien Engländer; die ver¬ stehen ihre Sache und wenn sie auch bisweilen etwas peinlich=kleinlich in der Form sind. In Ashingtown sollten die Assisen eröffnet werden. Wie bekannt, halten die Ge¬ schwornen, wenn sie den Eid ablegen, die Bibel, dem Ge¬ setze gemäß in der rechten Hand — aus Versehen hielten zwei Geschworne das Buch in der linken Hand, — dieses wurde angegeben und die bereits begonnenen gerichtlichen Verhandlungen mußten unterbrochen werden, jene Beide Arming. noch einmal schwören. Einige mögen lächeln über diese Formalität, — ich halte es für nöthige Beachtung der Form.*) Es schadet nicht, mit den demokratischen Demonstra¬ es mag immerhin tionen ein Wenig arg aufzutreten; selbst ins Ertreme, selbst offenbar Ungerechte abschweifen; denn gar leicht könnten wir wieder es schadet nicht, von der stets wachsamen und thätigen Reaction in jene gefährliche loyale Sorglosigkeit eingelullt werden, aus der wir kaum erwacht sind. Betrachten wir uns nur das deut¬ sche Philisterthum mit seinen hausbackenen Patriotismus, wie es sich grob und anmaßend dem Freisinnigen ge¬ genüber in die Brust wirft und wir werden es er¬ klärlich finden, daß sich die Aristokratie darob vergnügt die Hände reibt; — wir haben mit einem Doppelfeind zu darum aufgeschaut!! ringen, Im Mittelalter und bis zur Reformation war die latainische Sprache die diplomatische. Sie wurde später durch die französische ersetzt, welche sich ihrer Leichtigkeit und Schmiegsamkeit wegen wirklich im vorzüglichen Grade zur Diplomatensprache eignet; aber der Deutsche bequemte sich auch stets zu andern Sprachen, wenn es ihm anbefohlen wurde, er war allezeit des Fremden Knecht, er mußte rö¬ misch reden unter den Cäsarn, spanisch unter den Habs¬ burgern, französisch zur Zeit des Rheinbundes; sollte er vielleicht jetzt auch noch slavisch lernen? — das wäre böse! *) Da nimmt es unser hochweiser Reichstag nicht so genau. Wenn z. B. zwei Drittheile der Wahlmänner, die einen Deputirten wählten, durch alle mög¬ lichen Umtriebe, ja selbst in die Augen fallende Verfälschung der Wahlpro¬ tokolle und Stimmzettel zu ihrer Majorität gekommen sind, außerdem noch 20 wesentliche Formfehler der Wahlen stichhältig nachgewiesen werden, so findet es der Reichstag über vorliegende Proteste nicht einmal der Mühe werth, sich die Wahlacten vorlegen zu lassen, sondern — wenn ihm der Abgeordnete eben zum Gesichte steht — erklärt er seine Wahl für giltig und tritt das Wahl¬ D. R, gesetz mit Füssen. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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