Zwanglose Blätter, Nr. 37, vom 22. Juli 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 22. Juli 1848. 37. Wolkentheilung — bring uns Gluck! Göthe. Das neue Ministerium. Das vom provisorischen Minister des Innern Baron Dobblhoff zusammengesetzte Ministerium hat in folgender Gestalt vom Kaiser=Stellvertreter, Prinz Johann die Ge= nehmigung erhalten: Ministerpräsident, Minister des Hauses (noch immer! noch immer!) und des Aeußern: Baron Wessenberg, Minister des Innern: Baron Dobblhof, Minister der Justiz: Dr. Alexander Bach, Minister des Krieges: Graf Latour (oh!!) Minister der Finanzen: (provisorisch) Baron Kraus, (o Graus!) Unterstaatssekretär im Ministerium der Finanzen: Baron Stifft (junior oder senior?) Minister des Handels: Theodor Hornbostel, Minister des Unterrichtes: Baron Dobblhof (provisorisch), Unterstaatssekretär im Ministerium des Unterrichtes: Dr. Baron Feuchtersleben. Minister der öffentlichen Arbeiten: Ernst von Schwarzer, der Redakteur der allgemeinen österreichischen Zeitung. Bevor wir uns über diese Combination ausspre= chen, müssen wir es als einen groben Irrthum bezeichnen, daß nur die Minister der Finanzen und des Unterrichtes als provisorische bezeichnet sind. So lange nicht der kon= stituirende Reichstag vermöge seiner Vollmachten die Ver= fassungspunktationen beschlossen hat, die als die Bedingungen des Volkes anzusehen sind unter denen es sich vom Kaiser regieren lassen will und so lange diese Punktationen durch die freie Einwilligung des Kaisers auf dem Vertragswege nicht zum definitiven Staatsgrundgesetze erhoben sind, be= steht der ganze österreichische Staat in all seinen Formen nur provisorisch und es können demnach seine Minister ihre Portefeuille auch nur provisorisch in Händen halten. Unter den neuen Ministern finden wir zwei Männer aus der alten Zeit. Sie machen konstitutionelle Compli= mente, ihr Glaubensbekenntniß aber las ich in einem Ma= nuskripte Heines, das bis jetzt nicht gedruckt wurde, in folgenden Versen ausgesprochen: „Ja ich gesteh — es hängt mein Herz Ein Bischen an dem alten Deutschland noch immer. Ich denke noch gern An die schönen verlornen Gestalten.“ Die zwei schönen verlorenen Gestalten heißen Kraus und Latour. Kraus hat einen Unterstaatssekretär an der Seite; den Baron Stifft. Ist das der ältere oder der jüngere? Gleichviel, jeder wäre eine gute Wahl. Der ältere Stifft war sonst im seligen niederösterreichischen Landtage auf der Seite der Opposition, und da Schreiber dieses damals öfter mit ihm verkehrte, so muß hier gesagt werden, daß er durch seine geistreichen und gemessenen Worte immer den Eindruck machte, als sei er keiner von jenen landstän= dischen Freiheitshelden, die eben nur eine landständische Freiheit erreichen wollten. Des jüngeren Stiffts geistreiche Journalartikel in der österreichischen Allgemeinen sind bekannt. Der Minister Dobblhof ist in diesen Blättern charak= terisirt worden, als er im Ministerium Pillersdorfs das Portefeuille des Handels u. s. f. übernahm. Im Kampfe gegen die Intriguen des Hofes in Innsbruck oder nennen wir das Kind bei seinem Namen: als Gesandter des öster= reichischen Volkes am Innsbrucker Hofe hat er sich die Liebe der Liberalen errungen. Als Minister des Innern ist er ein Minister der Hoffnungen. Er beginnt wie Pil= lersdorff, nur, daß er nicht die Wucht langer Dienstjahre in der Metternichischen Bureaukratie, wie jener auf dem Nacken hat; darum dürfen wir zu unserem eigenem Heile hoffen, daß er anders enden wird als sein Vorfahrer. Wessenberg, der Conseilspräsident, theilt mit Dobblhoff die Simpathien der Liberalen, oder besser gesagt des Vol= kes, denn die illiberalen bilden bei uns eine erbärmliche Min= derzahl, wie die bevorzugten Stände in jedem Staate. Un= ere Illiberalen kann man nicht einmal einer politischen Gesinnung beschuldigen: sie sind illiberal aus Schmutzerei aus gekränkter Eitelkeit, oft aus Wuth über die eigene Dummheit, die eigene Imbecillität, die sie sich nicht länger verschweigen können. Sie haben nichts gegen die Frei= heit, die sie nicht einmal persönlich kennen. Wessenberg genießt die Simpathien der Liberalen wir erwarten seine Werke.

Der Unterstaatssekretär des Ministerium des Unter= richtes Baron Feuchtersleben hat bis jetzt mehrere sehr kaltblütige Schriften belletristischen Inhaltes geschrieben. Von seiner staatsmännischen Befähigung, haben wir noch kei= nen praktischen Beweis. Wie faßt er unsere Zeit auf? Sitzt er rechts oder links? Was that er für die Freiheit? Kurz Feuchtersleben ist in der Sphäre, in die er jetzt ge= getreten, für die Oeffentlichkeit ein unbekannter Name. Das können wir nicht loben. Professor Füster, ein im Un= terrichtswesen und im Kampfe für die Freiheit praktischer Mann war fürs Portefeuille des Unterrichtes vorgeschla= gen. Warum wagte man nicht den volksthümlichen Griff? Als Füster zum Reichstagsdeputirten gewählt wurde, sagt er: er werde sich auf die Linke setzen und die Rechte des Volkes vertheidigen. Hat ihn das vielleicht schlecht empfohlen? Dr. Alexander Bach ist gleichfalls ein im Staatsle= ben unbekannter Mann. In gewissen Wiener Zirkeln wur= den seine Fähigkeiten oft gelobt. Wir haben keine Ursache sie zu bezweifeln. Professor Hye erwähnte im verflossenen April im Gespräche, daß wohl Alex. Bach einst Justizmini= ster werden wird. Bekömmt Herr Minister Bach auch ei= nen Unterstaatssekretär? und welchen? Männer des entschiedensten Fortschrittes, die ihre Gesinnungen häufig und auf das Bestimmteste bethätiget haben sind der Minister des Handels: Hornbostel — ein bürg. Fabrikant, und Schwarzer — der Redakteur. Erste= rer wirkte im Bürgerausschusse der Stadt Wien, im nie= derösterreichischen Gewerbverein (nicht zu verwechseln mit dem innerösterreichischen) mit all der anerkennenswerthen Kraft, die ein Mann mit gebundenen Händen entwickeln kann, er wirkte überall wo er schrieb, sprach und handelte, — denn dem Sämann der Freiheit ist die ganze Welt ein aufgeackertes Feld. Schwarzer wirkte als Schriftsteller durch seine Feder — sie ist das schärfste Schwert und springt nie ab — das sicherste Geschütz und trifft in alle Weiten. So hätten wir endlich ein Ministerium, das wenig= stens zum Theile aus Männern besteht, wie die Zeit sie fordert. Wir hoffen, die welche ihre Zeit überlebt haben werden abfallen, wie andere welke Blätter — nach dem unab= änderlichen Gesetze der Natur. Die grünen Blätter aber mögen treu bleiben dem Stamme, aus dem sie gewachsen sind. Der Volksunterricht. „Der Keim und Anfang des furchtbaren Proletariats liegt in der Volkserziehung, d. h. im gänzlichen Mangel an Volkserziehung. Das Proletariat wird nicht geboren sondern erzogen, und nur durch einen künftigen Volksun= terricht wird man diesem gefährlichsten Feinde der Gesel=l schaft beikommen können.“ Dieses ist ein wahres Wort und zu einer Zeit ge= sprochen, wo der Umschwung aller Dinge erwarten läßt, daß auch in dieser wichtigen Angelegenheit einem bisher bestandenem Mangel abgeholfen werde. Es wird an einem neuem Studienplan gearbeitet; — ganz recht und so noth= wendig als irgend etwas, denn wohin es mit den Lehran= stalten in der Zeit der Metternich=Sedlnitzki — jesuitisch — absolutmonarchischen Regierung gekommen ist, wissen wir; aber eben so nothwendig ist es dem Volksunterrichte seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Meine Ansichten, nach wel= chen Grundsätzen dieser geleitet werden sollte, will ich in einen nächstfolgenden Aufsatz aussprechen, für jetzt nur Ei= niges im Allgemeinen. Vor Allem muß der Lage der Schullehrer aufgeholfen werden. Dieses ist nun freilich ein Ziel, welches dem Staate leichter vorzustecken ist, als, daß er dasselbe möglich erreichen kann; aber geschehen muß was nothwendig ist. Die Lage dieser Classe muß unmit= telbar verbessert, und ihr durch noch günstigere Aussichten neuer Muth eingeflöst, dadurch auch Befähigten die Auf= munterung gegeben werden, sich diesem bisher außer al= lem Credite stehenden Stande zuzuwenden. Die Besoldun= gen unserer Schullehrer sind von einer Art, daß der alte Spruch „zu wenig zu leben und zu viel um zu verhun= gern“ nicht einmal seine Anwendung findet sie sind wirklich zum Verhungern, und die dem herben Schick= sale Verfallenen, Schullehrer sein zu müssen, sind angewie= sen, sich nebstbei als Meßner, Glockenläuter, Tagschreiber zu verdingen, oder sie müssen trachten, durch Nebenbeschäf= tigungen als Bier= und Most=Ausschenker, Tanzelgeiger u. dgl. sich einen Nebenerwerb zu verschaffen, .... wo= hin derlei führen muß, kann man sich denken, und ebenso erklärlich ist es auch, daß der Staat an so armselig bezahlte Diener keine großen Ansprüche machen konnte. Betrachten wir in den Provinzen, besonders auf dem Lande den Zu= stand der Schulen, prüfen wir die Intelligenz der Lehrer mit wenigen Ausnahmen, so sehen wir ein, daß es anders werden muß, aber dieses erfordert nicht nur energische, son= dern noch mehr langwierige, mit großer Beharrlichkeit durch= geführte Mittel von Abhülfe, es wird natürlich viele Jahre währen, ehe sich eine neue Generation von Schullehrern bildet; aber die Verbesserung der Lage der gegenwärtigen ist jedenfalls das Erste. Diese Abhilfe in Anbetracht des mangelhaften Volks= unterrichtes ist Sache des Staates. Er muß durch Geld= mittel, durch Errichtung von Schulen, durch zweckmäßige Gesetzgebung für einen besseren Unterricht sorgen; aber es ist dann doch nur von einer Seite etwas geleistet, es gibt noch eine andere Seite, welcher volle Aufmerksamkeit zu schenken ist. Wenn man Jemanden lesen und schreiben gelehrt hat, muß man ihm auch Bücher verschaffen, welche machen, daß seine Kenntnisse ihm nicht mehr schäd= lich als nützlich werden. Daran fehlt es. Wir sehen Viele der unteren Volksklassen lesen, selbst in den Wohnungen des Landmannes trifft man Bücher — aber welche Art von Literatur ist hier zu Hause? — Kalender mit schlech= ten Anekdoten und unsauberen Witzen, Lügenbiografieen und Martyrergeschichten, Ritter= und Räuber=Romane à la Dellarosa und Spieß, wo auch die blutende Gestalt mit Dolch und Lampe nicht fehlt, daumenlange Hansel und ge= hörnte Siegfriede, sind das Bücher, welche Nutzen bringen? — Die Lekture übt wichtigen Einfluß auf die mo=

ralische Bildung des Menschen, — dieses darf mar nicht vergessen. England und die Schweiz gehen uns mit einer ausgezeichneten Beispiele vor. Letzteres hat seinen Zschokke, und noch Einige, deren Volksschriften in den Händen des Volkes sind, und die auf dessen Unterricht und Vered= lung einwirken, Ersteres, obgleich auch dort die schön Literatur nur unvollkommen bis in die untersten Schichten der Gesellschaft dringt, die ihrer am meisten bedürfte, hat doch die Volksbücher von Chambres, Knight und einigen Anderenz, als drohendes Beispiel dürfte uns Frankreich dienen. Sein vergötterter, von uns in allen denkbaren Uebersetzungen verschlungener Eugen Sue, — er war der eifrige Vorarbeiter für die jüngst erlebten Bluttage. Wir wollen den besten Weg einschlagen. Es sollen in allen Landstädten, Märkten und Gemeinden Comunal= Bibliotheken angelegt werden, — nicht von der geistlichen oder von der Ortsobrigkeit, sondern von der Gemeinde selbst, und diese soll die Wahl der Bücher ihren gebildetsten Mitgliedern überlassen, welche sich nöthigenfalls um guten Rath an Männern wenden können, von denen sie überzeugt sind, daß sie diesen zu geben im Stande sind. Ferner sollen sich allent= halben in eben diesem Sinne Vereine bilden, nicht als Zu= sammenkünfte in Schenkhäusern, sondern dem eigentlichen Sinne entsprechend, um gute Zeitungen zu lesen, sich über die Zeitereignisse zu berathen, Vorschläge zu machen und in Ausführung zu bringen, .... unsere Zeit ist die der öffentlichen Berathung und Besprechung, wir sind, Gott sei es gelobt, über die Zeit des „hinter dem Berge halten“ hinaus und haben polizeiliche Aufpasser nicht mehr zu fürch= ten, — ein offenes Wort führt zum Verständniß, das thut uns noth. Die Volksbildung ist eine der größten Aufgaben unserer neuen konstitutionellen Monarchie. Ihr Lösung ist wie die aller socialen Fragen, schwieriger als die irgend einer politischen. Die vorige Regierungsform hat mit guten Vorbedacht vernachlässigt was dienlich ist, wir wollen mit Kraft und guten Willen einzuholen suchen, was wir versäumt. Muthig vorwärts! F. W. Arming. Verschiedene Wahlresultate. Die Wienerzeitung vom 18. d. M. bringt ein Ver= zeichniß von Abgeordneten die in Böhmen in den konsti= tuirenden Reichstag gewählt worden sind. Es ist vom In= teresse diese Liste hier mitzutheilen: Aus der Provinz Böhmen Wahlbezirk. Johann Sidon, Gymnasial=Katechet Gietschin Johann Kratochwil, Caplan Brzeznic. Cajetan Tyl, Schriftführer Unhoscht. Franz Duschek, Bürgermeister Tabor. Friedrich Thiemann, Ober= und Justiz= amtmann Raumburg. Carl Zimmer, Doktor der Medizin Tetschen. Dr. Franz Haimerl, k. k. Professor Elbogen. Anton Kutschera, Magistratsrat Przibram. Dr. Andr. Eckl, Hof= und Gerichts=Advokat Weseritz. Aus der Provinz Böhmen. Wahlbezirk. Dr. Anton Strobach, Stadt Prag Erasmus Wocel, Litera Politschka. Franz Palacky, Landes=Historiograph Stadt Prag. Wenzel Alex. Fleischer, Dr. der Medicin Schluckenau. Joseph Reichl=Fickl Realitätenbesitzer Teplitz. Dr. Ignaz Sieber, Landes=Advokat Joachimsthal. Franz Watzel, Vürgermeister Hohenelbe. Ignatz Paul, Sekretär der 1. österreich. Sparkasse Gabel. Johann Schautl, Justiziär Chlumetz. Carl Herzig, Fabrikant Stadt Reichenberg. Dr. Josef Alex. Helfert, k. k. Professor Tachau. Dr. Franz Richter, Hof= u. Gerichts= Advokat Böhm. Leippa. Felix Scherl, Cameralrath Schüttenhofen. Carl Stiebnitz, Gerichts=Advokat Plas. Was sagen die intelligenzscheuen Wahlmänner des flachen Landes in Oberösterreich, was sagen sie, die sich so viel besser, klüger und freisinniger dünkten als die Böh= men zu diesen Wahlen, die ohne Ausnahme auf Männer der Intelligenz gefallen sind? Hat das Volk in Böhmen etwa keine Lasten von seinem Nacken zu schütteln? Schmach= tete es mehr oder weniger unter dem Joche der Bu= reaukratie und der Aristokratie als das Volk in Oester= reich? Und doch wählte es Männer der Wissenschaft. Es wird seine Wahl noch preisen. Betrachten wir aber die Vorzüglichkeit der böhmischen Wahlen in ihrer Wirkung auf unsere deutschen Interessen. Da haben wir czechischer Seits Männern von großer Ge= lehrsamkeit von bewiesenem Talente, von erprobter Energie, Redner von parlamentarischem Takt — Leute die schon un= ter dem Drucke der alten Regierung in den weitesten Krei= en als Träger junger Ideen berühmt waren. Da haben wir begeisterte Vertheidiger der slavischen Nationalität, die übrigen slavischen Abgeordneten werden sich wie eine Phalanx um sie reihen — ein Geist — ein Wille — die geistige Kraft eines ganzen Volkes werden sie zu Gunsten ihrer Nationalität bei Abstimmungen über Lebensfragen der deutschen Nationalität in die eine Wagschale werfen, und was bieten wir für ein Gegengewicht? Brave Bau= ern — die übrigens nicht alle flüssig schreiben können, Beantworter der Robot und Zehentfrage und keiner ande= ren, wenn es nicht hie und da der Bigotterie gelingt, sie etwas höher zu schrauben; Leute welche die deutsche Na= tionalitätsfrage so richtig auffassen, daß sie bei den Wah= len ins deutsche Parlament erklärten: sie wollten keinen an= deren Kaiser als den Ferdinand und keine andere Religion als die katholische, Leute, denen niederträchtige Beamten u. dgl. leicht hinaufschwatzen konnten: Männer die vom in= nigsten Anschluß an Deutschland sprechen, wollen die Anarchie. Das sind deine Kämpfer — mein Oberösterreich, gegen die wohlgeschulten und wohlbewaffneten Ritter des Slavismus. Sage mir nicht: „Was liegt an den weni= gen Köpfen, die ich stellte, die werden nichts verderben

und andere werden für sie schon alles gut machen. Die Zahl der deutschen Abgeordneten steht zu jenen der Sla= vischen, in einem so ungünstigen Verhältnisse — daß bei ent= scheidenden Abstimmungen von den Häuptern unserer Lieben kein einziges Haupt fehlen darf, — ja daß wir vielmehr Talente von überwiegender Geisteskraft, von so glänzender Beredsamkeit benöthigten, daß sie im Stande wären, Män= ner aus den Reihen der Feinde, als Freunde zu uns her= über zu ziehen. Oberösterreich — wir sagen es ungescheut — ist am Reichstage nicht vertreten, wie es vertreten sein sollte, wie es vertreten sein könnte! Theilweise Indolenz von Seite der Liberalen, Verläumdung, Bettelei und Schleicherei von Seite der in diesen Künsten virtuosen Reaktionäre und ein unkluges Haranguiren von Seite un= reifer Ultras tragen an diesem bedauernswerthen Ereig= nisse die Schuld. Viele sehen freilich jetzt schon ein, wel= che Leute sie hätten wählen sollen — sie werden davon noch festere Ueberzeugung gewinnen, wenn die slavischen und tyrolisch=jesuitischen, wohlbedienter Batterien im Reichs= tagsaale ihr Feuer gegen deutsche Nationalität und Frei= heit eröffnen werden, und die wenigen deutschen Freiheits= helden der Uebermacht Schritt für Schritt — kämpfend wie rechte Ritter — werden weichen müssen. Dann schikt ihnen die Bureaukratie, die ihr protegirtet, dann schikt ihnen eure Avancements=Lungerer zu Hülfe und wenn das süß= liche Gezische dieser eurer Männer den Sturm nicht zu bändigen vermag, der unter dem erzürnten Himmel auf= braust — dann verstopft ihr euch eure Ohren umsonst mit der Baumwolle der befriedigten Eitelkeit, des befriedigten Eigennutzes des gestillten Privathasses — durchschlagen wird der Donnerruf der erzürnten Massen, der über die Boulevards hinabbrausend in den Februartagen Louis Fil= lipps klug gestützten Thron und mit ihm die Herrschaft der Heuchelei zerschmetterte — der Ruf: Aux armes — ont nons trahit! Alex. Jul. Schindler. Briefe. Wien, am 11. Juli 1848. Unsere Frankfurter=Deputirten haben sehr an Credit verloren, denn freut man sich hier auch, daß sie Erzher= zog Johann gewählt haben, so ist man doch keineswegs mit der Schöpfung einer neuen Civilliste und eines unverant= wortlichen Reichsverwesers einverstanden. Die Freude über die Wahl des Erzherzogs Johann ist selbst nicht ganz un= eigennützig, und bei vielen nur dadurch verursacht, daß man hofft auf die Verhältnisse Deutschlands künftig einen grö= ßern Einfluß üben, den Sitz der deutschen Parlamente hie= herziehen und dadurch die bisher drohende Gefahr vermei= den zu können, welche Wien zu einer Provinzial=Haupt= stadt an der deutschen Ostgränze reduciren würde. Die Ansicht hat eine Deputation des Ausschusses bestätigt, wel= che Erzherzog Johann bat, dahin wirken zu wollen, daß das deutsche Parlament hieher verlegt würde. Der Reichs= verweser hat die Tugend oder Schwäche alle Wünsche freund= lich aufzunehmen und sich damit einverstanden zu erklären, — so auch dießmal. Er hat es wahrscheinlich gethan, weil er fühlt, daß er eine Nothwendigkeit hier ist, daß er kaum seine Stelle als Vertreter des Kaisers aufgeben kann, ohne Gefahr für das öffentliche Wohl. Hat er aber auch bedacht, ob er die Fähigkeit besitzt beide Aemter verwalten zu kön= nen selbst wenn die Regentschaft der österreichischen Mo= narchie und die des vereinigten Deutschlands in den Mau= ern Wiens vereinbar wäre? Hat er nicht vielleicht über= sehen, daß seine Wahl gerade darum durchgedrungen, weil er bei keiner andern Regierung betheiligt nur für Deutsch= land wirken sollte und konnte? Hat er sich auch die Frage gestellt, ob die andern deutschen Hauptstädte sich nicht ge= wissermaßen verletzt finden würden, wenn die geographisch ungünstigst gelegene allen andern vorgezogen würde? Wir unsererseits protestiren gegen alle Residenzen für den Sitz der deutschen Centralregierung — genügte keine der alten Freistädte, so schaffe man eine neue! Rundschau eines politischen Thürmers. Der Sicherheitsausschuß in Wien hat beschlossene fort= zubestehen bis der öst. Reichstag durch Stimmenmehrheit für seine Auflösung stimmt. — Das Prager Stadtverordneten-Col= legium hat in einer Adresse an den Fürsten Windischgrätz um die Aufhebung des Belagerungszustandes gebeten, der durch nichts mehr als höchstens durch die liberale Gesinnung des durch= lauchtigen Fürsten gerechtfertiget erscheint. — Laut der österrei= chischen Allgemeinen hat der Kaiser von Rußland dem Fürsten Windischgrätz ein Glückwunsch=Schreiben über seinen Sieg in Prag zugesendet. Also freut sich der Czaar, daß die slavische Bewegung unterdrückt ist?? Oder hat Windischgrätz vielleicht doch etwas anderes unterdrückt als eine slavische Bewegung?? Oder gilt das Beglückwünschungsschreiben des russischen Kaisers mehr dem Benehmen des Fürsten nach geschehener Unterdrückung des Aufstandes?? Oder suchen sich die großen Herrn jetzt unter Einander eben so zu belügen und zu betrügen, wie sie das bis= her mit uns kleinen Leuten — auch Volk genannt getrieben haben? Es kommt endlich an Jeden die Reihe. — Der Reichs= tag hat bis jetzt außer der Annahme einer provisorischen Geschäftsordnung nichts gethan, als in der Sprachenfrage nichts beschlossen, über die beanständeten Wahlen nicht entschie= den und die Wahl eines definitiven Präsidenten abgelehnt. Es hat ja noch Zeit. Vielleicht trifft unterdessen der Windischgrätz ein — dann ist alles erspart. — Der Reichsverweser Prinz Johann will den Kaiser bitten, ihn von der weitern Stellver= tretung zu entheben, damit er sich ganz seiner deutschen Auf= gabe entledigen kann. — Die Wienerzeitung bringt viele Reden von Franzosen für das Zweikammersistem, dann das Programm des neuen Ministeriums, das im nächsten Blatte wird beleuchtet werden vom gefertigten Planeten. Mit einem Anzeiger Nr. 24. Veranwortlicher Reodacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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