Zwanglose Blätter, Nr. 37, vom 22. Juli 1848

und andere werden für sie schon alles gut machen. Die Zahl der deutschen Abgeordneten steht zu jenen der Sla= vischen, in einem so ungünstigen Verhältnisse — daß bei ent= scheidenden Abstimmungen von den Häuptern unserer Lieben kein einziges Haupt fehlen darf, — ja daß wir vielmehr Talente von überwiegender Geisteskraft, von so glänzender Beredsamkeit benöthigten, daß sie im Stande wären, Män= ner aus den Reihen der Feinde, als Freunde zu uns her= über zu ziehen. Oberösterreich — wir sagen es ungescheut — ist am Reichstage nicht vertreten, wie es vertreten sein sollte, wie es vertreten sein könnte! Theilweise Indolenz von Seite der Liberalen, Verläumdung, Bettelei und Schleicherei von Seite der in diesen Künsten virtuosen Reaktionäre und ein unkluges Haranguiren von Seite un= reifer Ultras tragen an diesem bedauernswerthen Ereig= nisse die Schuld. Viele sehen freilich jetzt schon ein, wel= che Leute sie hätten wählen sollen — sie werden davon noch festere Ueberzeugung gewinnen, wenn die slavischen und tyrolisch=jesuitischen, wohlbedienter Batterien im Reichs= tagsaale ihr Feuer gegen deutsche Nationalität und Frei= heit eröffnen werden, und die wenigen deutschen Freiheits= helden der Uebermacht Schritt für Schritt — kämpfend wie rechte Ritter — werden weichen müssen. Dann schikt ihnen die Bureaukratie, die ihr protegirtet, dann schikt ihnen eure Avancements=Lungerer zu Hülfe und wenn das süß= liche Gezische dieser eurer Männer den Sturm nicht zu bändigen vermag, der unter dem erzürnten Himmel auf= braust — dann verstopft ihr euch eure Ohren umsonst mit der Baumwolle der befriedigten Eitelkeit, des befriedigten Eigennutzes des gestillten Privathasses — durchschlagen wird der Donnerruf der erzürnten Massen, der über die Boulevards hinabbrausend in den Februartagen Louis Fil= lipps klug gestützten Thron und mit ihm die Herrschaft der Heuchelei zerschmetterte — der Ruf: Aux armes — ont nons trahit! Alex. Jul. Schindler. Briefe. Wien, am 11. Juli 1848. Unsere Frankfurter=Deputirten haben sehr an Credit verloren, denn freut man sich hier auch, daß sie Erzher= zog Johann gewählt haben, so ist man doch keineswegs mit der Schöpfung einer neuen Civilliste und eines unverant= wortlichen Reichsverwesers einverstanden. Die Freude über die Wahl des Erzherzogs Johann ist selbst nicht ganz un= eigennützig, und bei vielen nur dadurch verursacht, daß man hofft auf die Verhältnisse Deutschlands künftig einen grö= ßern Einfluß üben, den Sitz der deutschen Parlamente hie= herziehen und dadurch die bisher drohende Gefahr vermei= den zu können, welche Wien zu einer Provinzial=Haupt= stadt an der deutschen Ostgränze reduciren würde. Die Ansicht hat eine Deputation des Ausschusses bestätigt, wel= che Erzherzog Johann bat, dahin wirken zu wollen, daß das deutsche Parlament hieher verlegt würde. Der Reichs= verweser hat die Tugend oder Schwäche alle Wünsche freund= lich aufzunehmen und sich damit einverstanden zu erklären, — so auch dießmal. Er hat es wahrscheinlich gethan, weil er fühlt, daß er eine Nothwendigkeit hier ist, daß er kaum seine Stelle als Vertreter des Kaisers aufgeben kann, ohne Gefahr für das öffentliche Wohl. Hat er aber auch bedacht, ob er die Fähigkeit besitzt beide Aemter verwalten zu kön= nen selbst wenn die Regentschaft der österreichischen Mo= narchie und die des vereinigten Deutschlands in den Mau= ern Wiens vereinbar wäre? Hat er nicht vielleicht über= sehen, daß seine Wahl gerade darum durchgedrungen, weil er bei keiner andern Regierung betheiligt nur für Deutsch= land wirken sollte und konnte? Hat er sich auch die Frage gestellt, ob die andern deutschen Hauptstädte sich nicht ge= wissermaßen verletzt finden würden, wenn die geographisch ungünstigst gelegene allen andern vorgezogen würde? Wir unsererseits protestiren gegen alle Residenzen für den Sitz der deutschen Centralregierung — genügte keine der alten Freistädte, so schaffe man eine neue! Rundschau eines politischen Thürmers. Der Sicherheitsausschuß in Wien hat beschlossene fort= zubestehen bis der öst. Reichstag durch Stimmenmehrheit für seine Auflösung stimmt. — Das Prager Stadtverordneten-Col= legium hat in einer Adresse an den Fürsten Windischgrätz um die Aufhebung des Belagerungszustandes gebeten, der durch nichts mehr als höchstens durch die liberale Gesinnung des durch= lauchtigen Fürsten gerechtfertiget erscheint. — Laut der österrei= chischen Allgemeinen hat der Kaiser von Rußland dem Fürsten Windischgrätz ein Glückwunsch=Schreiben über seinen Sieg in Prag zugesendet. Also freut sich der Czaar, daß die slavische Bewegung unterdrückt ist?? Oder hat Windischgrätz vielleicht doch etwas anderes unterdrückt als eine slavische Bewegung?? Oder gilt das Beglückwünschungsschreiben des russischen Kaisers mehr dem Benehmen des Fürsten nach geschehener Unterdrückung des Aufstandes?? Oder suchen sich die großen Herrn jetzt unter Einander eben so zu belügen und zu betrügen, wie sie das bis= her mit uns kleinen Leuten — auch Volk genannt getrieben haben? Es kommt endlich an Jeden die Reihe. — Der Reichs= tag hat bis jetzt außer der Annahme einer provisorischen Geschäftsordnung nichts gethan, als in der Sprachenfrage nichts beschlossen, über die beanständeten Wahlen nicht entschie= den und die Wahl eines definitiven Präsidenten abgelehnt. Es hat ja noch Zeit. Vielleicht trifft unterdessen der Windischgrätz ein — dann ist alles erspart. — Der Reichsverweser Prinz Johann will den Kaiser bitten, ihn von der weitern Stellver= tretung zu entheben, damit er sich ganz seiner deutschen Auf= gabe entledigen kann. — Die Wienerzeitung bringt viele Reden von Franzosen für das Zweikammersistem, dann das Programm des neuen Ministeriums, das im nächsten Blatte wird beleuchtet werden vom gefertigten Planeten. Mit einem Anzeiger Nr. 24. Veranwortlicher Reodacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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