Zwanglose Blätter, Nr. 35, vom 15. Juli 1848

im Bewußtsein seines Rechtes und seiner Kraft konnte es nicht länger dulden, daß die mit seinem Blute erkaufte Freiheit durch ein wetterwendisches, im größten Theil seiner Mitglieder mit der Camarilla zu Innsbruck buhlendes Ministerium in Frage ge= stellt werde, welches sich mit seiner Rath= und Thatlosigkeit mit seiner Unehrlichkeit am getreuesten in seinem Präsidenten abspie= gelt. Ich sage Unehrlichkeit, allein dieser Ausdruck ist noch viel zu höflich fur die Perfidie mit der es nur dann den Volkswillen verstand, und demselben nachkam, — wenn das Volk mit den Waffen in der Hand zum Kampfe bereit war oder wenn es von den Barrikaden herab Gesetze diktirte; im nächsten Augen= blick aber auf nichts mehr bedacht war, als durch die feinsten Kniffe und Schleichwege die erzwungene Freiheit zu verbittern und zu schmälern, kein Wunder, wenn der so oft wiederholte Betrug und Verrath des Ministeriums in der Bevölkerung Wiens ein Mißtrauen hervorrief, welches zu mindern die Er= eignisse in Prag, über die der Sicherheitsausschuß nach so oft= maliger Anfrage von Seite des Ministeriums keine genügend Aufklärung erhalten konnte, keineswegs geeignet waren. Dazu erfuhr man, daß die Nordbahn immer mehr Militär nach Wien befördert, als mit der Südbahn nach Italien abgeht. Bauern machten die Anzeige, man habe ihnen bedeutet, sie möchten ihre Ernte in Sicherheit bringen, weil sie sonst möglichen Falls keine Entschädigung dafur bekommen würden. Die Kammerdienerge= schichte, das immer keckere Hervortreten der Schwarzgelben, der Aufruf eines Offizieres des Regiments Rassau, trugen auch das Ihrige bei zur immer mehr sich kundgebenden Befurchtung: Man habe einen Tag, wie die Moldaustadt zu erwarten. Sam= stag verbreitete sich das Gerücht, Erzherzog Johann werde nicht abreisen, denn er habe von einem beabsichtigten Gewaltstreich des Ministerpräsidenten Kenntniß bekommen, welcher im Einverständ= niß mit dem Würgeengel Windischgratz und dem Verräther Thun auf Befehl einer Person, die nicht genannt werden wolle, die Stadt Wien den 10. d. M. im Belagerungszustand erklärt hätte, um durch der Waffengewalt seinen reaktionären Gesetzen Geltung zu verschaffen. Da heißt es plötzlich der Sicherheits ausschuß für Wahrung der Volksrechte habe das Ministerium gestürzt. Die Freude über diese Nachricht konnte man jedem, der es mit der Freiheit ehrlich meint, am Gesichte lesen und allge= mein ward die Frage gestellt, wie es denn kam, daß dieser Hr. Pillersdorff, der sich als Minister erhielt, ohngeachtet fast jedes seiner schnöden Gesetze mit Entrüstung zuruckgewiesen wurde, der ohngeachtet der Sturmpetitionen und der Barrikadentage immer das ehrliche aber auch leichtgläubige Volk durch seine Aalfisch=Glattheit zu täuschen wußte nun so plötzlich und ich möchte sagen mit solcher Stille zu Fall gebracht worden war. Nun in aller Kürze das Faktum. Das Ministerium hatte durch seine Gesetze wie Abfuhr der Depositengelder in die Staatskasse durch sein starres Festhalten an den indirekten Wahlen, deren Frucht wir an den gallitzischen Deputirten sehen, von denen die meisten nicht deutsch verstehen, die in der Kaserne übernachten, und jede Annäherung mit den Worten zurückweisen: sie hätten ihre Edukation, worunter sie Instruktion verstehen, vom Kreis= amte erhalten; durch die jüngst erlassene Geschäftsordnung für den konstituirenden Reichstag, durch den sich immer verschlech= ternden Finanzstand, des Volkes Vertrauen gänzlich verloren, das nun vom Ausschuß für Wahrung der Volksrechte Abhülfe erwartete. Dieser war aber durch mehrere Fragen schon seit länger mit dem Ministerium in Konflikt gerathen, denn als er die Absetzung der Provinzialregierungspräsidenten Grafen Bran= dis und — Thun, alle beide Stockaristokraten und Vollblut= Jesuiten verlangte, gab Pillersdorff die Antwort, daß diesem Begehren, so lange der Hof in Innsbruck weile, nicht zu ent= fernende Hindernisse im Wege stünden; als der Sicherheitsaus= schuß den Herrn Minister an sein gegebenes Ehrenwort erin= nerte, daß die Militätmacht in und um Wien nicht vermehrt werden dürfte, so gab es wieder ungeheure Hindernisse, als der Sicherheitsausschuß forderte, daß den nach Prag geschickten Deputirten Genugthuung für ihre brutale Behandlung von Seite des aufgereitzten Militärs werde, so speiste der Herr Minister den Ausschuß wieder mit lauter Hindernissen ab und so ging es mit allen Fragen, die angeregt wurden. Wahrschein= lich mochte der Herr Minister in dem Sicherheitsausschuß das größte Hinderniß gegen die Ausführung seiner unsauberen Pläne entdeckt haben und er versuchte es daher den Ausschuß durch sich selbst aufzulösen; doch der Mann der ewigen Hindernisse machte die Rechnung ohne den Wirth; der Bruch war voll= ständig. Pillersdorff der Meister im Lavieren rief Dr. Fisch= hof den Präsidenten des Ausschusses zu sich, dieser war aber so klug in Begleitung von 6 Mitgliedern seine Aufwartung zu ma= chen und nun erklärte Herr Pillersdorff was??! Daß er mit den direkten Wahlen, mit dem Einkammersystem, kurz mit al= len Einrichtungen, wodurch die Freiheit des Volkes in Wahrheit gesichert werden kann, vollkommen einverstanden sei. Der Him= mel lasse 9 Tage Pulver regnen, und schlage dann mit seinem Blitze drein. Die Herrn sahen sich erstaunt an, empfahlen sich höflich und statteten im versammeltem Ausschuß Bericht über das ab, was sie gesehen und gehört. Das war zu viel Perfidie, die Heuchelei hatte ihr Maaß erreicht, denn die meisten hatten aus dem Munde des Ministers bei seiner Candidatur ganz an= dere Worte vernommen. Die Versammlung war stürmisch, alle waren entrüstet, doch Erfahrung macht klug und zu oft wieder= holte Täuschung erzeugt das Gefühl des Haßes in der Brust des Gekränkten. Man stimmte ab, ob der Mann, der mit der Freiheit ein so verächtliches Spiel treibt, noch länger Minister seyn könnte, er wurde mit 165 gegen 5 Stimmen verworfen. Augenblicklich begab sich eine Deputation zum Erzherzog Jo= hann mit der Bitte, er möge ein neues Ministerium bestellen. Sr k. k. Hoheit empfing sie mit den Worten „es wundert mich daß sie mit dieser Bitte nicht schon früher gekommen“ und fragte sie auf wem sie das meiste Vertrauen hätten. Die Deputirten verwahrten sich nun gegen Stadion und gegen folgende 4 Mit= glieder des früheren Ministeriums Pillersdorff, Sommaruga, Kraus, Baumgartner. Von Se. k. k. Hoheit wurdenun Dobbl= hoff, der unerschrockene Bekämpfer der Innsbrucker Camarilla mit der Bildung eines Ministeriums beauftragt. Abends trat Erzherzog Johann seine Reise nach Frankfurt an in Begleitung von 6 Deputirten, denn Raveaux liegt krank darnieder. Heil diesem Volksfreunde. Auf die Verfechter für Deutschlands Ein= heit mußte es einen angenehmen Eindruck machen, daß die Na= tionalgarde, vom Burgplatze bis an den Bahnhof aufgestellt war. Beide Divisionen der berittenen Nationalgarde begleiteten die Wägen. Glück auf, euch Kämpfern für unseres gemeinsa= men Vaterlandes Größe, bringt unsern Brudern draußen un= sere Grüße und erzählet ihnen, daß wir stark und einig sind. Ehre auch dem Sicherheitsausschuß, der sein Prädikat für Wahrung der Volksrechte nicht umsonst hat, sondern sich treu der Freiheit und kräftig handelnd bewiesen hat. An demselben Tage war auch eine nordamerikanische De= putation auf der Aula, deren Redner uns der Hochachtung ih= rer freien Mitburger versicherten, uns vom Jubel, mit dem die Kunde von der Erhebung des österreichischen Volkes in New York aufgenommen wurde, viel zu erzählen wußten. Sie brach= ten 8000 fl. C. M. der Universität für arme Studirende zum Geschenke, eben so hatten sie dem Parlament in Frankfurt eine bedeutende Summe fur die deutsche Flotte übergeben. Deutsche Männer bleibt nicht zurück! A. P. Pfefferkörner. Es ist uns aus den Zeitungen bekannt, daß so viel Staatsbeamte beträchtliche Theile ihrer Besoldungen als Opfer auf den Altar des Vaterlandes niederlegen. Unter diese ehrenwerthe Zahl patriotischer Männer, — von denen gewiß die wenigsten ein bedeutendes Privatvermögen besitzen, ist der suspendirte Kreis= hauptmann des Traunkreises Bar. Hohenbruck, der= zeit in Ischl, nicht zu rechnen. Daß er trotz seiner Suspendi= rung vom Dienste seinen vollen Gehalt fortzieht, darüber könnte man allenfalls hinwegsehen, daß er sich aber all monatlich sein nicht unbedeutendes Reisepau= schale auszahlen läßt, obwohl er gar nicht mehr in der Lage ist Dienstreisen zu machen — darüber können Mehrere ihr Erstaunen nicht verschweigen. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2