Zwanglose Blätter, Nr. 35, vom 15. Juli 1848

nen Degen abnähme und ihm zwanzig Gulden dafür gäbe? Freilich ist er ein Soldat, und jene waren nur — Nationalgarden! Schließlich droht der liberale Mann: man möge ihn in seinen Maßregeln nicht stören, sonst müßte er seine Entlassung nehmen und diese dem Lande und der Armee bekannt geben? Wie — sotief wärst du gesunken mein Oesterreich, daß ein Windischgrätz dir nothwendig geworben wäre? Hast du sonst keinen General mehr, der so viel über die Armee vermag, um Ordnung und Gesetz in Falle der Noth mit Waffengewalt aufrecht zu erhalten? Wenn es so ist — dann armes, zu unvermeidlicher Knecht= schaft geborenes Land — dann wünsche ich meine Wege wären statt an den wein= und weitzenreichen Ufern der Do= nau auf dem dürrsten Boden der Shetland=Inseln gestan= den, wo man mit den weißschäumenden Wogen des Meeres um magere Fische kämpft und den Feind doch achten kann, der uns verschlingt. „Ihr Fischer habt acht“ — singt Masaniello. Den Lobern. Wir und viele mit uns in den Thälern der Enns und der Steyer, deren Felswände Tag und Nacht vom dröhnenden Schlage der Eisenhämmer wiederhallen, haben mit Staunen das allgemeine Vertrauen vernommen, das man dem deutschen Reichsverweser Johann von Lothringen aus allen deutschen Gauen zujauchzt. Die Meisten dieser jauch= zenden Deutschen würden wohl als Grund ihrer warmen Simpathien zuerst jenen schönen Trinkspruch anführen, den der Prinz bei der Grundsteinlegung des alten Domes in Cöln mit so viel Beifall vortrug. Er lautete „Kein Preu= ßen, — kein Oesterreich, — sondern ein einiges Deutsch= land, und es ist dieser schöne Spruch so innig in Fleisch und Blut — namentlich unserer Landsleute übergegangen, daß jeder, der sich vor 10 Wochen dazu bekannte, als Re= publikaner gemieden und namentlich zu einer Deputirten= stelle beim deutschen Parlamente in Frankfurt für unfähig erklärt, worden ist. Nach diesem Trinkspruche hat es den Prinzen unendlich populär gemacht, daß er vor Jugend an die schönen Sommermonate in den Alpen zuzubringen pflegte, die von allen fassionablen Alpenreisenden beliebte Aelplertracht d. i. Lodenrock, Lederhose, Federhut und grüne Strümpfe trug, ein leidenschaftlicher Liebhaber der Gemsen= jagd war und eines Postmeisters Tochter von Aussee hei= rathete. Von dem Vergnügen, das er von seinen Radge= werken in Vordernberg seit langen Jahren erlebte, scheint in Deutschland weniger bekannt zu sein. Man wird auch jetzt nicht davon hören wollen — es ist zu viel Jubel in der Luft und zu viel Lob in allen Zeitungen. Wir müs= sen gestehen, daß uns dieses Lob oft ganz unverständlich klingt, öfter aber noch so schal erscheint, wie eine F. C. Weidemann'sche Hofschmeichelei von 1846. Ein Korrespon= dent in No. 191 der unglückseligen Augsburger Allgemei= nen ruft dem Prinzen zu „Du hast nun für eine hartge= prüfte Vergangenheit den Lohn.“ In welches Lebensjahr des Prinzen fielen denn die harten Prüfungstage, so hart, daß eine Kaiserkrone nicht für zu gering befunden wird sie aufzuwiegen? Lewin Schücking süßelt in der Kölnischen Zeitung einige Nachrichten über den Prinzen, die nicht recht Stich halten und sehr auf den Effekt gearbeitet sind. Da heißt es Johann habe auf seinem Brandhofe ge= wirthschaftet, mit dem Volke aus demselben Milch= napf geschöpft — ein schlichter Landmann, der nichts vor den andern Menschenkindern voraushaben wollte. Ein Jagdliebhaber im Hochgebirge kommt freilich viel mit den Volke in Berührung — ob es aber des Volkes willen geschieht und aus der Absicht sich damit auf eine Stufe zu stellen das ist eine zweite Frage. Gar naiv erzählt Schücking die bekannte Geschichte, wie die jetzige Baronnin Brandhof als Postillion verkleidet den Erzherzog fuhr. Als der Prinz die Formen der Weiblichkeit an seinem Postillion entdeckt hatte und dieser seiner Verkleidung „dunkelroth glühend“ geständig war, habe der hohe Passagier zu ihm oder viel= mehr zu ihr gesagt. „Sie haben sich meinethalben zum Manne gemacht (?) — ich kann nicht weniger (?) thun als Sie zur Frau (sollte wohl heißen zu meiner Frau) ma= chen.“ Solche Unüberlegtheiten legt man einen so geist= reichen Prinzen in den Mund. Muß man gegenüber hoch= gestellter Männer mit dem Tadel behutsam und gründlich sein, so sei man das auch konsequent mit dem Lobe. Ue= berhaupt haltet ein mit eurem Kanonen= und Lobgedonner und laßt den Mann unserer rosenfarbnen Hoffnungen zu Athem kommen, damit er sie erfüllen könne. Er möge das deutsche Reich — doch halt — wir haben noch keines. Die konstituirende deutsche Nationalversammlung hat es zu konstituiren vergessen! Wiener Tagsberichte. Eine Stimme aus Wien über den Fall des Ministeriums Pillersdorff. Panem et circenses war des römischen Volkes Verlan= gen zu einer Zeit, als schon der Wurm der Auflösung an dem einst so kräftigen Staate nagte und die Kaiser nichts Angelegent= licheres zu thun hatten als den Hunger und die Schaulust ihrer Sklaven zu befriedigen, damit sie durch den Taumel der Lust vom Gedanken an ihre verlorene Freiheit abgehalten werden. Traun! Unsere Verhältnisse haben mit den Geschilderten viel Aehnlichkeit, ungestümme Forderungen nach Brod sind nichts sel= tenes und Vertbeilung dieses nothwendigsten Nahrungsmittels an die arbeitslos Gewordenen findet fast taglich vor den Fran= zensthor statt. Dabei folgt Spektakel auf Spektakel, Aufzüge des Militärs und der Nationalgarde, die über 50000 Mann stark den Feinden der Freiheit gewaltige Scheu einzuflößen im Stande ist, Revuen, Paraden, Zapfenstreiche, Fackelzuge, die 5 Stunden dauern, Aufzüge vor Sr. Hoheit dem Erzherzoge Jo= hann, feierliche Aufsteckung der deutschen Fahne an die Josefs= Statue, Volksschießen, Verbrüderungsfeste folgen schnell aufein= ander, so daß man vor lauter Augen= und Ohrenlust kaum Zeit findet, an die Gefahren zu denken, von denen unsere junge Frei= heit allenthalben umgeben ist. Doch das Volk von Wien ist nicht mit jenem entarteten zu vergleichen, sondern es liebt seine Freiheit über alles und ist fur deren Wahrung ein treuer, muthiger Wächter, der bei all diesen Paraden selbstgefällig seine eigene Macht anstaunt. Das Volk von Wien hat den 15. und 26. März nicht vergessen und

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