Zwanglose Blätter, Nr. 33, vom 8. Juli 1848

Diese Blätter erscheinen wie bisher wöchentlich zwei= mal in groß Quart auf schönem Maschinpapier, und zwar von jetzt an, jeden Mittwoch und Samstag ein halber Druckbogen, und dieser, wenn es die An= häufung interessanten Materials erfordert, noch mit einer Beilage vermehrt. Probeblatt. Preis für den halben Jahrgang 2 fl. C M., vierteljäh= rig 1 fl. C M. Für Auswärtige, pr. Post unter Cou= vert: Halbjährig 2 fl. 42 kr., vierteljährig 1 fl. 21 kr. C. M. Inserate aller Art werden aufgenommmen bei Unterzeichneten, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. berechnet. Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 8. Juli 1848. 33. Man möge die Fäden der Reaktion noch so fein spinnen, das scharfe Aug des Publizisten wird sie dennoch entdecken und seine scharfe Feder wird sie zerschneiden. Stimme eines deutschen Mannes außer der Paulskirche über die Wahl eines Reichsver= wesers! Durch das Wort des talentvollen Heinrich von Ga= gern, der mit sicherem Schritte von den Parketten des Ho= fes auf das Estrich des Volkslebens trat, um mit eben so sicherem Schritte von diesem wieder auf jene zurückzukeh= ren: durch dieses Wort, unterstützt von den Sympathien so Vieler, die es nicht glaubten wagen zu können ihre Ver= dienste und Fähigkeiten statt von Höfen von Völkern ab= schätzen zu lassen, hat sich eine überwiegende Mehrheit des deutschen konstituirenden Parlamentes zu Frankfurt bewe= gen lassen jetzt schon einen Reichsverweser in der Per= son des Erzherzogs Johann von Oesterreich zu erwählen. Ich will von der Person des Prinzen hier nicht weiter spre= chen, nur muß ich bemerken, daß es uns als Oesterreicher schmeicheln könnte, einen Oesterreicher als den Vertrauens= mann so vieler der Geburt nach nicht österreichischer Stimme begrüssen zu dürfen. Auch über die Frage, ob die= ser neue Reichsverweser statt unverantwortlich, nicht lieber verantwortlich hätte erwählt werden sollen, will ich nur einen von mir offen wiederholten Satz wiederholen: Der Monarch, unter was immer für einen Namen er auf= trete, stehe gemeinschaftlich mit dem Volke, unter dem von beiden im Vortragswege errichteten Grundgesetze. Er sei unverantwortlich für alle innerhalb der konstitutionellen Gränzen vollbrachten Handlungen, jede Verletzung des Grundgesetzes aber hebe auch die Verpflichtungen des Vol= kes gegen seine Person auf. Man wende mir nicht ein, auch im bürgerlichen Leben sei der Vertragsbruch eines Theils nicht im Stande die Verpflichtungen des Anderen aufzuheben, sondern dieser habe beim Gerichte um die Durch= führung (Exekution) seiner Rechte anzulangen. Volk und Herrscher erschöpfen die ganze Menschlichkeit des Staates, zwischen ihnen richtet nur das angeborne Rechtsgefühl und die Execution des Spruches führt Gott, der die Geschicke lenkt. Mein Votum im deutschen Parlamente über die Wahl eines Reichsverwesers wäre gewesen: „Ich trage darauf an, die konstituirende Nationalversammlung errichte ein Grundgesetz durch welches die Form und die Wesenheit des zukünftigen deutschen Reiches gegeben ist. Dieses Grundgesetz wird durch seine von der Majorität der kon= stitutionellen Nationalversammlung erfolgte Annahme ver= bindlich sein für alle Staaten die in dieser Versammlung vertreten sind. Vom Augenblicke der Annahme dieses Grundgesetzes besteht ein deutsches Reich und erst dann ist es möglich und an der Zeit — wenn es überhaupt nach dem Grundgesetze zulässig ist — ein Reichsoberhaupt, sei es nun ein provisorisches oder ein definitives zu wählen.“ Wir haben nun einen Reichsverweser. Was ver= weset er? Den alten deutschen Bund? Der existirt nicht mehr, denn der Bundestag hat sich aufgelöst. Eine konsti= tutionelle oder eine absolute Monarchie? Oder ein Reich in irgend einer andern Form? Wissen wir das? Weiß das der Reichsverweser? Soll er einen jeden einzelnen Staat Deutschlands verwesen? Das hat es nicht noth, die haben alle ihre Regierungen. Soll er vielleicht durch den Glanz seiner fürstlichen Geburt, durch die Unterstützung einer energischen Großmacht, die man hinter seinen Rücken weiß, viel= und gernbelobte Mäßigung und eine beliebte praktische Richtung in die allerdings sehr spekulative deutsche Nationalversammlung bringen? Fast muß es so scheinen Ich muß in diesem Falle, wie in vielen anderen Fällen nur wieder bedauern, daß die Partei, die dem entschiede= nen Liberalismus gegenüber steht, ihre Kräfte viel besser organisirt hat, als wir, ihre Gegner, dieses mit den unsri= gen gethan haben. Gott besser's! Durch die Wahl eines Reichsverwesers in diesem Augenblicke ist mein Vertrauen in die Majorität der deut= schen Nationalversammlung gesunken, sie hat durch ihre Stimme bewiesen, daß der Odem der neuen Zeit nicht über ihre Lippen weht. Sie sehnte sich nach dem altvä= terischen Pompe, nach der gewohnten Uebermacht einer fürstlichen Erscheinung, um unter ihren breiten goldenen Flügeln theilhaftig zu werden eines Abglanzes jenes Schim= mers. Alle die durch das Vertrauen deutscher Männer in die Paulskirche berufen waren, trugen eine goldene Krone auf dem Haupte — und sie haben es nicht gewußt. Als sie zur Wahl des Reichsverwesers mit dem Kopfe nikten,

sind all die goldenen Kronen in den Main hineir ver= sunken. Im Main liegt ein ganzer Nibelungenhort von Volksvertrauen begraben — Heinrich von Gagern heißt der Hagen, der ihn hineingeschleudert hat. Sie wollten einen Reichsverweser haben — der fin= det Nichts zu regieren, als die deutsche konstitui= rende Nationalversammlung. Diese sollte die Stimme des Volkes sein für die Fürsten, nicht die Stimme der Fürsten durch das Volk. Sie haben ihre Sendung nicht begriffen! Der diese Zeilen schrieb, ist kein Republikaner, er will die konstitutionelle Monarchie, gegründet auf einen freien Vertrag zwischen dem Herrscher und dem Volke. Al. Jul. Schindler. Noch ein Beitrag zur Tagesgeschichte. In einem zur „Geschichte des Tages“ überschriebenen Aufsatz des Blattes vom 29. Juni, Nr. 30 ist beiläufig die Frage aufgeworfen „Wer den Erzherzog Franz Karl als natürlichen Nachfolger des Kaisers gehindert hat, auch als dessen Stellvertreter bei der Eröffnung des Reichsta= ges in Wien zu erscheinen? — ob etwa ein (nicht denk= bares) Mißtrauen seines kaiserlichen Bruders, oder die Ca= marilla, oder die angegebene Krankenwärter=Sorge — da es doch keinen besseren Moment als eben den jetzigen geben könne, sich die Sympathien des Volkes zu erwerben. Dieser unstreitig inhaltreichen Frage stelle ich eine andere, bisher unberücksichtigt gebliebene, gleichsam als Vorfrag gegenüber, die nämlich „Was hat denn eigentlich den Erz= herzog Franz Karl bewogen sich mit dem größten Theil seiner Familie der in der Nacht vom 17—18. Mai erfolg= ten Abreise des Kaisers sofort anzuschließen?“ Als am Morgen des 18. Mai vom Ministerium des Innern den Wienern bekannt gemacht wurde, der Kaiser habe angeblich aus Gesundheitsrücksichten in Begleitung des Erzherzogs Franz Carl ganz unerwartet die Reise nach Innsbruck angetreten, tauchte in Wien das, auch in ein öffentliches Blatt übergegangene Gerücht auf „die unmit= telbare Ursache zu diesem verhängnißvollen Schritt sei die nach dem k. k. Lustschloß Schönbrunn gelangte Nachricht ge= wesen, daß in Wien die Republik ausgerufen werde.“ Eine solche mit zuversichtlicher Bestimmtheit vor= getragene Nachricht hätte allerdings leicht auf das durch die erlebten Ereignisse bereits mächtig bewegte Gemüth des Kaisers Einfluß üben und den Entschluß zur eiligen En= fernung erwirken können; allein mit dem Erzherzog Franz Karl verhält die Sache sich doch anders. Ihn hatten die früheren Vorgänge unmittelbar wenig oder gar nicht berührt, sein Nahme wurde fast gar nicht, häufiger der sei= ner Gemalin genannt, ja er soll — man sagt es so= gar am 15. Mai, dem Tage der Sturmpetition, durch die Reihen der im innern Burgplatz aufgestellten oder in den= elben hineingeschobenen akademischen Legion und Garden ganz ruhig, gleichsam unbeachtet, geschritten sein (zu wel= chem Zweck?). Ihm dem künftigen Throninhaber, hätte es demnach obgelegen, sich ungesäumt in Kenntniß des eigent= lichen Thatstandes zu setzen und die Wahrheit oder Falsch= heit jenes Gerüchtes zu erforschen, wozu bei der günstigen Ortslage des Lustschlosses Schönbrunn, dem alle Linien= thore der Stadt nahe und zugänglich sind, 15—20 Minu= ten erforderlich gewesen wären. Ohne eine in dieser Hin= sicht erlangte Ueberzeugung sich bei einer eiligen Flucht zu betheiligen, würde als schimpfliche Feigheit gelten, deren kein österreichischer Staatsbürger fähig und die bei einem ritterlichen Erzherzog vollends undenkbar ist. Das erwähnte Gerücht, für grundlos und nichtswürdig erkannt, verlor sich eben so schnell wie es entstanden war. Wenig übereinstimmend mit der ministeriellen Kund= machung von 18. Mai sprach der Kaiser in dem Innsbru= cker Manifest unverholen sein Mißfallen über die letzten eine persönliche Freiheit bedrohenden Wiener Ereignisse aus, zugleich aber auch bemerkend, daß in Folge derselben ein Erwägung des Doppelfalls stattgefunden, ob die von ihm beabsichtigte Entfernung aus Wien etwa nur zu erzwin= gen, oder auch insgeheim auszuführen sei — worauf er sich dann zu dem Letzteren als dem besten Theil, ent= schlossen habe. Ob der Kaiser jemals, insdesondere nach den Vor= gängen am 15. Mai, in die Lage hätte kommen können, eine befchlossene Abreise durch Gewaltmaßregeln in Aus= führung zu bringen, mag auf sich beruhen, um so mehr, da am 16. und 17. Mai friedliche Ruhe und Eintracht in Wien herrschten; allein in Beziehung auf den zweiten that sächlich eingetretenen Fall entsteht die sehr natürliche Frage „in wie fern war der Erzherzog Franz Carl dabei betheiligt?“ Offenbar wurde der Entschluß zur stillen Abreise nach der im Familienrathe stattgehabter Erörterung gefaßt und, wie doch zu erwarten, die Art und Weise der Ausführung besprochen. Unbezweifelt befand da= her der Thronfolger Franz Carl nebst Gemalin sich in voller Kenntniß der Absicht seines kaiserlichen Bruders, und die ohne Weiteres, ohne ein verlautbares Gegenwort, ohne irgend eine angedeutete Gegenhandlung, erfolgte Theilnahme an der Ausführung, d. i. an der im Familienrathe beschlos= senen Flucht, muß als ein vollgültiges Zeugniß für sein unbedingte Uebereinstimmung mit den Ansichten des Kai= sers, wie solche sich nämlich nach dem 15. Mai gebildet hatten, gelten, mithin auch für die vom Kaiser später im Manifest ausgesprochenen Gesinnungen. Wenn aber der allgemeinen, nicht wiederlegten Be= hauptung zufolge jene Flucht das Werk der reaktionären Partei war, so läßt es sich wohl begreifen, wie sie den sich verletzt fühlenden Monarchen listig mit Vorspiegelungen je= der Art umgarnen konnte, nicht aber auch den außer den Bereich der Vorfälle und unberührt und ungekränkt ge= standenen Erzherzog Franz Carl, ohne denselben ins Ver= trauen gezogen und mit ihrem Plan, so weit nämlich als zuträglich, verständigt zu haben. Nun, irren ist menschlich! Oft erscheint ja ein Ge= genstand von einem anderen Punkte gesehen, durchaus verschieden, und das Heillose kann auch mit einer scheinba= ren Glorie umgeben werden! Seien wir also milde in un=

serem Urtheil! Wie aber — und das ist eine rein mensch= liche Frage — ist der Umstand zu erklären, daß nach ge= schehener Erwägung, in welcher Art die Abreise des Kai= ers erfolgen sollte und der vollen Beistimmung der erz= herzoglichen Familie zu derselben, wenigstens von letzteren durchaus keine Anstalt getroffen wurde, die allernothwen= digsten Reiseerfordernisse und Kleidungsstücke zu verschaffen? Daß hier ein fast an Entblößung streifender Mangel zu Schau gestellt ist, wird allgemein behauptet, von Niemand bezweifelt und von Niemand widersprochen. Mit Recht forscht man, bisher aber erfolglos nach der Grundursache dieser insbesondere für die Person des Monarchen grausam, fast unmenschlich verschrieenen Maß= regel. Sollte sie etwa, im Sinn der Wiederstandspartei dazu dienen, aus den Provinzen die Brandfackel in die Hauptstadt Wien zu schleudern, wenn diese, obgleich der höchsten Regierungsgewalt beraubt, dennoch die Ruhe aufrecht zu halten, und das Eigenthum zu schützen, im Stande wäre! Daß sie beides vermochte, hat der Erfolg bewiesen. Ein solcher teuflischer Plan konnte jedoch nur von einer Teufelsbrut entworfen sein, und vom Kaise in irgend einer Weise geahnt, würde er von ihm vermöge sei= ner unendlichen Herzensgüte und rechtlichen Gesinnung nicht nur mit Abscheu betrachtet, sondern auch durch je= des Mittel unterdrückt sein. Auch dem Erzherzog Franz Carl würde bei seiner bisher bekannten ehrenhaften Hal= tung derselbe als unbedingt verwerflich und schändlich er= schienen sein. Dessenungeachtet steht der gerügte Mangel an noth= wendigen Reiseerfordernissen noch als eine unbestritten Thatsache fest, und soll nach den obgewalteten Umständen hierbei ein absichtliches Verschulden, als unstatt= haft, nicht Platz greifen: welch anderer Ausweg bleibt dann übrig, um in den sich durchkreuzenden Wirren einen Lichtpunkt zu finden, als wieder rückzukehren auf jenes nach Schönbrunn getragenen Gerücht von der in Wien ausgerufenen Republik, und gläubig anzunehmer daß es in seiner gespenstischen Schreckensgestalt die bereits beschlos= sene Abreise des kaiserlichen Hofes zu einer solchen Eile för= derte, daß bei einer völlig eingetretenen Rathlosigkeit jede Nach= forschung unterblieb, jeder helle Blick in die nächste Zukunft owohl, als in die einstige Beurtheilung des gethaner Schrittes und der unausbleiblichen Folgen — selbst der erzherzoglichen Familie unmöglich wurde. Jedenfalls auch wie die Reise selbst, ein beklagenswerthee Ereigniß! Die oben in den erwähnten Artikel „Zur Geschichte des Tages“ enthaltene Frage findet vielleicht in meiner Ge= genfrage und den nachgefolgten Zeilen ein andeutendes Streiflicht, dessen weitere Erleuchtung jeder Nachdenkende in seiner Macht hat. Der Erzherzog fühlt sich wohl vor= läufig eben so wenig berufen als geeignet, in der Reichs= versammlung als Stellvertreter seines kaiserlichen Bruders aufzutreten, und diese erlangte Selbstkenntniß, wenn sie wirklich vorhanden ist, überwiegt bei weitem sein zu dem Deputirten des Wiener Schriftstellervereins Dr. Wildner — der den Vorsatz gehabt, möglich weit in das Innere (sic) des Erzherzogs zu dringen (!) *) — über Volksvertre= tung auf breiter Basis und seine Eifersucht aufdie unange= tastet fortbestehende Heiligkeit (Unverletzbarkeit) des Mo= narchen, kundgegebene Ansichten, von welchen, da sie jede beliebige Ausdehnung und Beschränkung gestatten, weder etwas zu hoffen, noch zu fürchten ist. Fruchtbringender wäre es vielleicht gewesen, hätte Herr Dr. Wildner auf ein ohnehin unfruchtbares Gelüste „Herz und Nieren ei= nes Erzherzogs zu prüfen“ Verzicht geleistet, und dafür ihm meine obige Vorfrage mit dem Hinweis auf die daran sich knüpfenden Folgerungen zur klaren Beantwortung vorge legt. Dr. W. H. Die Resultate der Wahlen. Die bis jetzt bekannt gewordenen Resultate der Wah= len in den Provinzen Ober= und Niederösterreich, in Polen und Mähren zeigen uns das neun Zehntheil der gewähl= ten Deputirten dem Bauernstande angehören. Tirol, die Provinz in der auch unter der alten Regierung der Bau= ernstand die bedeutendste Rolle spielte, hat 19 Deputirte darunter auch nicht einen Bauer gewählt. Durch= aus Männer der Intelligenz, mit Ausname eines einzigen Kaufmannes, der für Roveredo gewählt wurde, lauter Be= amte — ja sogar Juristen!! Ob diese Wahlen darum schon liberale sind, läßt sich noch nicht behaupten, um so weniger, da uns Allen die Parthei bekannt ist, die leider noch verfinsternd in Tirol die Gemüther beherrscht. Ei= nes aber könnten wir Liberale von dieser Partei lernen: eine kluge Organisirung unserer Kräfte lange vor dem entscheidenden Tage. — Eines müssen wir nachah= men: ein eisernes, unverrückbares und unbeugsames Hin= streben nach unserem Ziele — und unser Ziel ist ein ed= les, denn es ist die vernünftige Freiheit. Einigkeit und Muth, so düster auch die Wolken über unserem Haupte, so ungünstig auch die Verhältnisse des Augenblickes, so unverdrossen auch die verläumderischen und anonymen Be= mühungen unserer Gegner sein mögen. Einigkeit, Ver= ständniß, gegenseitiges Vertrauen und deutschen Muth und nie und nirgends wird es geschehen können, daß ir= gend ein schwänzelnder Wohldiener hoher Namen, irgend eine bestochene, schmutzige Seele einer freigesinnten Bevöl= kerung einen Candidaten auf den Nacken intriguirt — ei= nen Candidaten, dessen Wähler sich nachträglich ihrer Wahl nicht zu rühmen wagen, — einen Candidaten, der früher nie aus der Höhe seiner Diätenklasse niedergestiegen war an den Herd des Bürgers. Die Wahlen für Oberösterreich sind im Ganzen schlecht ja verderblich ausgefallen. Fast lauter Bauern wurden gewählt und das ist schlimm für sie selbst. In den Staatskünsten unerfahren nur der Robot= Zehent= und Finanzfrage ihre ausschließende Aufmerksamkeit widment — werden sie in der Abstimmung der wichtigen Verfa= sungsfragen ein Spielball sein jener Partei, der sie eber in die Hände fallen. Ihre Stimmen können eben so leicht *) S. Wiener Zeitschrift No. 123. 19. Juni 1848.

eine Beute der Reaktionäre, als der Republikaner werden — und ich fürchte immer die wahrhaft liberalen mit ihrem edlen Streben nach bürgerlicher Tugend, nach Achtung vor der gesetzmäßigen Majorität und nach einer starken Regierung, werden von den Mißtrauischen nicht gewürdig und verstanden werden. Um einen Beweis zu liefern, wie ein zum Deputir= ten gewählter Bauer seine Stellung und Aufgabe auf= faßt, führ ich hier an, daß Jos. Mitterndorfer von Feiregg, gewählt von dem Wahlbezirk des flachen Landes der in Steyr wählte, in seinergedruckten Proklamation sagt: Die Gegner mögen bedenken: „daß ein Bauer, wenn er am konstituirenden Reichstage unserer guten und gerechten Sache keinen offenbaren Nut= zen bringen kann, derselben gewiß nicht scha= den werde.“ Für einen Deputirten, der uns keinen Nutzen bringen kann, müssen wir doch danken — ob er uns und sich selbst durch seine Unwissenheit und Unerfah= renheit in Staatsgeschäften nicht dennoch schaden werde ist er gar nicht zu beurtheilen im Stande! Ich muß hier bittere Dinge niederschreiben — sie sind aber wahr — und darum schreibe ich sie. Die Bau= erschaft wird mich feindseliger Gesinnungen gegen sie be= schuldigen — mit schwerem Unrecht. Die Hand, — die diese Zeilen schreibt, hat seit Jahren für ihre vernünf= tige Freiheit, so wie für die jedes andern Staatsbürgers mit Unerschrockenheit, mit Verachtung aller Gefahr geschrie= ben; sie hat gegen die Willkühr Mißbrauch übender Beam= ten, sie hat für Volksvertretung und Preßfreiheit gestrit= ten, schwarz auf weiß liegen diese Thaten unwiderlegbar da und alles schmuntzelnde Verläumden, alles Ohrenzitscheln hilft nichts dagegen. Meine Sünden stehen im schwar= zen Buche der verstorbenen Polizei verzeichnet — und ich bin stolz darauf; ob meine Gegner auf ihre Verdienste, die im goldenen Buche derselben Polizei verzeichnet ste= hen, auch so stolz sind, das weiß ich nicht. Der ursprünglich gesunde Sinn unseres Landvolkes ist zweifach irre geführt. Einmal durch ein unbegränztes Mißtrauen, das die Spreu vom Waitzen durchaus nicht sondern läßt, dann durch die unüberlegten Reden einer heißblütigen Propaganda, die als das einzige Erforderniß eines Deputirten zum konstituirenden Reichstage „ein gu= tes Herz“ bezeichneten. Ach — was nützt mir — wenn ich mir eine neue Einrichtung machen lassen will das gute Herz meines Tischlers — wenn er sein Handwerk schlecht versteht. Ich will — ich muß eine gute neue Einrich= tung haben — und in derselben Lage sind wir Alle. Wir müssen eine gute, neue Einrichtung haben, dazu brau= chen wir wohlerfahrene Tischler. Recht, wenn sie ein gutes Herz haben — aber vergeßt ja nicht euch zu be= kümmern — ob sie ihr Handwerk verstehen. Wer nichts gelernt hat, der kann nichts, und wer nie eine Säge in der Hand hatte, sich dennoch der Arbeit anmißt und mir mein Holz verschneidet, den nenne ich gewissenlos! Das ist eine traurige Wahrheit: wenn die Dum= heit einmal den Mund öffnet, schadet sie oft mehr, als ein Weiser, der zehn Jahre predigt genützt hat. So sagte ein si= cherer Doktor der Medizin im Wahlsaale zu Steyr zu ei= nem Bauer, den eben ein achtbarer Bürger über die nothwendigen Eigenschaften eines Deputirten belehrte: „Ei was, wir brauchen keine alten Gesetze, drum können wir auch keinen brauchen, der die alten Gesetze weiß. Wir brau= chen neue Gesetze und die kann der Bauer auch machen.“ Niesewurz für diesen Doktor! Al. Jul. Schindler. Zur Geschichte des Tages. Aus Tirol. Dem Briefe eines Tiroler Freiwilli= gen entnehmen wir folgende merkwürdige Stelle: „Verneh= met den Dank, welchen das Vaterland seinen Söhnen spen= det, die aus der Ferne herbei eilten, um mit ihrem Blu= te die bedrohte Heimath zu vertheidigen. Nachdem wir durch 7 Wochen an den äußersten Marken Tirols gestanden und uns durch unsere musterhafte Haltung selbst das Lob Ra= detzkys erworben hatten, findet es Herr Graf Brandis für gut, uns mittelst eines geheimen Gubernialdekretes un= ter polizeiliche Aufsicht zu stellen, wie gemeine aus dem Zuchthaus entlassene Sträflinge. Wir werden den Mann, diesen tirolischen Siegwart Müller vor der Natio= nalversammlung in Frankfurt in Anklagestand versetzen. Zu= gleich wird uns von glaubwürdigen Männern versichert, daß der Plan gemacht war, uns bei unserer Heimkehr zu entwaffnen und unter die Linie zu stecken.“ — Zu diesem Pröbchen des Tiroler=Regimentes läßt sich passend die Mit= theilung anfügen, die wir so eben vernehmen, daß die ge= wählten Tiroler Deputirten von geistlichen und weltlichen Landesautoritäten verhalten werden zu schwören, für die Beibehaltung der Censur in Tirol und für die alleinige Herrschaft der katholischen Kirche zu stimmen. Auf den Ber= gen wohnt die Freiheit! O bittre Ironie! In Folge der am 3. Jui 5. J. stattgefundene Kat= zenmusik sind die Aeußerungen laut geworden, daß jeder, der daran Theil genommen hat ein Schuft sei, ferner, daß diese ganze Demonstration eine Büberei war. Ich spreche mich hiemit offen gegen eine solche Ansicht aus, und erkläre daß ich, so lange ein konstitutionelles Gesetz diese nicht verbietet, die Theilnahme an einer Katzenmusik für gar nichts Ehrenrühriges erkenne, denn eine Katzenmusik, so lange sie ihre Grenzen als solche nicht überschreitet, ist eine Demonstration zum Beweise des Mißfallens an einer politischen Person und jeder Bürger ist eben so gut da= zu berechtigt, als zum Auspfeifen eines mißfälligen Schau= spielers. Al. Jul. Schindler. Einverstanden mit A. J. Schindler. F. W. Arming. Mit einem Ergänzungsblatt Nr. 10. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitedacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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