Zwanglose Blätter, Nr. 17, vom 14. Mai 1848

... o Schande jedem Zoll Landes über den die schwarz= roth=goldene Fahne hinweht so lange, bis wir sie vom Vordermast unserer Kriegsschiffe flattern sehen. Es ist schon spät — sehr spät an der Zeit, — man hat schon lange von einer deutschen Flotte gesprechen, — in allen Zeitungen darüber geschrieben, — und jetzt ergeht ein Aufruf zu einer „Sachsensammlung für die deutsche Flotte“. werden wir dadurch dazu kommen, was uns noth thut? — und wann? — daß wir in Deutschland doch gar so oft mit dem „zu spät!“ angerufen werden! — und dazu dann noch die separatischen Bestrebungen in Preußen und Österreich! — o du schöne deutsche Einigkeit, Frankreich. Die provisorische Diktatur in Paris thut was sie kann. Man kommt hier aus den Feiertagen gar nicht heraus. Seit zwei Monathen überläßt sich ein Großtheil der Bevölkerung einem sonntäglichen Nichtsthun, — bekommt doch jeder, der nichts arbeitet, 20 Sous pr. Tag, und jeder ist damit begnügt; folgen doch Volksfeste auf Volksfeste: Musterungen der Nationalgarde auf den Boulevards Kirchenfeier für die Gefallenen, — socialistischen Piqueniques, wobei Bürger und Arbeiter mitsammen zechen, zahlreiche Aufwartungen von allerlei Körperschaften, Pflanzungen von vielen hunderten Freiheitsbäumen, ... die provisorische Regierung thut noch mehr: es wird eine Rheinarmee 40 tausend Mann aufgestellt, — ein Alpenheer ist bereits gebildet und General Qudinot hat in seinem Tagsbefehl folgende wichtige Worte gesprochen: „die Sache, der wir dienen ist groß und national, weihen wir ihr alle unsere Arbeiten, unsern ganzen Muth, unsere ganze Energie. Die Republik ist Freundin aller Völker. Sie hat besonders viele Sympathien für die Bevölkerung Italiens, — die Soldaten dieses schönes Landes haben oftmals auf unsterblichen Schlachtfeldern unsern Gefahren und unsern Ruhm getheilt, — bald sollen neue Bande eine unsern Erinnerungen so theuere Waffenbruderschaft wieder anknüpfen ...“ dieses „vielleicht bald“*) ist drohend genug — aber die Franzosen sind Freunde des Drohens — und wir sehen daß die provisorische Regierung ihr Volk kennt, — aber für die Länge wird sie mit ihren Kunstgriffen gewiß nicht auslangen, sie wird nicht fortan täglich 20 Sous pr. Kopf jedem, der nicht arbeiten will, auszahlen können — mit den Volksfesten wird es auch zu Ende kommen, — und bei dem Drohungen allein wird es sich auch nicht bewenden, — das sehen die Vernünftigen ein, gemahnt durch die Ereignisse der letzten Tage in Rouen, Elbeuf, Limoges u. a. O., sie sehen es ein, daß ein bürgerlicher Krieg in halb Frankreich reif zum Ausbruch ist, — man beeilt sich die Nationalversammlung zu konstituiren, — nur die legale Autorität dieser kann Frankreich retten, vor den Folgen des Bürgerkrieges, der Anarchie bewahren — das armselige mythologische Fest zur Eröffnung der Nationalversammlung, mit seinem goldbehornten Ochsen, seinen Altären, symbolischen Bäumen, Statuen und sonstigen Jahrmarktbudenspielereien ist vielleicht das letzte Volksfest, — und die Drohungen werden vielleicht bald zur ernsten Wirklichkeit, darum: Deutschland sei wach! versäume die Zeit nicht mit vielen Hin= und Herfragen über Staatenbund und Bundesstaat! England hat in seinem Irland einen bösen Feind — die Hungersnoth. Das gräßliche Elend des Volkes besonders in den westlichen Bezirken macht es erklärlich, daß Aufruhrpredig *) Am 5. Mai, Abends 7 Uhr, erhielt das Regiment Scharfschützen (chasseurs d'Orleans) in Straßburg den unerwarteten Befehl, sofort an die italieni- sche Gränze zu rüken, und 2 Stunden später verließ das Regiment mit der Eisenbahn die Stadt. ten gegen die englische Herrschaft, unter welcher das Land so tief verkommen ist, in dem Herzen des irischen Landvolkes einen fruchtbaren Boden finden. In Dublin sieht man der Verkündigung der Martialgesetzes entgegen; das Schloß in welchem der Vicekönig residirt, sieht wie eine Festung in Kriegszeiten aus. Der Ton der leitenden englischen Journale über die dänisch=deutsche Frage klingt eben nicht sehr anmuthig. Die Morning=Post nennt die Preußen unruhig und eroberungssüchtig und geneigt die Nationalrechte seiner Nachbarn mit Füßen zu treten; — und die Times droht „mit Englands und Rußlands thatsächlicher Feindschaft, wenn deutsche Truppen Jütland betreten würden — nun dieß ginge uns noch ab! Italien. Die römische Nunciatur in Wien erklärt noch immer, der Papst stehe in besten Frieden mit Österreich, — dagegen erzählen uns Berichte, die päpstlichen Truppen hätten bereits den Po überschritten, des Papstes Feldhauptmann Durando ein Hilfskorps nach Friaul entsendet, und in Rom gehe man damit um, die in der Darsena von Civitavechica eingesperrten 1500 Galeerensträflinge dem Karlo Alberto von Sardinien zur Verfügung zu stellen, um sie durch strenge Disciplin zu braven Kriegern „gegen Österreich“ auszubilden, ... wird der römische Nuncius vielleicht doch bald unter den Abgereisten in der Wienerzeitung zu lesen sein? *) Das Comité zur Leitung der Deputirtenwahlen in Rom hat am 25. April im Programen erlassen, dessen Art. X. 5. 6. von uns Deutschen recht oft gelesen, und gut beherzigt werden soll: „Mit Österreich keinen Frieden bis die Alpen von jeder Seite die Gränzen Italiens einschlißen, vom Vax zum Brenner und von da zur Save und dem Quarnero. Wenn die Dalmatiner sich weigern, unser zu werden so soll man sehen, daß sie mindestens weder den Österreichern noch den Deutschen werden, sondern mit den andern slavischen Völkern vereint unabhängig seien. (Den Tschechen wird ja von allen Seiten recht hübsch in die Hände gespielt). — Das Gleiche thue man mit den Ungarn und betreibe mit ihnen jeden Vertrag guter Nachbarschaft und Zollverbindung. Vor Allem dränge man die Gefahr zurük, daß ganz Deutschland sich in unsern Streit mit Österreich mische." Es freut uns, die wir ehrlich wie wir sind auch an den Feinden alle Vorzüge anerkennen, daß die Italiener einen so richtigen Begriff von der Wichtigkeit eines festen Bündnisses aller Deutschen besitzen, daß sie so wohl einsehen daß der für Deutschlands Handel und Industrie so wichtige Besitz der adriatischen Häfen einzig und allein, aber auch ganz zuverlässig, durch die deutsche Einigkeit behauptet werden kann. Unsere österreichischen Brüder sind leider auch, wo mit den Waffen des Geistes gekämpft wird, von den Italienern aus dem Felde geschlagen. Es ist so betrübend, wenn man bei uns Leute sprechen hört, die in dem Wahne leben, die Übermacht der Slaven im starken Österreich, werde uns je einen Fußbreit Land behaupten oder erkämpfen. Sie werden gewiß noch manches erobern und behaupten, aber für sich — für sich ganz allein. Dann bleibt uns nur eine rettende Freundeshand die wir ergreifen müssen: die Hand der deutschen Brüder, die uns jetzt in so freundlich zum Bunde dargeboten wird und die wir jetzt so arger sträflicher Selbsttäuschung, zum größten Wohlgefallen klug machinirender Fürstenknechte zurükweisen. D. R. *) Pässe hat er bereits in Händen. Mit einem Ergänzungsblatte Nr. 5, u. Anzeiger Nr 11. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming, Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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