Zwanglose Blätter, Nr. 17, vom 14. Mai 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 14. Mai 1848. 17. Und da er auf dem Wege war, geschah es, daß er nahe gen Damascum kam und plötzlich umleuchtete ihn ein Licht vom Himmel. Apostelgeschichte IX. 3. Streiflichter auf die deutsche Parlamentswahl in Steyr. Es wird jedem der sich während der Wahl zum ersten deutschen Parlamente in Steyr befand und sich nur einigermassen dem Wählerkreise näherte in frischer Erinnerung sein, daß das politische Glaubensbekenntniß, welches man von dem zu wählenden Deputirten allgemein und mit der größten Entschiedenheit forderte darin bestand: er müsse cher zehnmal österreichisch als einmal deutsch gesinnt sein. Als ich mich in einer Versammlung der Wahl¬ männer offen ausgesprochen hatte: "Ich kenne keine österreichische Nation, meinen Nationalität sei die Deutsche, die Feinde meiner Nationalität seien die Slaven, meine Heil erblühe mir nicht aus den grün überspannten Schreibund Rathtischen der Kabinete sondern aus der grünen heiligen Erde des deutschen Vaterlandes", wurde ich mit der Bemerkung beseitigt: "man bezweifle keinen Augenblick daß ich allerdings sehr befähigt*) zur Deputirtenstelle sei; doch hätte ich nicht passender sprechen können, wenn es mir darum zu thuen gewesen wäre, die mir etwa zugedachte Wahl zu hintertreiben. Man halte mich für einen schlechten Österreichen (einige meinten gar ich sei ein Republikaner), und man sei es daher seinem Gewissen schuldig mich nicht zu wählen." Einer der Wahlmänner erklärte mir gar noch in diesen Woche: er und mehre mit ihm fürchteten von mir den Umsturz aller bestehenden Verhältnisse und den Verlust des Wenigen, das sie besitzen! Jedermann hat das Recht sich von den Ideen und Absichten seines Nebenmenschen die beliebigen Vorstellungen zu machen und sein Vertrauen zu schenken wem er will, und wie mir die Wahlmänner dankbar sein werden für meine Aufrichtigkeit, so bin ich auch ihnen für die Ihrige verbunden. Aufrichtigkeit und Offenheit, das heißt: nicht anders reden als man denkt und ganz sagen was man denkt, sind Tugenden, ohne welche ein Ehrenmann nicht gedacht werden kann. Die Wahl kam endlich heran und die Wahlkandidaten bemühten sich den Wählern ihre mit den Anforderungen der Wählerschaft übereinstimmenden Gesinnungen auseinander zu setzen Der Wahlakt ging vor sich und zum Deputirten wurde erwählt Professor Ferdinand Redtenbacher zu Karlsruhe, *) Übrigens war ich offiziell als solcher in Steyr nie aufgetreten. der Sohn eines geachteten Steyr Bürgers. Da die Wählerschaft zu diesem Manne ein großes Zutrauen hatte, ohne aber über seine politischen Gesinnungen in Kenntniß zu sein, so wurden demselben die Bedingungen die ihm die Wählerschaft zu stellen sich für berufen hielt, (Hört! Hört!) und die natürlich in schwarz und gelber Farbenpracht schimmerten, brieflich mitgetheilt. Mit deutscher Offenheit erwiederte der Gewählte, daß er unter den gestellten Bedingungen keinen Stuhl im deutschen Parlamente einnehmen könne und dankte somit für die Ehre der Wahl. Herr Camillo Wagner, k. k. Berggerichts=Assessor zu Stadt Steyr als gewählter erster Ersatzmann, dem die Gesinnungen der Wähler vor und bei der Wahl ebensowenig unbekannt waren, als die nach der Wahl gestellten Bedingungen, reiste als ein Mann von anerkannter, sogenannter guter österreichischer Gesinnung, zu welcher Anerkennung er doch ganz gewiß nicht ohne seine Schuld gelangt ist, am 16. d. M. nach Frankfurt ab Heute lesen wir in der Beilage Nr. 128 zur Allgemeiner Zeitung folgenden Aufsatz aus seiner Feder: „Aus Oberösterreich. Die Wahlen sind nun zu Ende und ziemlich so ausgefallen wie jeder der einigermaßen mit den hiesigen Verhältnissen und Einflüssen bekannt ist, voraussehen konnte. Bei der Schnelligkeit der Wahlen und der geringen Vorbereitung muß auch der Zufall als gewichtiges Moment in der Wagschale der Entscheidung genannt werden. Außerdem sind es nur zwei Schlagwörter welche bei der Wahl aller Kandidaten eine große Rolle spielten, und die man auf der Zunge der Zeitungsleser unter den fungirenden Wahlmännern hörte, ja auch von den Nichtzeitungslesern häufig vernahm, welche, treuherzig herumstehend um aus ihrer Passivität herauszutreten und den Schein der Selbständigkeit zu retten, gerne diese Worte im Munde führte. Die Wienerzeitung hat mit den Schlagworten: Bundesstaat? Staatenbund? zwei Gespenster aufgerufen die überall herumspucken; sie wußte das letztere so rosenfarb herauszustreichen und das erstere so tiefäugig und aschgrau hinzustellen, daß die ängstlichen Gemüther großen Frucht bekamen. Der mächtige Einfluß den dieses verbreiteste Organ der österreichischen Presse übte, ist unverkennbar. Von ihren in diesem Sinne gehaltenen

(meist gut geschriebenen) Artikeln bestimmt und hingerissen, hielt sich die Masse an das Wort Staatenbund als den einzigen Hoffnungsanker und „ein einiges starkes Österreich“ klang ihr besser in die Ohren als ein einiges starkes Deutschland. Der intelligentere Theil mit seinen national=deutschen Gesinnungen drang nicht durch, und jene welche sich auf einen höhern allgemeinern Standpunkt zu einer freieren Umsicht und Ansicht der Dinge erschwungen haben, die der Interessen der Gegenwart und Zukunft einige hohle wesenlose Begriffe, angelernt in der Zeit des alten Systems, aufzuopfern wissen und unter Vaterlandsliebe etwas Höheres als den alten kaiserlichen Schwarz=Gelb=Patriotismus verstehen, blieben die Besiegten. Es ist traurig. Unrichtig aber wäre die Folgerung daß es hier an allem Keim eines deutschen Nationalgefühls unter dem Volke fehle. Das eigentliche Volk (der Bauer?) und der Gebildete reichen sich in ihren Sympathien die Hand. Über die treuherzigen häufig recht verständigen Bauerngesichter strahlte es freudig, daß man sie jetzt um ihre Stimmen und Meinungen befrage, und häufig hör ich von ihnen: „Die Deutschen sollen zusammenhalten, wir Deutschen müssen zusammenhalten, das ist uns schon recht.“ Dem Großtheil hat man aber irrig Begriffe von dem sogenannten „starken Österreich“ und umgekehrt „von dem Aufgehen Österreichs in Deutsch land“ beigebracht. Man glaubt die Interessen des Landes Österreich müßten den würtembürgischen, bayerischen, preußischen geopfert werden. Man glaubt der Credit und alle finanziellen Fragen knüpfen sich an die Nothwendigkeit eines großen Österreich. Man glaubt Österreich würde von dem übrigen Deutschland verspeist, ungefähr wie man sonst eine eroberte Provinz zu verspeisen pflegt. Wie war es aber möglich diesen irrigen Begriffen entgegen zu wirken? Wahlkomités sind nur für Städte; dort können sich die Gleichgesinnten schaaren; auf dem Land vertreten die Zeitungen, der Schulmeister, der Pfarrer, ein Beamter wenn er im Bezirke die Achtung genießt, ein populärer Wirth ihre Stelle. Die Arme des best organisirten Wahlkomités reichen nicht in unsere Berge, in die entfernten zerstreuten und einschichtigen Bauerndörfer. Der Staatenbund hat also gegenwärtig unbestritten den Sieg davongetragen, aber dennoch einen sehr präkären, denn nur die perfide Verahrungsweise seiner Parteigänger errang diesen Sieg, nicht eine im Volke wurzelnde feste und klare Ansicht der Dinge. Hat man ja doch den Bundesstaat unsern Leuten als verkappte Republik vorspiegelt, ein Wort welches hier entschieden gehaßt, gefürchtet, als gleichbedeutend mit allen Schrecken der Anarchie, des allgemeinen Bürgern= und Bauernkrieges, mit Mord und Todschlag gehalten wird. Mögen diesen Umstand unsre deutschen Brüder draußen wohl beherzigen! Ich wiederhole: der Sieg des Staatenbundes ist nur ein augenblicklicher. Unser Denken und Fühlen datirt seit so kurzer Zeit. Alles sind Keime, aber gesunde, viel versprechende. Ja selbst von den im Sinne des Staatenbunds Erwählten dürften sich noch viele dem Bundesstaat anschließen, wenn sie nach eigener reifer Überlegung dem Pedantismns hohler Begriffe sich entrungen und das wahre Beste Österreichs, das nur Hand in Hand mit den den deutschen Interessen geht, vollkommen erfaßt haben werden. Ich vertraue dem gesunden Sinne des herrlichen österreichischen Volkstammes und seiner Deputirten." Zwischen dem Tage, an dem Hr. Camillo Wagner gewählt worden ist und jenem, an dem er diesen Aufsatz schrieb, liegt ein Wendepunkt, ein dunkler Punkt! Ist es derselbe Punkt über den Saulus auf der Strasse vor Damascus ritt? Auf welchem eine Stimme vom Himmel ihm zurief: „Saulus, warum verfolgst du mich?“ Auf dem Saulus vom Pferde stürzte, sich das Gesicht verhüllte und zum Paulus wurde? Paulus hat sein Bekehrungswunder während seines Lebens oft und aufrichtig erzählt und damit viele seiner früheren Anhänger bekehrt. Möge doch Hr. Camillo Wagner wenigstens in diesem Stücke dem größten der Apostel nicht nachstehen. Er der in dem obigen Aufsatze so deutlich ausspricht: „Selbst von den im Sinne des Staatenbundes Erwählten (darunter er war), durften sich noch Viele dem Bundesstaat anschließen“ kann doch unmöglich ohne Hoffnung leben, daß ein solchen Bekehrungsversuch von heilsamen Folgen sein wird. Ich verschmähe gänzlich die banale Taktik, nach dem die Wahl auf einen Andern gefallen ist zu sagen: „Es sei mir an den Deputirtenstelle nicht viel gelegen gewesen.“ Ich sage hier offen: „Es war mein innigster Wunsch als Mitglied des deutschen Parlamentes für mein Vaterland wirken zu können, und daß die Wahl meiner Mitbürger nicht auf mich fiel, traf mich schwer und schmerzlich. „Man hat mich einer Gesinnung willen, zu der ich mich vor der Wahl offen bekannte, zurückgesetzt, und mir einen Mann vorgezogen, der dieselbe Gesinnung entschieden nach der Wahl aussprach. Wenn an dem Manne ein Bekehrungswunder nicht statt fand — und Wunder geschehen nicht alle Tag — so ist zwischen mir und ihm nur der Unterschied, daß ich meine Gesinnung offen darlegte, während er die seinige schlau verbarg. Alex. Jul. Schindler. Gegen das Monopol der Advokaten und die Monopolgelüste der übrigen Doctores Juris. Gleichzeitig mit dem Artikel „Freigebung der Advokatie“ in Nr. 15. dieser zwanglosen Blätter wurde auch eine Stimme in der Wienerzeitung gegen das schädliche Zunftwesen der Advokaten laut. Dieses gleichzeitige Aufgreifen und Behandeln derselben Fragen in den in ihrer Richtung verschiedensten Blättern des Vaterlandes dürfte uns wohl hinlänglich gegen den Vorwurf zu schützen im Stande sein, wir und fast nur wir suchten das Bestehende anzugreifen ohne Zwek und nützlicher Absicht.*) Dieser Vorwurf wird uns von mehreren unserer Leser, aufs Heftigste aber von gewissen Individuen gemacht, die unsere Blätter zwar nicht lesen, aber desto eifriger beschimpfen, die aber noch obendrein in einem solchen Urzustande der Bildung leben, daß sie die Sache von der Person nicht zu unterscheiden wissen und sich gegenüber der Letzteren in die Reihe jener eklen Gassengeschöpfe stellen die in ihrer Mißstimmung über das gegen sie karge Schicksal oder im Rausche die Vorübergehenden mit Koth bewerfen.

Die erste Stimme in der Wienerzeitung hat im Nr. 126 desselben Blattes eine kurze Entgegnung gefunden die jedoch den Namen einer Widerlegung darum nicht verdient, weil sie eben nichts widerlegt. Wenn es im ersten Aufsatze heißt, die Gesammtheit der gegenwärtigen Advokaten bilde eine Zunft, so führt der zweite Aufsatz dagegen an daß die Advokaten sich nicht selbst, sondern daß der Staat sie dazu gemacht habe. Mithin ist statt aller Widerlegung eingestanden, daß die Advokaten wirklich eine Zunft bilden. Der zweite Hauptvorwurf des angreifenden Aufsatzes trifft die Langsamkeit der Erledigung aller den Advokaten von Partheien anvertrauten Geschäften. Als Ursache dieser Langsamkeit führt aber die Entgegnung die Vorschriften der Gerichtsordnung an und sagt mit farisäischer Naivität, jeder Advokat müsse und werde zu Folge eines natürlichen Triebes seine Prozesse so schnell als möglich zu Ende bringen, denn nach der Arbeit erhält er der Lohn und je schneller eine Sache erreicht wird, desto größer ist das Verdienst. Es sei daher weder eine Ehre noch ein materieller Gewinn für einen Advokaten eine Rechtsführung in verzögern. Ohne sonst näher auf die Fysiologie der Advokaten eingehen zu wollen, müssen wir erklären von einem natürlichen Triede, die anvertrauten Prozesse so schnell als möglich in Ende zu führen, bei den uns bisher bekannt gewordenen Aovokaten noch keine Spur wahrgenommen zu haben. Auch ist es gar nicht mit den gemachten Erfahrungen übereinstimmend, daß die Advokaten ihren Lohn erst nach der Arbeit dahin nehmen. Vorschüsse, aconto Zahlungen, auch Zurückhaltung von Geldbeträgen, die dem Advokaten von Gegnern für seinen Klienten einbezahlt wurden, sind an der Tagesordnung und wohl allgemein in ErinnerungDer Verfasser der Entgegnung, er nennt sich Hr. E. und gesteht daß er selbst Advokat ist, hat mit seiner Behauptung nicht ganz Unrecht; "Je schneller man eine Sache erreicht, desto größer ist das Verdienst." Der Wahlspruch der bisherigen Advokaten scheint aber gewesen zu sein: „Je langsamer man eine Sache erreicht, desto größerer ist der Verdienst.“ Ebenso wahr das ist, daß die Verzögerung einer Rechtsführung den Advokaten keine Ehre gemacht hat, ebenso unwahr ist es, daß ihnen eine solche keinen materiellen Gewinn gebracht habe. Dessen seid ihr uns Zeugen ihr Tausende und aber Tausende von Terminsgesuchen, Tagsatzungserstreckungen, Vergleiche auf das schriftliche Verfahren, mangelhafte Vertretungen, restilutiones in integrum u. s. f. Dessen seid ihr uns Zeugen ihr Expensnoten, namentlich ihr ewig wiederkehrender Posten: Gesuch um Tagsatzungserstreckung verfaßt *) 2 fl Abschrif 36 kr. Wenn solche Posten in einer Expensnote 30—40 Mahl wiederkehren, so sieht die Summe doch wahrlich einem materiellen Gewinn ähnlich. Aber beide der Angreifer und der Vertheidiger des bisherigen Advokatenstandes vereinigen sich zuletzt friedlich im vollkommensten Einverständnisse über den Punkt, daß zur Advokatie Alle jene berechtigt sein sollen, die Doktoren der Rechte sind, eine mehrjährige Praxis bei einem Advokaten genommen und eine besondere Staats= (Advokaten) Prüfung abgelegt haben. Diese Erfordernisse erscheinen jedem der beiden Herren gänzlich unabweisbar, da der eine bereits Advokat, der andere aber Doktor juris, mit der Advokatenprüfung und Advokatenpraxis ausgerüstet ist. Es ist also den beiden Herren nicht um die Abschaffung eines zumal den Bewohnern des offenen Landes höchst drückenden Monopols zu thun, son- *) Meistens 10-12 Zeilen. dern eine Klasse Männer, die sich zur Partheienvertretung ausschließend befähigt hält, wünscht in die Reihe der Monopolberechtigten einzutreten. Diese Anmaßung einer ausschließenden Befähigung findet im Eingange erwähnten Aufsatzes (Nr. 15 d. Bl.) eine ruhige und begrundete Würdigung. Wir sprechen somit die Berechtigung zur Ausübung der Advokatie für jeden vom Staate geprüften und beeideten Civil= und Criminalrichter an, der ein öffentliches Richteramt ausübt. Denn es wäre kurz gesagt Verrath an den Rechtsbedürftigen, ihnen einen Mann zum Richter aufzustellen, der nicht einmal die Befähigung hat, seine Rechtsache oder die so er zu der seinigen gemacht hat mit Gewandtheit und der erforderlichen Gesetzkenntniß vor dem Gericht zu führen. Beider bedarf man um ein verläßlicher Richter sein zu können und ein Mehreres wird man auch von einen Advokaten nicht verlangen. Wir erwarten in unserer Provinz, wo so viele tüchtige Richter in Amt und Ansehen stehen, bald eine Vereinigung derselben zu dem Zwecke, die Schritte zu erwägen und vorzubereiten, die bei den versammelten Reichsständen zu geschehen haben, daß das Volk von der Last eines drückenden Monopols befreit, andererseits aber eine ehrenvolle Erwerbsquelle allen jenen eröffnet werde, die daraus zu schöpfen befähigt und berechtigt sind Unsere Zeit. Dänemark. Schleswig=Holstein ist frei, — die Bundestruppen haben gesiegt, — die Dänen sind geschlagen, — ihre Armee ist in eiliger Flucht nicht mehr zum Stehen gekommen, und wenn sich auch ein Großtheil derselben noch in ganz leidlichem Zustande auf Alsen befindet, so wird Wrangel, der General „Drauf“ auch dafür Mittel und Wege finden, und insoweit hat das Generalkommando der Herzogthümer Schleswig=Holstein Recht, wenn es der Hingebung Deutschlands seinen wärmsten Dank ausspricht und die an vielen Orten für diesen Zweck gebildeten Komites ersucht, ihm fortan keine Freiwilligen mehr zuzusenden, da es ihrer nicht weiters benöthiget; — insoweit hat es recht, und SchleswigHolstein hat sich auch selbst dann nicht zu sorgen, wenn das Gerücht wahr ist, daß Schweden und Norwegen sich rüstet, um Hilfsruppen gegen Preußen zu senden; aber wir können nicht einstimmen in den Jubel unsere deutschen Brüder frei zu sehen von der fremde Herrschaft, — nur die Landarmeen des Dänen sind geschlagen, seine Schiffe sind noch unversehrt. Hundert und dreißig Meilen weit, von Königsberg bis Emdem, liegen unsre Küste ihm offen; in die Mündungen unsrer Ströme kann er einfahren, sobald es ihm beliebt, und beinahe auch so tief landeinwärts als es ihn gut dünkt. Stettin und Lübek, Rostok und Hamburg, Kiel und Emdem, Bremen und Wismar sind ihm preisgegeben, und das Meer hat für uns Deutsche aufgehört eine Quelle des Erwerbs zu sein.*) Bereits fliehen unsere schutzlosen Kauffahrer vor den raubenden Kriegsschiffen des Dänen in die sicheren Häfen und wagen nicht mehr in See zu stechen, Einfuhr und Ausfuhr stocken, — das baare Getd verliert sich, — Handel und Gewerbe im weiten Binnenlande von Deutschland erfahren allüberall schweren Rükschlag.... vierzig Millionen Menschen sind in ersten Jubelrausch ihrer politischen Wiedergeburt der Laune eines Volkes unterworfen, das weniger Dörfer zählt als wir Städte, *) Die Blokade der Elbe durch ein dänisches Kriegsschiff machte am 4. Mai große Sensation an der Hamburger Börse. Die nach den Vereinigten Staaten bestimmten Schiffe mit Auswanderen müssen nun auch im Hafen liegen bleiben.

... o Schande jedem Zoll Landes über den die schwarz= roth=goldene Fahne hinweht so lange, bis wir sie vom Vordermast unserer Kriegsschiffe flattern sehen. Es ist schon spät — sehr spät an der Zeit, — man hat schon lange von einer deutschen Flotte gesprechen, — in allen Zeitungen darüber geschrieben, — und jetzt ergeht ein Aufruf zu einer „Sachsensammlung für die deutsche Flotte“. werden wir dadurch dazu kommen, was uns noth thut? — und wann? — daß wir in Deutschland doch gar so oft mit dem „zu spät!“ angerufen werden! — und dazu dann noch die separatischen Bestrebungen in Preußen und Österreich! — o du schöne deutsche Einigkeit, Frankreich. Die provisorische Diktatur in Paris thut was sie kann. Man kommt hier aus den Feiertagen gar nicht heraus. Seit zwei Monathen überläßt sich ein Großtheil der Bevölkerung einem sonntäglichen Nichtsthun, — bekommt doch jeder, der nichts arbeitet, 20 Sous pr. Tag, und jeder ist damit begnügt; folgen doch Volksfeste auf Volksfeste: Musterungen der Nationalgarde auf den Boulevards Kirchenfeier für die Gefallenen, — socialistischen Piqueniques, wobei Bürger und Arbeiter mitsammen zechen, zahlreiche Aufwartungen von allerlei Körperschaften, Pflanzungen von vielen hunderten Freiheitsbäumen, ... die provisorische Regierung thut noch mehr: es wird eine Rheinarmee 40 tausend Mann aufgestellt, — ein Alpenheer ist bereits gebildet und General Qudinot hat in seinem Tagsbefehl folgende wichtige Worte gesprochen: „die Sache, der wir dienen ist groß und national, weihen wir ihr alle unsere Arbeiten, unsern ganzen Muth, unsere ganze Energie. Die Republik ist Freundin aller Völker. Sie hat besonders viele Sympathien für die Bevölkerung Italiens, — die Soldaten dieses schönes Landes haben oftmals auf unsterblichen Schlachtfeldern unsern Gefahren und unsern Ruhm getheilt, — bald sollen neue Bande eine unsern Erinnerungen so theuere Waffenbruderschaft wieder anknüpfen ...“ dieses „vielleicht bald“*) ist drohend genug — aber die Franzosen sind Freunde des Drohens — und wir sehen daß die provisorische Regierung ihr Volk kennt, — aber für die Länge wird sie mit ihren Kunstgriffen gewiß nicht auslangen, sie wird nicht fortan täglich 20 Sous pr. Kopf jedem, der nicht arbeiten will, auszahlen können — mit den Volksfesten wird es auch zu Ende kommen, — und bei dem Drohungen allein wird es sich auch nicht bewenden, — das sehen die Vernünftigen ein, gemahnt durch die Ereignisse der letzten Tage in Rouen, Elbeuf, Limoges u. a. O., sie sehen es ein, daß ein bürgerlicher Krieg in halb Frankreich reif zum Ausbruch ist, — man beeilt sich die Nationalversammlung zu konstituiren, — nur die legale Autorität dieser kann Frankreich retten, vor den Folgen des Bürgerkrieges, der Anarchie bewahren — das armselige mythologische Fest zur Eröffnung der Nationalversammlung, mit seinem goldbehornten Ochsen, seinen Altären, symbolischen Bäumen, Statuen und sonstigen Jahrmarktbudenspielereien ist vielleicht das letzte Volksfest, — und die Drohungen werden vielleicht bald zur ernsten Wirklichkeit, darum: Deutschland sei wach! versäume die Zeit nicht mit vielen Hin= und Herfragen über Staatenbund und Bundesstaat! England hat in seinem Irland einen bösen Feind — die Hungersnoth. Das gräßliche Elend des Volkes besonders in den westlichen Bezirken macht es erklärlich, daß Aufruhrpredig *) Am 5. Mai, Abends 7 Uhr, erhielt das Regiment Scharfschützen (chasseurs d'Orleans) in Straßburg den unerwarteten Befehl, sofort an die italieni- sche Gränze zu rüken, und 2 Stunden später verließ das Regiment mit der Eisenbahn die Stadt. ten gegen die englische Herrschaft, unter welcher das Land so tief verkommen ist, in dem Herzen des irischen Landvolkes einen fruchtbaren Boden finden. In Dublin sieht man der Verkündigung der Martialgesetzes entgegen; das Schloß in welchem der Vicekönig residirt, sieht wie eine Festung in Kriegszeiten aus. Der Ton der leitenden englischen Journale über die dänisch=deutsche Frage klingt eben nicht sehr anmuthig. Die Morning=Post nennt die Preußen unruhig und eroberungssüchtig und geneigt die Nationalrechte seiner Nachbarn mit Füßen zu treten; — und die Times droht „mit Englands und Rußlands thatsächlicher Feindschaft, wenn deutsche Truppen Jütland betreten würden — nun dieß ginge uns noch ab! Italien. Die römische Nunciatur in Wien erklärt noch immer, der Papst stehe in besten Frieden mit Österreich, — dagegen erzählen uns Berichte, die päpstlichen Truppen hätten bereits den Po überschritten, des Papstes Feldhauptmann Durando ein Hilfskorps nach Friaul entsendet, und in Rom gehe man damit um, die in der Darsena von Civitavechica eingesperrten 1500 Galeerensträflinge dem Karlo Alberto von Sardinien zur Verfügung zu stellen, um sie durch strenge Disciplin zu braven Kriegern „gegen Österreich“ auszubilden, ... wird der römische Nuncius vielleicht doch bald unter den Abgereisten in der Wienerzeitung zu lesen sein? *) Das Comité zur Leitung der Deputirtenwahlen in Rom hat am 25. April im Programen erlassen, dessen Art. X. 5. 6. von uns Deutschen recht oft gelesen, und gut beherzigt werden soll: „Mit Österreich keinen Frieden bis die Alpen von jeder Seite die Gränzen Italiens einschlißen, vom Vax zum Brenner und von da zur Save und dem Quarnero. Wenn die Dalmatiner sich weigern, unser zu werden so soll man sehen, daß sie mindestens weder den Österreichern noch den Deutschen werden, sondern mit den andern slavischen Völkern vereint unabhängig seien. (Den Tschechen wird ja von allen Seiten recht hübsch in die Hände gespielt). — Das Gleiche thue man mit den Ungarn und betreibe mit ihnen jeden Vertrag guter Nachbarschaft und Zollverbindung. Vor Allem dränge man die Gefahr zurük, daß ganz Deutschland sich in unsern Streit mit Österreich mische." Es freut uns, die wir ehrlich wie wir sind auch an den Feinden alle Vorzüge anerkennen, daß die Italiener einen so richtigen Begriff von der Wichtigkeit eines festen Bündnisses aller Deutschen besitzen, daß sie so wohl einsehen daß der für Deutschlands Handel und Industrie so wichtige Besitz der adriatischen Häfen einzig und allein, aber auch ganz zuverlässig, durch die deutsche Einigkeit behauptet werden kann. Unsere österreichischen Brüder sind leider auch, wo mit den Waffen des Geistes gekämpft wird, von den Italienern aus dem Felde geschlagen. Es ist so betrübend, wenn man bei uns Leute sprechen hört, die in dem Wahne leben, die Übermacht der Slaven im starken Österreich, werde uns je einen Fußbreit Land behaupten oder erkämpfen. Sie werden gewiß noch manches erobern und behaupten, aber für sich — für sich ganz allein. Dann bleibt uns nur eine rettende Freundeshand die wir ergreifen müssen: die Hand der deutschen Brüder, die uns jetzt in so freundlich zum Bunde dargeboten wird und die wir jetzt so arger sträflicher Selbsttäuschung, zum größten Wohlgefallen klug machinirender Fürstenknechte zurükweisen. D. R. *) Pässe hat er bereits in Händen. Mit einem Ergänzungsblatte Nr. 5, u. Anzeiger Nr 11. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming, Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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