Zwanglose Blätter, Nr. 15, vom 7. Mai 1848

schen Hofe, Graf Dietrichstein, dem Fürsten Metternich auf= wartete, nennt diesen Exminister einen „ins Privatleben zurückgetretenen Beamten.“ Aber schon die nächste Spalte weißt diese Anschauungsweise mit Entrüstung zurück und nennt den Fürsten einen „mit Schmach und Schande ver= triebenen Minister.“ Das ist eine offene Sprache, wie man sie selbst von einer deutschen Zeitung nicht besser hätte erwarten können. Es ist erfreulich zu bemerken, wie lebhaft und nach= drücklich unsere nichtdeutschen Schwesterprovinzen für die Herstellung der Einheit und der Integrität des österreichi= schen Kaiserstaates arbeiten. Obwohl unter Zustimmung der ganzen deutschen Bevölkerung Österreichs von der Re= gierung die Absendung Deputirter zum deutschen Parla= mente beschlossen ist, widersetzen sich doch Mähren und der größte Theil von Böhmen den angeordneten Wahlen. Un= garn fordert seine Regimenter aus Italien zurück. Nur ein Bombardement kann Krakau zum Gehorsam zwingen. So stimmen diese Schwesterprovinzen in unser „Österreich über Alles“ ein. Ihretwillen sollen wir unsern deutscher Brüdern die Hand nicht zum Bunde reichen; ihretwillen unsere Geschichte von der des Deutschlands trennen, das mit und in uns groß geworden ist? Pfefferkörner. Auch diejenigen, die nach Erscheinen der „Verfas= sungs- Urkunde“ vom 15. April vollkommen damit einver= tanden waren, daß unsere Volksvertretung in zwei Kam= nern Statt finden soll, waren durch die Zusammensetzung der ersten Kammer die a. aus den großjährigen kaiserlichen Prinzen, b. aus den vom Kaiser in unbeschränkter Anzahl zu er= nennenden, und c. aus den aus den großen Grundbesitzern zu wählen= den 150 Mitgliedern bestehen sollte, nicht wenig beunruhigt. Denn bei der Be= fugniß des Kaisers, so viele Mitglieder in die erste Kam= mer ernennen zu können, als ihm beliebt, wäre es woh nur eine Kinderspiel in jeder Stunde eine Majorität für die Familien=Absichten des Thrones zu bilden. Die Schuld lag aber dießmal nicht in der Absicht unsers Kaisers, son= dern in der beispiellos schlechten Stylisirung der „Verfas= sungs=Urkunde.“ Aus wohlunterrichteter Quelle wird uns so eben mitgetheilt, daß die Zahl der vom Kaiser zu ernennenden Pairs nun auf fünfzig beschränkt und in diese Zahl auch die kaiserl. Prinzen einge= rechnet sein sollen. Diese Bestimmung, die freilich in die „Verfassungs=Urkunde“ gehört hätte, soll nun in das Wahlgesetz für die Reichsstände aufgenommen werden, da= mit wir nur aus dem Systeme der Ergänzungen und Nach= träge nicht hinauskommen. Wenn man sich nur von dem schädlichen Vorurtheile los machen könnte, daß man den Entwurf und die Stylisirung wichtiger Gesetze nur Hof= räthen anvertrauen kann. Mein Gott — einem solchen Hof= rathe scheint Vieles räthlich, was dem Volke gar nicht räthlich erscheint. Hofräthlich und volksräthlich — dazwi= schen ist ein großer Unterschied. Man kann es dem Hofe nicht verargen, daß er sich Räthe hält, die soll er sich aber als seine Privatbeamten selbst bezahlen und sie sollen sich in Regierungsgeschäfte nicht einmischen. Zu den Regierungsbehörden, die fürs Volk zu wirken haben und von ihm bezahlt sind, setze man Volks= räthe. Das ist ein schöner Titel und der schönste Beruf. Wir schneiden nach wie vor unentgeldlich Zöpfe ab. Offen gesprochen! Ein sicherer Hr F. G. hat hier zu Steyr einen offe= nen Brief *) an seine lieben Österreicher, Bürger und Bauern drucken und ausgeben lassen in dem er seine politische Unmündig= keit offen an den Tag legt. Das ganze Machwerk verdient wohl keine Widerlegung, jeder nur halb gebildete und in die Frage des Tages nur oberflächlich eingeweihte Mensch wird es, nachdem er es durchlesen hat, mit mitleidigem Lächeln bei Seite legen und sich an Freund Grauchen in der Fabel erinnern, der eines Tages, zur nicht geringem Ergötzung seiner Nachbar= schaft, die Laute zu spielen versuchte. Wie gesagt, keine Wi= derlegung — aber wir wollen in diesen ernsten Tagen einmal recht von Herzen lachen und dazu gibt uns jener offene Brief Stoff genug. Wie prächtig ist gleich die Eintheilung aller derer, an die der Brief gerichtet ist: a. in Österreicher, b. in Bürger, c. in Bauern. Schon diese Logik verdienet eine Schellenkappe erster Klasse mit Eichenlaub. Zuerst wird den Studenten, Professoren, Advokaten und Gelehrten!! (wieder eine sehr scharfe Eintheilung) und den ganzen gelehrten Sibschaft (sic.) zu Leibe gegangen und geru= fen „fort mit solchen Herren, welche nicht auch mit der Wissen= schaft und Gelehrtheit das Gute und Rechtschaffene verbinden.“ Der Mann ist großartig in seinen Distinktionen. Warum, fragt man mit Recht, soll aber die ganze gelehrte Sipp= schaft über Nacht aus dem Lande? Weil der Hr. F. G nicht weiß wie die Constitution jedem (dieser Herren nach seiner eigenen Ansicht zugeschnitten und angepaßt werden soll. Die gelehrte Sippschaft würde sich schönstens bedanken, wenn sie, so oft Hr. F. G. etwas nicht weiß, aus dem Lande getrieben werden müßte. Da könnte sie keine Stunde ihres Bleibens froh werden. Nach diesem offenen Brief sind die Gelehrten aber auch verschmitzt. „Die Geschichte des erst vor Kurzem vertriebenen Königs von Frankreich liefert uns den schlagendsten Beweis — wie weit es diese Ge= lehrten oft schnell (sic.) durch ihre Verschmitzt= heit zu bringen wissen.“ „Ein Mann wie die Welt nur Wenige seines Gleichen aufzuweisen hat, voll Weisheit, Herzensgüte, strenger Sittlichkeit (auch Rechtlichkeit?), kurz ein Mann, den Gott selbst so sicht= bar aus so oft gedungener Mördershand rettete, selbst dieser konnte es diesen immer und ewig unruhigen und Gewalt anstre= benden Geistern nicht recht machen, er mußte bei all seinen gro= ßen Eigenschaften fallen.“ „Es wurden zu diesem Zwecke mehrere Rotten des nie= drigsten Gesindels von Paris bezahlt und aufgewikelt; dies durchzogen unter fürchterlichem Geschrei: Reform! Reform! alle Strassen, aber die Wenigsten wußten was sie damit sagen woll= *) Offener Brief an meine lieben Österreicher Bürger und Bauern. Zu haben bei F. Sandbök zu Steyr. Preis 2 kr. C.M.

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