Zwanglose Blätter, Nr. 13, vom 30. April 1848

Zwanglose Blätter Oberösterreich. Nro. Steyr am 30. April 1848. 13. Thue Recht, und scheue Niemanden. Denkspruch. Betrachtungen und Wünsche. Die Constitution des Vaterlandes. Am dritten Juli 1848 sollen die Stände des österreichischen Kaiserstaates mit Ausnahme von Ungarn und Siebenbürgen Behufs der Consti= tution des Vaterlandes zusammentreten. Alles fragt nach den Grundsätzen ihrer Zusam= mensetzung und Niemand ist im Stande diese Frage zu beantworten, denn bis zur Stunde ist noch keine offizielle Erläuterung ins Publikum gelangt. Das Patent v. 15. März sagt darüber: "Wegen Einberufung von Abgeordneten aller Provinzial= Stände und der Central=Congregation des lomb. venet. Königreichs in der möglichst kürzesten Frist mit verstärkter Vertretung des Bürgerstandes und unter Berücksichtigung der bestehenden Provinzial= Verfassungen zum Behufe der von Uns beschlos= senen Constitution des Vaterlandes ist das Nöthige verfügt." Diese Phrase trägt das Gepräge der ängst= lichsten Hast ihrer Entstehung an der Stirne und ist nicht geeignet die aufsteigenden Zweifel befrie= digend zu lösen, ruft sie vielmehr hervor. Und doch sollte über diesen Hauptpunkt unserer Verfas= sungsfrage die größte Klarheit und Einigkeit herr= schen, denn sie ist der Ankergrund unserer Hoff= nungen. Von ihr hängt unsere Zukunft ab, sie verleiht erst den Werth und Gehalt unserer Er= rungenschaft, das eigentliche Maß der Volksfrei= heiten. Das Wort Constitution ist nicht allein hinreichend um alle Besorgnisse zu bannen, es hat eine zu ausgedehnte Bedeutung und umfaßt alle Nüancen der Verfassungen von der Illusion der Volksfreiheit bis zu ihrer Wahrheit. Wo soll un= sere künftige Stellung sein? Daß hierüber keine prinzipielle Gewißheit vorhanden, ist der bekla= genswertheste Umstand unserer staatsrechtlichen Zu= stände und hat bereits seine traurigen Folgen her= vorgerufen, Mißlaune gesät und Spaltungen unter den staatsangehörigen Volksstämmen erzeugt. Wo= hin diese auch führen werden, kann kein Sterblicher bestimmen. Wir haben Stände und eine Ständevertre= tung und diese soll durch einen Bürger=Ausschuß vermehrt werden. Aber die Stände sind Reliquien einer längst begrabenen tristen Feudalherrschaft, ohne Wurzel in der Bevölkerung, also lebensun= fähig, die Städtevertreter stumme Figuranten ei= ner geisttödtenden Bureaukratie, vom Volke nicht geliebt, und diese sollen etwa durch einige Bür= germeisterzöpfe vermehrt werden? Oder sollen einige Bürger ohne Wahlregeln und in anarchischen Zusammenrottungen, wie sie die sturmbewegten Tage der Revolution hervorgerufen, als Ausdruck der Volksmeinung in die konstituirende Versamm= lung geschoben werden? Wo bleibt die Intelli= genz, der Grundbesiz, die Arbeit und das Kapi= tal, sollen diese keine Vertretung erhalten? Haben die unteren Volksklassen am 15. März ihr Leben nur deshalb eingesezt um ewige Sklaven zu blei= ben? Oder sind die neuesten Errungenschaften ein Werk der volksfreundlichen Camarilla, oder der hohen Aristokratie, haben sie in die zwischen dem Herrscher und seinem Volke bestehende Scheide=

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