Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

91 Verhandlungsprotokoll stenographierte der Oberlandesgerichtsauskultant Schnitzer aus Wien. Die Privatkläger waren vertreten: Bürgermeister A. Haller vomWiener Advokaten Borowitzka, Sekretär Aichinger von demWiener Advo- katen Dirnberger, Franz von Schönthan nomine der Eisenhändler vom Advoka- ten Kaltenbrunner in Kirchdorf, die Gemeinderäte Med. Dr. Spängler und Franz Wickhoff jun. vertraten sich selbst, Franz Wickhoff senior, Eisenhändler, vom Advokaten Peßler aus Linz, der Graf von Festetics und die Gemeindevorstehung in Gaming von dem Wiener Advokaten Dr. Häusler, die fürstlich Lambergsche Familie von ihrem Pfleger Kratky, die zwei Angeklagten von dem Advokaten Dr. Silveri aus Linz und Dr. Schlager aus St. Florian. Außerdem waren noch anwe- send zwei Privat-Stenographen und Publikum, was Platz hatte, besonders von der Partei der Angeklagten. Nach achttägiger, sehr interessanter Verhandlung und eintägiger Beratung erfolgte endlich am 19. das Urteil: Dr. Pierer schuldig der Vergehen der Aufwiegelung u. Ehrenbeleidigung, Strafe vier Wochen Ar- rest, Michael Haas schuldig nur des letzteren Vergehens, Strafe 150 fl. zum Ar- menfond. Berufung dagegen von allen Seiten. Die Schmähartikel gegen den Bürgermeister und dem Sekretär im „Alpen- boten“ dauern im März fort, ungeachtet der gerichtlichen Verurteilung und diese Geschichte nimmt bereits einen ziemlich revolutionären Charakter an. Der reiche und jetzt allmächtige Armaturfabrikant Josef Werndl erbaut auf seinem eigentümlichen, zur vormaligen Papiermühle gehörigen Gartengrund auf dem Kohlanger nächst der Wehr des Wehrgrabenkanales eine 18 Klafter lange und 10 Klafter breite, aus Quadern gemauerte Schwimm - schule, wohl zunächst zum Gebrauch für seine vielen Arbeiter, aber doch auch zur allgemei- nen Benützung, wodurch einem längst gefühlten Bedürfnisse unserer Stadt ab- geholfen wird. Die beiläufigen Kosten derselben betragen 15.000 fl. Die Mitte des April bis gegen Ende war ziemlich regnerisch und kalt, doch war auch imApril kein Stäubchen Schnee gefallen, und die ältesten Leute den- ken keinen so schneelosen Winter wie den heurigen, weshalb auch die Holz- preise beträchtlich gesunken sind, überhaupt sind bei einem Silberagio von nur mehr 10 % die Preise aller landwirtschaftlichen Produkte merklich gesun- ken, daher sich bei den gewaltig erhöhten Steuern nun auch die Ökonomie in derselben Klemme wie die Industrie befindet. Jedoch hat sich infolge des kon- sequent durchgeführten konstitutionellen Systems der Staatskredit bereits mächtig gehoben, der Banknotenumlauf um mehr als 50 Millionen vermin- dert und die ausgewanderten K.- M.-Silbersechserl (10 kr. öst. W.) kehren

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