Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

86 Am 3. Februar trat ein für den ganzen hiesigen Holz- und Eisenbezirk viel- leicht einflussreich werdendes Ereignis ein, indem der Fürst Gustav Lamberg nach einer 30jährigen Regierung und nach bereits mehrjähriger Rücken- marks-Schwindsucht, nachdem er im letzten Dezember hier dem Typhus zu entfliehen glaubte, in Wien im eigenen Hause, im 50. Lebensjahre eben an Typhus gestorben ist. Er wurde in der Familiengruft in Schichowitz in Böhmen begraben. Am 10. März begann der Zimmermeister Huber mit dem Bau der Neubrücke. In diesem Monat wird auch die neue Ramingbach-Brücke hergestellt, und zwar mit einem Gitterspannwerk und Dach, die erste dieser Art in Österreich. Kosten 5000 fl. ohne den Brückenköpfen. Auch wurde in diesem Monat die Neuwahl von neun Gemeinderäten, an- statt einem ausgetretenen und acht durch das Los ausgeschiedenen, vorge- nommen, wobei diesmal der Armaturfabrikant Werndl, der Advokat Dr. J. Kompaß, k. k. Staatsanwalt Schwarz und k. k. Kreisgerichtsrat Eggendorfer ge- wählt wurden, Männer, welche im Vorjahr die Gemeindevorstehung, oder ei- gentlich der Herr Sekretär und seine Partei mit Leidenschaftlichkeit, aber un- kluger Weise, fernzuhalten bestrebt war, wodurch sie natürlich die gesamte k. k. Beamtenschaft in das gegnerische Lager trieb. Der Herr Sekretär ist nun bereits faktisch vom Ratstisch und den gemeinderätlichen Komitee-Beratun- gen ausgeschlossen. Dadurch ist sein Einfluss paralysiert, und auch der Herr Bürgermeister wird so arg angefeindet und öffentlich angegriffen, dass seine Stellung kaum mehr auf längere Dauer haltbar sein dürfte. Die kreisgerichtliche Untersuchung gegen den Gemeinderat und Advoka- ten Dr. Vierer wegen Aufwiegelung und Ehrenbeleidigung wird fortgesetzt und hat bereits eine große Dimension angenommen. Der Armaturfabrikant Josef Werndl, welcher bisher sein größtes Etablis- sement zu Oberletten an der Steyr hatte, hat nun hier in Steyr die ehemals Jocher'sche Papiermühle Nr. 212 bei der Steyr um 25.000 fl. öst. W. ange- kauft, das große hölzerne Werksgebäude sogleich demoliert und erbaut nun an deren Stelle eine große Waffenfabrik. Am 24. April hatten der Herr Bürgermeister und der Vizebürgermeister eine Audienz bei Sr. Majestät dem Kaiser, um für die Gemeinde möglichst günstige Bedingungen wegen der mietweisen Übernahme des Ex-Jesuitenge- bäudes zu Schulzwecken zu erlangen, in welches übrigens schon während der Osterferien die k. k. Haupt- und Unterrealschule übersiedelt hat, und wo

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