Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

85 1862 Das Jahr beginnt unter günstigeren Auspizien, als das vergangene äußerst extreme Jahr. Bei dem Eisen- Kommerz unserer Stadt herrscht, durch das Sil- beragio begünstigt, ein ziemlich reges Leben, besonders wird die Waffen- und Nägelfabrikation großartig, vielleicht mit mehr als 1500 Arbeitern, betrieben und die Werndl'schen Waffen gehen sogar viele nach Amerika. Auch die Bevölkerung hat seit der Nähe der Eisenbahn nicht unbedeutend zugenommen und es herrscht bereits eine wahre Not an Wohnungen, deren Preise stark hinaufgeschraubt wurden: jedoch ist von Neu- oder bedeutende- ren Vergrößerungsbauten keine Spur. Die Misshelligkeiten zwischen einem großen Teil unserer Bürger- und Be- amtenschaft gegen die Gemeindevorstehung, besonders gegen den Bürger- meister Haller und den Sekretär Aichinger dauern fort und die Angriffe des Advokaten Dr. Pierer gegen dieselben und in der Holz- und Kohlenfrage auch gegen den Fürsten Gustav Lamberg, in den Steyrer und Welser Zeitungen sind alle Grenzen der Schicklichkeit und Pressefreiheit übersteigende Lästerun- gen. Am 1. und 2. Februar noch immer heftiger Regen, wodurch bei dem ge- frorenen Boden die Enns und Steyr so sehr anschwollen, dass sie fast den Stand vom 1. Jänner 1843 erreichten und dass die ungeheure Menge wegge- triebenen Holzes, und besonders die weggeschwemmten Reichraminger und Losensteiner Brücken auch die mittleren drei Joche unserer, erst im Herbst mit einem Kostenaufwande von 2000 fl. reparierten Neubrücke hinwegrissen und überdies auch ein Joch der schon sehr schadhaften unteren Ennsbrücke stark beschädigten. Doch ist unser Hochwasser und Schaden kaum nennens- wert gegen die Überschwemmung, welche die Donau verursachte, deren Wasser seit mehr als 100 Jahren keine solche Höhe erreichte und Ortschaften und Fluren oft stundenweit durch mehrere Tage unter Wasser setzte, und wobei besonders die Stadt Wien außerordentlich gelitten hat und auch sogar der Eisenbahndamm der Westbahn bei Pöchlarn weggerissen wurde. Eine hier veranstaltete Sammlung für die Verunglückten ergab 1300 Gulden. Die Neubrücke, welche bisher sieben hölzerne Joche hatte, wird nun ganz neu mit nur vier solchen Jochen erbaut werden, die untere Ennsbrücke wird ausgebessert und wurden für deren nicht fernen Neubau anstatt der gegen- wärtigen vier hölzernen Joche bloß zwei steinerne Pfeiler errichtet.

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