Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

78 gegen die Regierung. Das Silberagio steht zu 41% und um das, durch das Ver- schwinden sogar auch der Kupferscheidemünze herbeigeführte gänzliche Sto- cken des Verkehrs einigermaßen zu paralysieren, mussten endlich wieder Zehn- kreuzerzettel ausgegeben werden. Auch glaubte die Regierung durch Anordnung neuer Gemeinderatswahlen in den außerungarischen Kronländern, nach dembe- liebten Stadion'schen Wahlgesetz vom Jahre 1849 die Situation bessern zu kön- nen, doch verfehlen solche halben und abgedrungenen Maßregeln alle Wirkung. Zu dieser allgemeinen Reichsnot kam in diesemMonat auch wieder eine neuerli- che Bierpreissteigerung, 1 Maß Märzenbier kostet jetzt 22 Kreuzer. Im Dezember dauern der gänzliche Mangel des öffentlichen Vertrauens, das hohe Silberagio und daher auch die enorme Teuerung aller Lebensbedürfnisse fort, worin selbst die gegen Ende desMonats eingetretene abermalige Systemän- derung, diesmal angeblich im konstitutionellen Sinne, und der Eintritt Schmer- lings ins Ministerium kaum sichtliche Besserung zu bringen vermochten. Am 22. Dezember begann hier der dritte Wahlkörper die Gemeinderats- wahlen und wählte ungeachtet allen Geschreies gegen die bisherige Gemein- devertretung doch wieder größtenteils die alten Gemeinderäte und nur einen Kandidaten vermochte die radikale Partei hineinzuschmuggeln, nämlich den Advokaten Dr. Pierer. Am 27. Dezember wählte der zweite Wahlkörper. Einiges Zerwürfnis entspann sich mit der zahlreichen Partei des Armaturerzeugers Jo- sef Werndl, welcher im August dieses Jahres von der Gemeindevorstehung als Gemeinderat vorgeschlagen, hierauf von der Regierung als solcher oktroyiert und dann bis jetzt im Gemeinderat gesessen war, jetzt aber bei den Neuwahlen wegen des mangelhaften Alters von 30 Jahren, wovon ihm nur noch einige Wo- chen fehlen, aus der Wählerliste gestrichen wurde, worüber von der Werndl- Partei sogar an das Ministerium, jedoch vergeblich, rekurriert worden war. Wodurch dann eine bedeutende Spannung zwischen einem großen Teil der Bürgerschaft und der bisherigen Gemeindevorstehung hervorgerufen wurde. Das Jahr 1860 war im Allgemeinen ein sehr trauriges. Dazu kommt noch, dass durch die am 1. Mai ins Leben getretene unbedingte Gewerbefreiheit die Gewerbeunternehmungen wie Pilze aus der Erde emporschießen, aber meistens bald wieder zerfallen, wodurch natürlich das Proletariat unendlich vermehrt wird. Übrigens ist es bei dieser allgemeinen Not doch gut, dass unsere Kommer- zialgewerbe infolge des hohen Silberagios nach dem Ausland bedeutenden Absatz haben.

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