Werkruf - Jahrgang 6 - Weihnachten/Neujahr 1943/1944

ERNST OSICKA DER WERDEGANG EINES SPIRALBOHRERS Es gibt Spiralbohrer mit konischem und solche mit zylindrischem Schaft, je nachdem das obere Ende des Bohrers zylindrisch oder konisch ist. Die konischen Bohrer haben einen Morse¬ konus von Nr. 1 bis Nr. 6, die in das dazu bestimmte Futter in der Bohrmaschine gedreht werden. Die Bohrer mit zylin¬ drischem Schaft werden in Bohrfutter gespannt. Zylindrische Bohrer von 0.2 bis 10 mm Durchmesser werden aus blank gezogenem oder vorgeschliffenem Stahl erzeugt, wäh¬ rend für konische Bohrer gewalzter Rundstahl verwendet wird. Weiter unterscheiden wir den Kurzdrallbohrer, der beispiels weise für Kupfer und Aluminium, und den Langdrallbohrer, der für Hartgummi, Bronze, Messing und Elektron verwendet wird. Der Spiralbohrer besteht aus folgenden Hauptteilen: Schaft (konisch oder zylinderisch), zwei Spiralnuten, Querschneide oder Seele, Facette und zwei mit der Querschneide verbundene Schneiden, die den wichtigsten Teil des Bohrers bilden. Bei der Herstellung des Spiralbohrers wird zuerst der Rohling von der Stange auf die vorgeschriebene Länge abgelängt, wor¬ auf das Drehen des Konus oder des Zylinders folgt. Dann kommt der Rohling zur ersten Operation, zum Nuten¬ oder Spiralfräsen. Spezialmaschinen, die nur für diesen Zweck gebaut sind, besorgen diese Arbeit. Der Rohling wird in ein Spannfutter gespannt und in eine seinem Durchmesser entsprechende Fräsbüchse geführt. Damit beginnt das eigentliche Fräsen der Nuten. Durch den Vorschul und das Drehen des Rohlings um seine eigene Achse wird die Nut auf die eingestellte Spirale und Tiefe gefräst. Dabei ist die Nutenfräsmaschine so eingerichtet, daß die Querschneide dem Nutenende, also dem Schaft zu, stärker wird, um dem Bohrer einen größeren Widerstand zu geben. Die beider Nuten und die durch die Querschneide verbundene Form heißen das Profil und bilden zugleich den Hauptteil des Bohrers. Ist das Profil eines Spiralbohrers nicht einwandfrei, dann werden seine beiden Schneiden nicht richtig arbeiten und es wird unmöglich sein, saubere Bohrlöcher zu erzielen. Auch wird, in den meisten Fällen, der Bohrer brechen, sobald er eine seinem Durchmesser entsprechende Tiefe erreicht haf. Das Nutenfräsen erfordert daher große Genauigkeit beim Ein¬ stellen der Maschine, um Ausschuß zu vermeiden. Der nächste Arbeitsgang ist das Hinterschleifen, durch welches die Facette gebildet wird. Dieser Arbeitsvorgang gleicht im wesentlichen dem Nutenfräsen, jedoch mit dem Unterschied, daß der gefräste Bohrer auch noch durch eine Büchse geführt und der Nut entlang mittels einer Schleifscheibe am Umfang des Bohrers geschliffen wird. Die Facette hat die Aufgabe, die Reibungsfläche des Bohrers am Umfang zu ver¬ ringern. Da die Facette dem Bohrer eine gewisse Führung gibt, kann er sich beim Bohren nicht verlaufen. Das heißt, daß es bei einer entsprechenden Kühlmittelzuführung nicht vor¬ kommen kann, daß ein Bohrer sich anreibt oder anfrißt. Die Facette soll weder zu schmal noch zu seicht sein. Diese Mängel würden ein Steckenbleiben und damit ein Unbrauch¬ barwerden des Bohrers beim Bohren verursachen. Ist der Bohrer nutengefräst, wird er gehärtet. Richtige Härtung ist besonders wichtig, denn selbst ein aus bestem Stahl hergestellter Bohrer wird nicht entsprechen, wenn er un¬ richtig oder schlecht gehärtet worden ist. Moderne Härterei¬ anlagen sind so vorzüglich eingerichtet, daß Fehlhärtungen unbedingt vermieden werden können. Kontrollinstrumente über¬ prüfen dauernd den Härtevorgang und ermöglichen die sichere Einhaltung der für die verschiedenen Stahlarten genau vor¬ geschriebenen und auch praktisch erprobten Härtetemperaturen. Weil durch das Härten Spannungen im Material entstehen, die eine wenn auch minimale Veränderung der äußeren Form des Bohrers verursachen können, muß nach dem Härten nach¬ gelassen und der Bohrer gerichtet werden. Diese Arbeit geschieht mittels einer Handpresse. Der an einer Flamme angewärmte Bohrer wird an seinem Schlag solange zurück¬ gerichtet, bis das vorgeschriebene Maß des Schlages erreich ist. Da es sich hiebei um nur einige wenige Hundertstel Milli¬ meter handelt und gehärtete Teile, vor allem Spiralbohrer, durch Gegendruck leicht brechen, ist das Richten eine sehr heikle Arbeit, die nicht nur große Genauigkeit, sondern auch viel Verständnis und Fingerspitzengefühl erfordert. Es folgt hierauf das Rundschleifen und, anschließend einer der wichtigsten Arbeitsgänge: das Schärfen des Spiralbohrers. Bei dieser Arbet kommt es darauf an, daß die Schneden gleich lang und der Hinterschliff — der Brustwinke — richtig ausgerichtet ist, ansonsten der Bohrer seine Aufgabe nicht erfüllen kann. Auch das Schärfen geschieht mit Spezial¬ maschinen. Bei kleineren Bohrern jedoch, mit Durchmessern von 0.2 bis etwa S Millimeter, muß die geübte Hand diese schwierige Arbeit leisten. In beiden Fällen, ob mit Maschine oder Hand, bedarf es einer langjährigen Fertigkeit und großen Obung, um dem Bohrer den genauen Endschliff zu geben von dem, nicht zuletzt, seine Güte und Vollkommenheit abhängt. Bei den abschließenden Kontrollen werden die fertigen Bohrer überprüft, fehlerhafte ausgeschieden, die einwandfrei befun¬ denen aber in die Konservierung geleitet, wo sie durch Einfetten insbesondere gegen Rostbildung geschützt werden Im Fertiglager werden die Bohrer nun nochmals überprüft, sortiert und verpackt, um als wichtiges und vielseitg verwen¬ detes Werkzeug heute voran dem Rüstungsarbeiter in seiner verantwortungsvollen und schweren Arbeit zu dienen. Nutfräsen von Spiralbohrer Hinterschleifen von Spiralbohrer Kontrollieren

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